Am Samstag feiert Ken Loach seinen 70. Geburtstag. Anlässlich seines Ehrentages strahlt der hessische Rundfunk wohl zur Zeit regelmäßig ein paar Werke des in Nuneaton, Warwickshire, geborenen Regisseurs aus. Nachdem ich letzte Woche das Vergnügen mit seinem Zweitling "Kes" aus dem Jahre 1969 hatte, kam heute dann "My Name is Joe" an die Reihe, der 29 Jahre später entstand. Natürlich spielen bei einem Ken Loach fast 3 Dekaden keine sonderlich große Rolle, was die Handlung zweier Filme aus jenen Jahrzehnten angeht. Denn auch "My Name is Joe" handelt mal wieder von einem Einzelgänger, in diesem Fall Joe. Sein Alkoholikertum wird anfangs aufgedeckt, doch er ist seit einigen Monaten trocken. Er lernt die Sozialarbeiterin Sarah kennen, die die Fürsorge des gemeinsamen Kindes von seinem Freund Liam und dessen Freundin ist. Er verliebt sich. Gleichzeitig ist er Trainer einer glück- und talentlosen Fußballmannschaft, die schon mal mit nostalgischen Deutschland-Trikots, beflockt mit "Müller", "Beckenbauer", "Breitner" usw., antritt. Zudem ist er arbeitslos und hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. So tapeziert er zum Beispiel Sarahs Wohnung. Ein Mann mit schlechter Vergangenheit durchlebt also zwar nicht unbedingt das Paradies, doch fern seiner früheren Laster. Und mit seiner Freundin Sarah ereilt ihn auch noch das nötige Quentchen Glück. Doch Ken Loach wäre nicht Ken Loach, wenn er seinen zentralen Charakter nicht nur von der Hölle in den Himmel, sondern eben auch unmittelbar zurückschicken würde. In diesem Fall ist der Kontrast zwischen Glück und Unglück meines Erachtens doch wesentlich extremer als noch in seinen Filmen "Ladybird, Ladybird", "Sweet Sixteen" oder "Kes". Das muss nicht unbedingt an der Story direkt liegen, zumindest setzt Ken Loach hier sehr auf die Beziehung zwischen Joe und Sarah. Vom Einzelgänger wird ein Gesellschaftsmensch, der sich äußerst wohl in der Gegenwart der Sozialarbeiterin fühlt. Sie kommen sich schnell näher und sind sich vor allem sehr sympathisch. Auch von seiner Vergangenheit als Alkoholiker erzählt er ihr in allen Details. Doch ihm widerfährt nicht nur Glück. Als er beim illegalen Tapezieren von Sarahs Wohnung von einem Mitarbeiter des Sozialamtes fotografiert wird, merkt man erstmals, dass man es mit einem Ken Loach Film zu tun hat. In fast jedem seiner Werke spielt eben jenes Sozialamt oder die Fürsorge eine große Rolle. Zum größeren Verhängnis wird dem hilfsbereiten und sehr sympathischen Joe jedoch seine Freundschaft zum jüngeren Liam, der einst an der Nadel hing und jetzt versucht, mit seiner Freundin und dem gemeinsamen Kind die Beziehung aufrechtzuerhalten und so etwas zu gründen, was man eine Familie nennt. Doch Liam holt seine Vergangenheit ein, hat er Schulden bei einem stadtbekannten Geschäftsmann mit düsteren Machenschaften. Als dieser Liam an die Wäsche will, setzt sich Joe für ihn ein. Und hiermit nimmt eben das Schicksal seinen Lauf. Dass genau dieses Schicksal unbegründbar und von vornherein wohl irgendwie feststeht, zeigt Ken Loach auch in diesem Film. Desillusioniered stellt er erneut dar, dass der Weg aus dem Dunkel nicht so leicht zu vollziehen ist, wie es zunächst scheint. Man verschwindet schneller aus dem Licht als man denkt. Hierbei geht Loach auch sehr symbolisch vor. Diese eine Szene, in der sich Joe und Sarah streiten, zeigt den Teufelskreis, in dem sich Joe befindet. Einmal wieder in seine Vergangenheit zurückversetzt, indem er für den Gangster ein paar Kleinjobs erledigt, und schon gerät sein ganzes Leben wieder auf krumme Bahnen. Er möchte seiner Freundin nicht erzählen, wie er Liam aus der Patsche geholfen hat. Diese möchte jedoch die Wahrheit hören und droht mit dem Ende der Beziehung, sofern sie die Wahrheit nicht zu hören bekommt. Erzählt Joe, was Sache ist, will Sarah nichts mehr mit ihm zu tun haben. Genau solch Szene spiegelt eigentlich jeden Ken Loach Film wieder. Grundsätzlich kann man ja eh behaupten, dass ein Film des britischen Regisseurs der Spoiler für den Nächsten oder für einen beliebig Anderen seiner mittlerweile recht stattlichen Filmographie darstellt, ist die Quintessenz doch immer wieder die gleiche. Doch Loach schafft es dennoch auch immer wieder, mit seinen Verfilmungen zu unterhalten und aufzuwühlen. Unterhalten in dem Sinne, dass er immer sehr sympathische Charaktere hervorbringt, mit denen es sich lohnt, mitzufiebern. In "My Name is Joe" gelingt dies dem überragenden Peter Mullan im Handumdrehen und auch besser und überzeugender, als die Hauptpersonen in anderen Loach-Filmen. Nicht zuletzt deswegen ist der Mittelteil hier doch sehr schön gelungen, was wiederum den angesprochenen Kontrast zum Ende noch drastischer macht. Über das Ende hülle ich den Mantel des Schweigens, doch auch da übertrifft "My Name is Joe" seine Vorgänger um Welten, zumindest wenn es nach der Wirkung dieses Endes geht. "My Name is Joe" ist meines Erachtens der bisher beste von mir gesehene Ken Loach Film, weil er nicht nur die Gesellschaft kritisiert, sondern es zudem auch schafft, grandios zu unterhalten. Somit stellt er ein kurzweiliges, mit tollen Schauspielern gespicktes Stück Film dar, das zudem noch mit einem tollen Soundtrack, wirklich spannenden Szenen und einem überaus schockierenden Ende aufwarten kann. Wie gewohnt ist Loachs Werk jedoch alles andere als ein Gute-Laune-Macher. Im Gegenteil. Bedrückend. 8,5/10 Punkte