Mit seinem Spielfilmdebüt liefert der deutsche Regisseur Michael Dreher ein international ausgerichtetes Projekt ab: Mit Nikolai Kinski, Sohn von Klaus Kinski, in der Hauptrolle erzählt er eine Geschichte, die zwischen Stuttgart und Tanger wechselt. Der amerikanische Student Daniel hat in Marokko im Urlaub eine Frau kennengelernt, deren Beziehung zu ihm tragisch ausgeht. Zurück in Deutschland zieht er in die leerstehende Wohnung seiner Großmutter und erlebt hier mit den skurrilen Nachbarn bald seltsame Dinge.
„Die zwei Leben des Daniel Shore“ pendelt irgendwo zwischen Polanskis „Der Mieter“ und einem Kriminalitätsthriller, dessen genaue Verbindungen lange Zeit mysteriös und schwer durchschaubar bleiben. Die Atmosphäre bemüht sich mit dunklen Bildern der Treppenhausgänge des Altbauhauses um eine düstere Intensität, bricht aber auch immer wieder in verschrobene, irritierende Momente aus, wenn sich die Nachbarn – der einsame Mann, der immer ekliger wird, die junge Sängerin von nebenan, die zwischen ziemlich direktem Flirt und empörter Ablehnung changiert, die verkrampfte Hauswartin – von ihren widersprüchlichsten Seiten zeigen. Dazu kommen Rückblenden, die die grausamen Ereignisse in Tanger Stück für Stück aufdröseln.
Das alles kommt anfangs interessant daher, da man ziemlich lange keine wirkliche Orientierung hat, was geschehen ist, wie sich die Story entwickeln könnte und in welchem konkreten Zusammenhang die beiden Handlungslinien stehen (bis natürlich darauf, dass sie beide Daniel widerfahren). Doch es dauert nicht lange, bis auch diese deutsche Produktion zeigt, woran so viele deutsche Produktionen – und allen voran die wenigen Genre-Versuche – kranken: Die Darstellenden bleiben unglaubwürdig und zu verkrampft, die Dialoge sind steif und zu sehr bemüht, eine gewisse Bizarrerie aufzubauen, die ganze Inszenierung kommt klischeehaft und ideenlos daher. Dunkle Gänge, seltsame Nachbarn, dazu ernst dreinblickende Charaktere und ein düsterer, aber arg penetrant säuselnder Score, der quasi jede Szene, so belanglos sie auch sein mag, mit Spannung aufzuladen versucht, gehören nun wirklich in die Mottenkiste des düsteren Genres.
Außerdem, und das erweist sich bald als das Hauptproblem des Films, passiert hier einfach viel zu wenig. Sowohl die Haupthandlung im Haus als auch die mitunter wahllos eingestreut wirkenden Rückblenden brauchen viel zu lange, um irgendwann mal richtig in die Gänge zu kommen. Die Story bleibt bis kurz vor Schluss weitestgehend undurchschaubar, und wenn schließlich die fiese Parallele zwischen dem Vergangenen und dem Aktuellen erkennbar wird, bricht der Film unvermittelt ab und lässt Agierende wie Zuschauende in einem bestenfalls angedeuteten Nichts moralischer Orientierungslosigkeit zurück. Die harten Themen, die hier angeschnitten werden – Kindesmissbrauch, kolonialistisch geprägte Herablassung, Ignoranz anderen Kulturen gegenüber, psychische Probleme – bleiben viel zu oberflächlich gestreift, um wirklich Bedeutung für den Film erlangen zu können. So entwickelt sich „Die zwei Leben des Daniel Shore“ zum langatmigen Versuch eines deutschen Mystery-Thrillers, der aber eher verwirrend als mysteriös und definitiv zu undramatisch für einen Thriller bleibt. Von der Unglaubwürdigkeit der Ausgangsidee, dass einem Menschen kurz hintereinander so ähnliche Dinge widerfahren, ganz zu schweigen.
Auch darstellerisch bleibt das alles bescheiden. Weder der ewig finster dreinblickende und vieles im Haus hinnehmende Kinski noch die quirlig-aufdringliche Katharina Schüttler als attraktive, aber seltsame Nachbarin können ihren Figuren sonderliche Tiefe verleihen. Dazu bleiben ihre Handlungen und Dialoge zu klischeehaft und bemüht bizarr. Ja nicht einmal Morjana Alaoui, deren tragische Mutterrolle alles Potenzial zur mitreißenden Tragödin hat, sticht hervor, bleibt sie doch vorrangig auf ihre kurzen Nacktauftritte beschränkt.
Immerhin ist der Film inszenatorisch auf hohem Niveau umgesetzt. Bildqualität, Beleuchtung, Ton und Kameraführung zeigen ein technisches Grundkönnen der Beteiligten, das für eine A-Liga-Produktion bestens ausreicht. Auch sind anfangs einige Andeutungen durchaus gelungen und halten das Interesse noch eine Weile aufrecht, bevor man schließlich begreift, dass da nichts mehr kommt. Dennoch: Klischees, eine schwache Dramaturgie, die viel zu lange ziellos herummäandert, und durchschnittliche, typisch deutsch verkrampfte Schauspielleistungen lassen „Die zwei Leben des Daniel Shore“ zum langweiligen und unoriginellen Versuch eines Mystery-Thrillers made in Germany verkommen. Von frischen Ideen in Inhalt und Inszenierung weit und breit keine Spur. Wirklich schade, aber angesichts der deutschen Förderkultur vor allem in Genrefilmen auch keine Überraschung.