Review

Cobra Gang

Bei uns sind sie unbekannt, in ihrer Heimat jedoch veritable Stars: Mario und Fernando Almada, die in ihrer Blütezeit in einer Menge „Tequila- Western“ (so die amtliche Bezeichnung für mexikanische Western) mitwirkten und sich von ihrem Alter den Spaß nicht vermiesen lassen. Ob allein oder gemeinsam, die beiden Gebrüder werten auch heute immer noch regelmäßig mexikanische (Action-)Filme auf, ungeachtet der Tatsache, daß sie inzwischen mal eben über 80 Lenze zählen. Je oller, je doller, kann man da nur sagen…
Vergleicht man die mexikanischen Trashheuler der 1980er miteinander, so fallen bestimmte gemeinsame Eigenheiten ins Auge. Die landläufige Meinung über Mexikaner ist ja, daß diese sich unter riesigen Sombreros vor der Sonne verstecken und ständig Siesta machen. Nicht so hier: Wer denkt, daß Mexiko ein einziges sonniges Postkartenmotiv ist, wird in diesen Filmen (siehe auch unsere Reviews zu „Blutiger Highway 1 + 2“ und der neue „Nicotina“) eines Besseren belehrt. Die Landschaften, die man in diesen Filmen vorfindet, hätte man so auch um Berlin filmen können, das Wetter ist dort ähnlich windig und oftmals wenig anheimelnd. Dazu erwecken zumindest die 1980er- Vertreter des mexikanischen Kinos den Eindruck, daß Schlangen bei Bewohnern des mittelamerikanischen Landstrichs als Haus- und Kuscheltiere einen ebensolchen Stellenwert besitzen wie bei uns Katzen oder Hunde. Ehrlich, ich habe noch nie so viele Schlangen gesehen wie in diesen Filmen. Im vorliegenden Fall sind sie sogar titelgebend, wobei der spektakulär klingende „Cobra Gang“ wohl an den Stallone- Reißer „Die City Cobra“ (1986) gemahnen sollte. Denn die hier vorkommenden Vertreter der Ordnung Squamata heißen wohl eher Crotalus mit Namen, will sagen, es sind Klapperschlangen. In einer deutlichen Anspielung an Donald Pleasance in „James Bond- Man lebt nur zweimal“ (1967) trägt der Bösewicht nämlich eine Schlange um den Hals, die er ständig streichelt. Aber genug des müßigen Wissens, und rein in den Film.
Um einen Eindruck zu vermitteln, von welchem Kaliber dieser in die Neuzeit verlegte Western ist, hilft es, einen näheren Blick auf den Anfang zu riskieren: Zunächst leiert die Synthiemucke und erst einmal stilvoll in den Film zu Bildern eines mit zahlreichen Totenkopfringen ausgestatteten Muskelmanns, der massenweise Munition in Gläser füllt, aus denen sich dann mehrere dubiose Typen bedienen und ihr martialisches Waffenarsenal bestücken. Und diese Typen sind eindeutig Befürworter der Kausalitätstheorie der Zensurforschung, denn zwei davon haben wohl noch keinen Teil von „Freitag der 13.“ verpaßt. Sie laufen nämlich zum Stelldichein in einer Kneipe mit diesen gruseligen Eishockeymasken auf. Ich kenne mich mit den mexikanischen Gepflogenheiten ja nicht so aus, aber diese Masken sind dort bestimmt nicht sonderlich gebräuchlich. Danach sind die beiden Almadas an der Reihe; zwar die Guten, sind sie jedoch nicht weniger martialisch ausgestattet mit einem Arsenal, das Rambo blaß aussehen lassen würde. Und diese sind als Rancher einem kleinen „Tröpfchen“ nicht abgeneigt. Und so beschließen sie, just in der Kneipe einzukehren, vor der die Eishockeymenschen anhalten. Mario alias Matteo ist nämlich beim dortigen Wirt ein gern gesehener Gast, wie er uns wissen läßt, da er beim letzten Mal von seinem Bruder „herausgeschleppt“ werden mußte. Die Gangster haben derweil die gesamte Belegschaft in der Kneipe dahingemetzelt. Als Matteo hineinkommt und nur Leichen vorfindet, reagiert er aber nicht übermäßig schockiert. Die Schlange, die die Gangster als Erkennungszeichen hinterließen, erschießt er mit dem von ihnen vergessenen (?) MG. Matteo also mit dem MG im Anschlag, als genau in dem Augenblick der Sheriff, der jetzige Mann von Matteos Verflossener und somit sein Rivale (und nebenbei korrupt bis unter die Hutkrempe), hereinkommt. Als Matteo stammelt: „Du…du glaubst doch nicht etwa…“ und der Sheriff daraufhin die Handschellen aus dem Halfter schnellen läßt, weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Derweil trifft Brüderlein Fernando an der Tanke den Hilfssheriff, der ihm rät, sich bloß zusammen mit Matteo zu besaufen, „…beschissen langweilig ist es in diesem Nest!“
Der Hilfssheriff geht hinein, um sich etwas zu kaufen, was- ich kann mich wegen der Papiertüte auch täuschen- wie eine Whiskyflasche aussieht, während über Funk die Meldung über das Bar- Massaker kommt, die Fernando als einen der Tatverdächtigen identifiziert. Als dieser daraufhin abhaut, fragt der gerade wiederkehrende Hilfssheriff den Tankwart: „Was haben die gerade durchgegeben?“- Worauf der Tankwart gelangweilt antwortet: „Keine Ahnung, irgendein Massaker!“ Die lethargischen Reaktionen aller Beteiligten legen die Vermutung nahe, daß Massaker in diesem „langweiligen“ Nest zum täglich Brot gehören wie anderswo das Mähen des Rasens.
Die Filme mit den Almada- Brüdern bemühen sich im Vergleich zu anderen mexikanischen Filmen der Zeit um eine gewisse Ernsthaftigkeit und um ein gewisses Niveau, was die Drehbücher und die Entwicklung der Charaktere anbelangt. So ist dieser hier eine einzige Verwicklung tragischer menschlicher Schicksale. Matteo wird eingesperrt, von Fernando in einer tollkühnen Rettungsaktion aus dem Knast befreit, und gemeinsam schreiten sie zur Tat gegen die brutale Gang, die mit dem Massaker den Mord an einem untergetauchten Gangsterboß vertuschen wollten. Dabei wird ausgiebig die Mittäterschaft des Sheriffs und sein Frust über seine immer noch in Matteo verliebte Frau thematisiert. Verständlich, daß der Sheriff gefrustet ist, denn bei der Tochter hat er keine Autorität, die Frau ist in einen anderen verliebt, und vom Gangsterboß wird er verprügelt. Doch sämtliche Bemühungen der Regie werden gekonnt von den unglaublichen Chargen in den Nebenrollen unterlaufen. Weder die Darstellerin der Frau des Sheriffs noch seinen Darsteller hat man wohl wegen irgendeiner Form von Talent genommen. Nur in seiner Sterbeszene läuft der gute Mann zur Hochform auf.
„Ráfaga de plomo“ ist ein relativ straff und unterhaltsam inszenierter Thriller, der seine zahlreichen Schießereien mit massenhaft zerplatzenden Blutbeuteln würzt (in Fachkreisen auch ‚squibs’ genannt) und einige allen Wahrscheinlichkeitsrechnungen trotzenden Szenen oben drauflegt wie die, in der sich der noch immer gefangene Matteo an einer flink gebastelten Seilkonstruktion aufhängt und Bruder Fernando ihn mit einem zweimotorigen Flugzeug in voller Geschwindigkeit „aufsammelt“. Ich habe das mal nachgerechnet: Bei einem Druck von 19g wird ein ausgewachsener, gesunder Mann bewußtlos; Mario Almada hatte zur damaligen Zeit mit einem Alter von weit über 60 das hinter sich gelassen, was man die „besten Jahre“ nennt. Jedenfalls gibt’s solche Szenen sonst nur bei James Bond. Ich will nicht zuviel verraten, aber die Drogengangster schmuggeln das Rauschgift IN lebenden Klapperschlangen (yeuch!!!).
Leider wird man im Netz nicht so richtig fündig, was Bilder der beiden Almadas betrifft. Dafür finden sich so einige Infos. Die beiden Almadas (geboren 1922 und 1929) hatten ihren ersten Filmauftritt 1935 in zartem Alter in „Madre querida“ und waren dann erst ab Mitte der 1960er wieder in Filmen zu sehen. Dazwischen waren beide Chefs des Nachtclubs „Cabaret Señorial” in Mexico City. Mario war zunächst eher in die Produktion der Filme involviert, in denen sein Bruder Fernando auftrat. In den 1970ern war er ein gefragter Charakterdarsteller, um in den 1980ern zusammen mit Fernando zum Actionstar zu werden. Er gewann den “Diosa de Plata” als Bester Männlicher Co-Star für „El tunco Maclovio“ (1969), und wurde zweimal für den Ariel nominiert: für „La viuda negra“ ('77) and für „Chido Guan--tacos de oro“ ('85). In der Imdb dürfte der Spitzenreiter bei der schieren Anzahl an abgedrehten Filmen Alt- Horrorstar John Carradine (der mal was von 500 Filmen faselte!) mit 327 Einträgen (!!) sein, aber Mario Almada kann beinahe mithalten, mit immerhin 281 Einträgen. Selbst Christopher Lee kann dagegen nicht anstinken! Die beiden Almadas sind jedenfalls weiterhin gut im Geschäft, Mario trat 2004 und 2005 in je drei Filmen auf. Zusammen waren sie 1981 in Mexikos angeblich meistausgezeichnetem Film, „Pistoleros famosos“, aufgetreten. Ihr bisher letzter gemeinsamer Auftritt war 1999, in „El Último cartucho“. Mit ihrem markanten Aussehen sind sie aber auch wirklich das Beste an ihren Filmen, die anderen Darsteller scheinen da nur Staffage.
Auf der DVD, die wieder einmal in einer dieser schönen, bei CMV üblichen, Hochglanz- Buchboxen daherkommt, ist der Film in der gewohnten Qualität enthalten. Das (deutsche) Master stammt wohl aus den Video- Hochzeiten der 80er Jahre und ist mit entsprechenden Verschmutzungen ausgestattet bzw. mit einem Mangel an Schärfe. Aber bei solchen Filmen gehört das irgendwie zum Hauch der Nostalgie, die sie umweht. Da die nette deutsche Synchronisation so ins digitale Zeitalter gerettet wird und sich auf der DVD auch eine hübsche kleine Trailershow findet, ist doch eigentlich alles in Butter.
Der Film ist allen Fans des schlechten Films wärmstens zu empfehlen und am besten bei einer Flasche Tequila zu genießen. Sollten dann irgendwelche Nebenwirkungen auftreten, nicht auf den Film schieben! Morris

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