Also da muß ich doch ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, wenn es um den Herrn der Ringe geht, denn wie ich den Film gesehen habe, ist wohl typisch für viele Tolkienfans.
Ich war wohl so in etwa vierzehn, als ich mich nach zwei erfolglosen Anläufen Hals über Kopf in Tolkiens Buch verliebte. Und dann entdeckte ich zu meinem Erstaunen, daß es dazu einen Film gab, einen Zeichentrickfilm und er lief in meinem Stadtteilkino!!! Also sofort aufgebrochen und reingegangen.
Doch welche Enttäuschung, knapp zweieinhalb Stunden später verließ ich das Kino wieder und hätte vor Wut fast geheult. Was hatten die getan?
Vier bis sechs Monate später lief der Streifen erneut bei uns - und ich ging wieder hin.
Da steckt wenig Logik drin, meint ihr?
Von wegen - das ist das ganze Dilemma eines Tolkien-Fans.
Meine Wut war damals durchaus berechtigt, denn Bakshis "Ring" ist ein ambitioniertes Unternehmen in Animation, daß, wie so ziemlich alle Kritiker behaupten, schmählich in die Hose ging.
Weil der Produktion mittendrin die Mittel ausgingen, wurde hier ohne weitere Erwähnung nur etwas über die Hälfte der drei Bücher verfilmt. Das Ende des Films wirkt dementsprechend überhastet und läßt sämtliche aktuellen Handlungsstränge offen. Das Geschehen stockt bei Frodo und Sam kurz vor Mordor, Merry und Pippin bei Baumbart und bei den übrigen Charakteren nach der Schlacht von Helms Klamm. (Vergebt mir, wenn ihr jetzt keine Inhaltsangabe von mir bekommt, aber das sprengt einfach den Rahmen. )
Ein geradezu dummdreistes Voice-over gibt den Zuschauern noch den Hinweis, daß alles gut enden wird, ohne daß wir erfahren werden, wie und schickt sie dann aus dem Kino.
Da darf man schon mal stinkig werden.
Auch technisch liegt vieles im argen. Um Kosten und Zeit zu sparen, wurde hier in vielen Sequenzen das Rotoskopieverfahren angewendet, welches beinhaltet, daß die einzelnen Szenen erst mit echten Schauspielern vorinszeniert werden, um dann später eingefärbt oder übermalt zu werden. Hätte man das sorgfältig gemacht, wäre es sicher noch akzeptabel gewesen, doch hier erscheinen beinahe alle Charaktere mal völlig animiert, mal vollständig übermalt, mal schlampig, so daß die Gesichtszüge ständig durchscheinen. Da dieses Wechselprinzip von Szene zu Szene angewendet wird, gibt es zeichnerisch starke qualitative Unterschiede, die ein echtes Ärgernis darstellen.
Darüber hinaus gab es natürlich starke erzählerische Kürzungen gegenüber dem Roman, eine Konzentration auf das für die Erzählung Wesentliche.
Warum aber geht man dann noch einmal in diesen Film? Wieso sechsmal in drei Jahren?
Weil es auch ein Film ist, in den eine Menge Herzblut geflossen ist. Die Hintergründe sind äußerst phantasievoll und manche Sequenz (z.B. Moria und das Auenland) läßt in ihrer Gesamtheit erahnen, wie das Ergebnis hätte aussehen können. Viel Mühe hat man sich mit den Charakteren gegeben, die denen des Buches in jeder Phase entsprechen, obwohl ich mir zumindest Aragorn und Boromir ein wenig anders vorgestellt hatte. Die vollen zweieinviertel Stunden atmet dieses Beinahe-Epos tatsächlich ein wenig von der mythischen Luft Tolkiens und das ist besser als nichts für den eingefleischten Fan, der bis heute immer nur von der Unverfilmbarkeit des Herrn der Ringe gehört hat. (Aber wartet nur bis zum Dezember zur Realfilmfassung von Peter Jackson, da packe ich meinen Schlafsach aus und zelte vor dem Kino...). Natürlich zog das bei mir damals mehr, als es heutzutage würde, aber jeder hat seinen besonderen Film zu einem besonderen Alter.
Ich kann jeden verstehen, der bei diesem Film aus vollstem Herzen brüllt und meckert, aber der Vollständigkeit halber sollte jeder Fan ihn einmal gesehen haben, und sei es nur um zu sehen, was man besser machen kann. Trotzdem hängt in meinem Wohnzimmer das Filmplakat an der Wand, steht der Score als Doppel-LP in meinem Plattenschrank und das Video in meiner Vitrine...und wenn das Kinoprogramm eines Tages wieder wechseln sollte, stehe ich auch wieder bei uns im Stadtteil an der Kasse...
...ach so, die Wertung...ich weiß, er ist nur 5/10 wert, aber bei mir gibts 10/10...das müßt ihr verstehen...ihr wart sicher auch mal vierzehn...