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Rachel Singer (Helen Mirren), Stephan Gold (Tom Wilkinson) und David Peretz (Ciaran Hinds) sind Vorzeige-Israelis über die Rachel und Stephans gemeinsame Tochter Sarah gerade eben ein Buch veröffentlicht hat. Alle drei unserer Helden haben in der Zeit des Kalten Krieges den Nazi-Kriegsverbrecher Vogel (Jesper Christensen) in Ost-Deutschland aufgespürt und zur Strecke gebracht. Just am Tage der Buchveröffentlichung nimmt sich David jedoch das Leben, was die Frage aufwirft weshalb sich ausgerechnet an einem solchen Tag ein nationaler Held umbringt.

Genau dieser Frage geht John Maddens neuer Film „The Debt“, basierend auf dem israelischen Original „Ha-Hov“ nach.

Der Zuschauer wird anlässlich des Todes von David mittels Rachels Erinnerungen in die damaligen Ereignisse eingeweiht und erfährt, dass unsere Helden leider auch nur Menschen sind und ein dunkles Geheimnis mit sich tragen, dass im Begriff ist öffentlich zu werden.

Die hier angerissene Story scheint vordergründig als eine typische Agentenstory aus der Zeit des Kalten Krieges. „The Debt“ ist jedoch erfrischend anders und deshalb auch nicht jedermanns Sache.

Die Geschichte der „Mission“ wird zwar erzählt und liefert damit auch die vordergründige Spannung und einige wenige Actionszenen. Der Film ist jedoch bedeutend vielschichtiger und legt seinen Schwerpunkt auf die Charaktere, deren Entwicklung und ihrer Interaktion.

Wir haben es hier nicht mit einer überlebensgroßen Heldentruppe zu tun, die ihren Auftrag einfach mal so im spazieren gehen erledigt. Zuerst handelt es sich hier um Menschen, die zwar ein gemeinsames Ziel aus durchaus nachvollziehbaren Gründen gemeinsam verfolgen, die sich aber auch in widerstreitenden Gefühlen zueinander verstricken. So schläft Rachel zwar mit Stephan, liebt aber David. Als der Auftrag dann zu scheitern droht kommt noch das hautnahe Zusammenleben mit dem Nazi-Verbrecher hinzu um die emotionalen Schrauben des Trios bis zum Anschlag anzuziehen.

Ein solches Script ist nahezu auf Gedeih und Verderben auf gute Darsteller angewiesen. Und nicht nur in dieser Hinsicht konnte aus dem Vollen geschöpft werden.

Da der Film einen Handlungszeitraum von 30 Jahren umfasst mussten die drei Hauptrollen der Glaubwürdigkeit halben natürlich doppelt besetzt werden. Und so wurden die Rollen des jungen Trios an Jessica Chastain, Sam Worthington und Marton Csokas vergeben. Was angesichts der Namen wie ein qualitativer Mangel aussehen mag, erweist sich in Kombination mit der Handlung als perfekte Besetzung. Gerade diese teilweise frischen Gesichter verkörpern die vom Script geforderte jugendliche Naivität und deren Begeisterungsfähigkeit perfekt und schlagen gekonnt den Bogen zu den eingangs erwähnten älteren Darstellern. Diese verkörpern dann wiederum, dass was der Auftrag und seine Folgen aus ihnen gemacht haben. Alle sechs Darsteller spielen die ihnen zugedachten Rollen überzeugend und man kann kaum einen davon hervorheben.

Dieses Privileg gebührt hier Jesper Christensen, der den Vogel spielt. An seiner Rolle und seinem Spiel kann man den Schrecken und die Ambivalenz des Nazi-Arztes und Kriegsverbrechers sehr gut nachvollziehen. Einerseits der (aus männlicher Sicht zumindest) fürsorgliche und korrekte Frauenarzt, dem man fast nichts Böses zutrauen mag, dessen Denken sich erst offenbart als er in Gefangenschaft des Trios ist und er einige denkwürdige Sätze über seine jüdischen Opfer sagt. 

Genug des Lobes für die Darsteller/Innen. Deren „Futter“ liefert natürlich das Drehbuch, das aus der Feder von Matthew Vaughn, Jane Goldman und Peter Straughan, basierend auf dem israelischen Originalscript, stammt. Die drei Autoren haben es geschafft ein glaubhaftes Szenario zu schaffen, in dem die Thematik der Nazi-Kriegsverbrecher-Jagd des Mossad und deren möglicherweise fiktive Auswirkungen abseits der üblichen Agent-Klischees behandelt werden.

John Madden, der einst für „Shakespeare In Love“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, hat nach langer Durststrecke endlich mal wieder ein glückliches Händchen in der Auswahl des Filmthemas und seiner Darsteller bewiesen und einen sehenswerten Film abgeliefert über dessen dt. Kinoauswertung man sich freuen darf. Andernorts dürfte mehr als eine Direct-To-DVD Auswertung kaum zu erwarten sein, da der Film nicht immer leicht zu konsumieren ist und eine Menge an Aufmerksamkeit erfordert.

Fazit: „The Debt“ setzt seine Akzente nicht mit Effekten und Action. Der Film bietet vielmehr das was einen dauerhaft guten Film auszeichnet. Eine interessante Geschichte, gute Charaktere und eine Darstellerriege die rundum zu überzeugen weiß. (7,5 von 10 Punkten)

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