Etliche Jahre nach seinen nicht minder bekannten Konkurrenten "Street Fighter" und "Mortal Kombat" schickte sich nun also "Tekken" an, den Sprung auf die große Leinwand zu wagen. Alle Vertreter eint, daß sie dem Kampfsportgenre entstammen und eine lange Historie vorzuweisen haben. Doch bei allen Schnittmengen existieren ebenso enorme stilistische Unterschiede. So gibt es das schnelle comichafte Street Fighter, das düstere und brutale Mortal Kombat und eben das facettenreiche und mit vielen Kampfstilen gespickte Tekken.
Dazu muß ich sagen, daß ich seit etwa 1996 Anhänger der Reihe bin und nur wenige Teile ausgelassen habe. Dank der damals wie heute spektakulären computeranimierten Filmsequenzen, die den Kern der eher dünnen und manchmal wirren Hintergrundgeschichte bilden, entstand natürlich ein konkretes Bild vor meinen Augen. In puncto Charaktergestaltung und Präsentation gehört Tekken glasklar zu meinen Favoriten. Doch die Stärke des Spiels ist auch zugleich die größte Schwäche des Films. Eine direkte Verfilmung kann ich es leider nicht nennen, obwohl ich mir eine solche gewünscht hätte.
Natürlich ist es schier unmöglich, alle Ereignisse seit dem Beginn unterzubringen. So wird im Spiel stets versucht, neue Story-Häppchen anzubieten. Charaktere erscheinen aus dem Nichts oder wandern scheinbar dorthin zurück, während sie in der nächsten Episode eine sagenhafte Auferstehung feiern. Das gleiche alte Schema wie bei Slasher-Filmen, das sich bewährt hat, aber niemanden mehr vom Hocker hauen kann. An dieser Stelle hat es der Film merklich schwer, die einzelnen Beziehungen der Kämpfer unter einen Hut zu bringen. Und so haben sich die Macher dazu entschieden, die Handlung zeitlich während des vierten und fünften Teils anzusiedeln. Ohne Rückblick wird so die komplette Rivalität zwischen Vater und Sohn (in Form von Heihachi und Kazuya) hergeschenkt. Eben dieser Konflikt der beiden Mishimas ist aber der Grundpfeiler der ganzen Serie und direkt oder indirekt der Grund, warum das Turnier "King of Iron Fist" überhaupt ausgetragen wird. Mit der späteren Ankunft von Jin Kazama wird die Familienbande noch im einige Aspekte reicher.
Stattdessen vereinfacht der Film an dieser Stelle und stellt anfangs Heihachi und Kazuya Seite an Seite. Der Konflikt entsteht im weiteren Verlauf und nähert sich der Vorlage an. Das ist verständlich und auch kein allzu schlechter Kompromiß, will man nicht einen wochenendfüllenden Spielfilm drehen. Aber es wurde in meinen Augen der falsche zeitliche Einstieg gewählt. Die Tekken-Umsetzung spricht deshalb weniger die Fans der Spiele an, als daß sie versucht, mit einer Neuinterpretation Zuschauer ohne Vorkenntnisse für sich zu gewinnen.
Doch dafür ist die im Film erzählte Geschichte zu dünn. Klischeehaft erzählt sie vom Mishima-Enkel Jin, der von seiner Mutter in allen Formen der Kampfkunst trainiert wird, aber gleichzeitig von ihr eingebleut bekommt, sich von den Wettkämpfen und der dahinterstehenden Tekken-Corporation fernzuhalten. Das Motiv ist aus erzählerischer Sicht etwas flach, dennoch halbwegs nachvollziehbar, wird aber leider zu oberflächlich behandelt. Denn nach einem Anschlag, bei dem seine Mutter Jun Kazama ums Leben kommt, kennt Jin nur noch eines: Rache. Eher zufällig findet Jin heraus, daß seine Mutter eine ehemalige Profikämpferin war und mit der so verhassten Tekken-Firma in ihrer Vergangenheit zu tun hatte. Aus dem sympathischen und talentierten Außenseiter wird plötzlich ein unaufhaltbarer Racheengel. Egal, wieviel Jin bei dem Weg zum Tekken-Champion einstecken muß oder wie stark er benachteiligt wird, er steht immer wieder auf und kurz darauf als Sieger da. Auch dieser typische Aufstieg des chancenlos wirkenden Außenseiters ist eine bewährte Schablone für eine Erfolgsgeschichte, die zum Happy End führt - Karate Kid und Bloodsport lassen grüßen. Nur übertreibt der Film auch hier über alle Maßen, so daß mich der Hollywood-Kitsch direkt aus dem Bildschirm heraus anspringt.
Handwerklich habe ich weniger zu kritisieren. Die Kämpfe sind flott, gut eingefangen und in der Arena mitsamt einigen Zeitlupenwiederholungen auch recht ansehnlich präsentiert. Allerdings beraubt sich der Film hier seiner größten Möglichkeiten. Während in der Vorlage ein riesiges Kämpferfeld mit den unterschiedlichsten Kampfstilen aufwartet, bekommt man eher abgespeckte Standardkost geboten. Diese ist zwar schön anzuschauen, läßt aber Tiefe und Vielfalt vermissen. Einzig Eddy Gordo wurde mit seinem unverkennbaren Capoeira-Stil treffend umgesetzt. Hätte man dies mit dem restlichen oder gar erweiterten Kämpferfeld genauso gemacht, wäre Tekken ein wahres Martial Arts-Fest geworden.
Als Beispiele seien speziell der stark veränderte Marshall Law und der gänzlich fehlende Lei Wulong genannt. Während Mashall Law eigentlich eine Hommage und zugleich ein Abbild Bruce Lees im Tekken Universum ist, erinnert mich im Film nichts an ihn. Die Figur wirkt ziemlich gewöhnlich und auch deren Darsteller paßt so rein gar nicht zum drahtigen, geschmeidigen und kraftvollen Bruce Lee. Man bekommt im Film also einen Kämpfer präsentiert, der für Jin das erste Sprungbrett auf dem Weg nach oben darstellt - und nicht den vielerorts vergötterten und womöglich besten Kampfkünstler aller Zeiten. Oder den erwähnten Lei, der eine Ehrenverbeugung vor Jackie Chan darstellt. Ein asiatischer Polizist, der in den Spielen mit seiner Akrobatik und unkonventionellen Kampfkunst auf sich aufmerksam macht. Diesen Charakter einfach wegzulassen, ist schon fahrlässig. Ebenso sträflich ist das Fehlen seines Freundes Paul Phoenix, der ein weiteres Urgestein der Serie ist.
Stattdessen rücken neuere Figuren wie Sergei Dragunov, Miguel Rojo oder Raven in den Fokus, die man als reine Nebencharaktere betrachten muß. Passenderweise haben diese drei auch wenig im Film beizutragen. Dennoch hätten es andere Kämpfer weitaus mehr verdient gehabt. Auch bleiben die meisten Figuren, die es in den Film geschafft haben, vollkommen blaß. Außer ein, zwei kurzen Sätzen zur Einführung ins Turnier bekommt man wenig bis nichts zu deren Hintergrund geliefert. Warum also jeder Kämpfer den Titel der "eisernen Faust" für sich beanspruchen möchte, ist gar nicht klar. Ein paar mächtige Konzerne scheinen die Auftraggeber zu sein, die persönliche Motivation und die eigenen Interessen werden nicht behandelt. Dabei kennen die Kämpfer sich gegenseitig sehr gut und sind schon jahrelang Kontrahenten. Ein Steve Fox, der hier als Jins Manager fungiert, deutet ein paar Sachen an und weiß über Stärken und Schwächen bescheid, dabei bleibt es allerdings auch.
Die größte Schwäche des Films ist in meinen Augen die mangelnde Ähnlichkeit zwischen Darstellern und den computeranimierten Vorlagen. Alleine der Mishima-Clan besticht sonst durch seine abstehende Haarpracht, die scheinbar von Generation zu Generation weitergegeben wird. Ein Kazuya mit Bart ist in meinen Augen stark gewöhnungsbedürftig, genauso fehlen ihm die einprägsamen Narben auf dem Körper. Nina Williams wirkt im Film leider mehr wie ein Sternchen am Porno-Himmel als wie eine kaltblütige Assassine. Mag sein, daß es an der Stelle beinahe unmöglich wird, Schauspieler zu finden, die sozusagen identisch aussehen und noch etwas von Kampfkunst verstehen. Trotzdem hätte man sich in der Maske und bei der Kostümgestaltung der Vorlage weiter annähern müssen. Beispielsweise das diabolische und beinahe maschinelle Lachen eines Bryan Fury hat mir gefehlt. Die Macher haben den Charakteren viele ihrer Erkennungsmerkmale genommen.
Auch die Wahl des Protagonisten mit Jin sagt mir nicht unbedingt zu, was allerdings eine ganz persönliche Geschmacksfrage darstellt. Ich mag die Figur, wie sie in der Videospielreihe eingeführt wurde, nicht. Jin war eine Art Strahlemann, ein Schuljunge, der plötzlich im Fokus stand. Erst seine spätere Entwicklung hat mir dann mehr zugesagt. In diese Richtung geht dann auch eine Anmerkung zum Ende hin, als vom "verfluchten Blut der Mishima" die Rede ist. Schade, daß es dabei geblieben ist und nicht zumindest blutunterlaufene Augen zu sehen waren. Kenner der Reihe werden wissen, was gemeint ist. Ich will darauf nicht weiter eingehen, im Falle einer Fortsetzung könnte das eine enorme Überraschung vorwegnehmen.
Unter dem Strich ist Tekken kein mieserabler Film, obwohl ich wenige Aspekte wirklich positiv hervorheben kann. Aber für mich als Kenner der Vorlage bleibt er eine Enttäuschung. Im Grunde müßte ich zwei Urteile fällen, eines aus meiner etwas voreingenommenen Sichtweise und eines aus der eines unbedarften Zuschauers, der sich für Kampfsportfilme interessiert. Das Genre hat es sicher schwer, eine gewisse Tiefe auf die Leinwand zu transportieren, wenn doch der Fokus so offensichtlich auf etwas anderem liegt. Daher denke ich, daß Tekken schlußendlich eine durchschnittliche bis gute Figur im Ring macht, außerhalb aber nicht gegen den schemenhaften und austauschbaren Aufbau ankämpfen kann. Spannung und ein bißchen Nervenkitzel sucht man hier vergebens, da auch die Kontrahenten des Protagonisten gar nicht erst aufgebaut werden. Insofern bleibt für Außenstehende ein Film, den man sich ansehen kann und dabei stellenweise unterhalten wird, während man aber auch nichts verpaßt, wenn man stattdessen etwas anderes sieht.
Videospielbegeisterte, die eine strikte Umsetzung des Stoffs erwarten, werden eine Enttäuschung erleben. Dafür entfernt sich der Film zu weit von der Vorlage. Betrachtet man den Streifen als eine losgelöste Interpreation, die mehr zusammenfaßt als dem Zuschauer näher zu bringen, bleibt ein solider Streifen ohne herausstechende Höhepunkte.