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Ein Kamerateam begleitet eine Gruppe von US-Soldaten in ein abgelegenes Tal in Afghanistan, das von den Taliban schwer umkämpft wird. Sie errichten einen neuen Außenposten mitten im Nirgendwo und nennen ihn nach einem gefallenen Kameraden: „Restrepo". Über Monate müssen die Soldaten unter schwersten Bedingungen dort ausharren - tägliche Feuergefechte und Angriffe, schwere Arbeiten, nur bedingt erfolgreiche Vermittlungsgespräche mit der einheimischen Bevölkerung prägen ihren Alltag.

Der 2011 für den Oscar nominierte Dokumentarfilm „Restrepo" liefert höchst authentische Einblicke in den harten Alltag der US-Soldaten, die im tiefsten afghanischen Hinterland für Sicherheit und Entwicklung zu sorgen versuchen. Das wird formal auf Höhe der aktuellen Dokumentarstandards gezeigt - gewagte Aufnahmen mitten aus den kämpfenden Reihen, ruhige Interviews mit den heimgekehrten Soldaten, die einzelne Szenen und Ereignisse kommentieren, der Verzicht auf erläuternde Off-Kommentare - kann inhaltlich aber nur bedingt überzeugen.

Natürlich muss man die Qualität eines Dokumentarfilms auch danach beurteilen, welches Ziel er erreichen will. „Restrepo" ist ganz eindeutig darauf angelegt, in erster Linie einen Einblick in Details des US-Militärfeldzugs im Nahen Osten zu geben, den es so vorher nicht gab. Und dieses Ziel wird durchaus erreicht: Hautnahe Aufnahmen von Feuergefechten wechseln sich ab mit leisen, koordinierten Interviewparts oder Szenen von verzweifelter Fröhlichkeit, wenn drei Soldaten zu einem Pop-Song in ihrem Unterstand tanzen. Die psychische Belastung des Einsatzes wird in solchen Montagen mehr als deutlich und erzeugt ein gewisses Maß an Empathie für die Agierenden.

Dennoch wird im Verlauf des Films immer deutlicher, dass ein angesichts dieses Themas enorm wichtiges Element fehlt: die Reflexion. Der Film will die Belastung der Soldaten veranschaulichen, und das gelingt ihm. Aber dadurch wird sein Blickwinkel auch extrem einseitig - auf der einen Seite die guten, sympathischen US-Soldaten, auf der anderen Seite die als hinterwäldlerisch und sturköpfig gezeigten afghanischen Bauern, denen man nie so richtig trauen könne. Die arrogante Überlegenheitshaltung, mit der die invasorischen Soldaten hier auftreten, das Leben der Einwohner bestimmen und immer strengen Gehorsam von ihren fordern, wird zu keiner Sekunde hinterfragt - ebenso wenig wie die wahren Motive des Krieges oder die unrühmlichen Passagen des US-Militärs. Um die eigenen Toten wird getrauert, um in der nächsten Szene in Mordfantasien gegen die unsichtbaren Gegner zu schwelgen. Das ist militärische Logik und durchaus nachvollziehbar, aber durch die unreflektierte Darstellung wird diese Menschenverachtung auch durchaus positiv konnotiert. Selbst harte Fakten werden ohne jeden Zusammenhang präsentiert: Nach all der harten und verlustreichen Arbeit in diesem Tal wird am Ende die Information eingeblendet, dass das Militär sich 2010 aus dieser Gegend zurückzog. Keine Einordnung, was das psychisch, emotional, strategisch oder politisch für alle Beteiligten bedeuten mag. So wird man als Zuschauer völlig in der Luft hängen gelassen. Das ist keine journalistische Neutralität, sondern schlicht Ignoranz.

Auch wirkt die Inszenierung der Soldaten, deren Traumatisierung in manchen kurzen Szenen durchscheint, etwas zu pathetisch - die Großaufnahmen auf ihre Gesichter vor schwarzem Hintergrund machen es mitunter schwierig, ihnen in die Augen zu sehen, ohne sich selbst etwas lächerlich vorzukommen. Und wenn es die Kamera in einer dramatischen Kampfsituation dann doch nicht lassen kann, zumindest andeutungsweise auf die Leiche eines erschossenen Soldaten zu zoomen, wird klar, dass der Anspruch, sich hier ohne jeden Kommentar durchzuarbeiten, nur geheuchelt ist. Insgesamt wirkt „Restrepo" zu sehr wie ein Unterstützungsfilm für die schwierige Arbeit des US-Militärs, um als Dokumentarfilm wirklich zu überzeugen. Schade, denn die formalen Voraussetzungen waren durchaus gegeben.

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