Eine Flughafen-Halle ist natürlich ein interesanter Kommunikationsraum: Menschen zwischen Zuhause und Destination, Menschen im Nirgendwo, blah blah. Am Anfang dachte ich noch, der Film sei a la "Before Sunrise" -- also fremde Menschen begegnen sich in der Fremde und tauschen unerwartet Persönliches und Philosophisches aus. Bald wird aber ersichtlich dass das ein episodenhafter Film mit multiplen Figurenkonstellationen ist, in dem sich nicht nur Fremde gegenseitig öffnen, sondern auch Familienmitglieder untereinander. Und da muss ich sagen: Es ist wesentlich realistischer wenn Fremde in der Abflughalle sich gegenseitig Persönliches und Beschämendes erzählen 8schließlich kann man davon ausgehen dass man den Anderen nie mehr wieder sieht).
Viele der Figuren sind mir also in ihrer Mitteilungsbedürftigkeit zu gleichgeschaltet und die einzelnen Episoden von ihrer Struktur her auch recht ähnlich, was die einzelnen Dramen am Flughafen nicht wirklich organisch, sondern wie ein verkopftes Drehbuch-Konstrukt erscheinen lässt.
Überhaupt ist der Film recht kühl und die ständigen Verfremdungseffekte, die aus der bewussten Wahl eines Flughafens während des laufenden Betriebs als Drehort resultieren (da winken ständig Passagiere in die Kamera oder zeigen sich gegenseitig per Fingerzeig die Kamera; andere sind einfach nur genervt dass neben ihnen in der Wartehalle Filmschauspieler sitzen, die laut ihren Text aufsagen), verstärken den Eindruck der Abstraktheit nur noch. Diese Form der Reibung von Realität und filmischer Fiktion finde ich arg grenzwertig.
Der Film wirkt wie ein sehr nüchternes und verkopftes Mosaik von Begegnungen und menschlichen Verhaltensmustern sowie von Einsamkeit in der Menge und Einsamkeit innerhalb einer Beziehung, mit einem Warteraum als Beobachtungs-Biotop. Ich kann keinen emotionalen Anteil an den Dramen und Problemen nehmen, welche den Figuren auf den Leib geschrieben wurden. Emotional und genial wird es erst im letzten Filmdrittel. Aber dazu später mehr.
Superb gelungen ist hingegen die Bildgestaltung und der famose Umgang mit Räumlichkeit. Teilweise wahrt die Kamera so eine große Distanz zu den Schauspielern dass diese im Getümmel fast untergehen, man sie kaum noch sieht, sondern nur hört. Dann kommt unverhofft wieder eine Nahaufnahme. Sehr schön auch wie sich die Kamera in zwei Szenen langsam um die eigene dreht, um der Bewegung der Schauspieler durch die Flughafenhalle zu folgen.
Resultat: Man bekommt als Zuschauer ein enorm gutes Gefühl für die Räumlichkeiten des Flughafens und kann nachvollziehen wie Menschen sich inmitten dieses lauten Chaos fühlen.
Das letzte Filmdrittel ist das Beste an diesem Film. Der Flughafen wird evakuiert. Das wird aber nicht als Klimax, sondern als Anti-Klimax inszeniert. Es kehrt Stille ein, wo eben noch Chaos herrschte; die Kamera fährt leere Tische und Stuhlreihen ab, eine Frau liest aus dem Off den philosophischen Liebesbrief ihres Ex-Freundes Theo vor (der am Anfang des Films kurz in seinem Trennungsschmerz zu sehen war).
Das ist eine sehr kluge, emotionale und meditative Sequenz, lan. Ich bin begeistert. Schade dass der Film vor dieser Sequenz etwas zu hölzern in der Kommunikation seines Sujets war und sich nicht wirklich locker machen konnte. Da war mir etwas zu viel Nüchternheit und Kühle.
Summa Summarum würde ich ORLY aber jedem empfehlen, denn interessant ist das Ganze freilich schon und das Ende ist, wie schon erwähnt, herausragend.