„Die Grachten wurden vom Sperrmüll befreit, jetzt sind sie voller Leichen!“
Der niederländische Regisseur Dick Maas drehte nach seinem kultigen, trashigen Debüt „Fahrstuhl des Grauens“ und der Asi-Komödie „Eine Familie zum Knutschen“ im Jahre 1988 den Action-Thriller „Verfluchtes Amsterdam“ – eine Art Hommage der etwas anderen Art an die Grachtenstadt inkl. Anleihen beim Slasher-Film.
Das niederländische Amsterdam ist Schauplatz einer grausamen Mordserie: Die Opfer werden stets an oder in den Grachten gefunden. Ermittler Eric Visser (Huub Stapel, „Fahrstuhl des Grauens“) tritt zunächst auf der Stelle, doch die Spur führt schließlich zur lokalen Tauchszene. Die Nachforschungen im Tauchverein stoßen aber auf wenig Gegenliebe, mit der attraktive Taucherin Laura (Monique van de Ven, „Rollentausch“) kann Eric dafür anbändeln. Wer ist der mysteriöse Mörder und was ist sein Motiv? Das fragt sich auch Erics minderjährige Tochter Anneke (Tatum Dagelet, „Der verlorene Soldat“), die zusammen mit ihrem Freund Willy (Edwin Bakker, „Eine Familie zum Knutschen“) auf eigene Faust zu ermitteln beginnt…
„Er hat sie regelrecht abgeschlachtet!“
Unheilschwangere Musik, eine in den Grachten schwimmende Kamera, die Point-of-View-Perspektive eines Schwimmers mit Atemgerät: Das ist der stimmungsvolle Einstieg in Maas’ „Verfluchtes Amsterdam“, der danach ins weniger verborgene Nachtleben schwenkt. Man bekommt die Küche eines Asia-Restaurants zu sehen sowie, und das ist wesentlich spektakulärer, einen Taxifahrer, der eine Prostituierte zu vergewaltigen versucht. Sie wehrt sich redlich, der Unhold zischt ab, doch ein noch fieserer erscheint auf der Bildfläche: Die Kreatur aus den Grachten, die der Dame des horizontalen Gewerbes nun im Off den Garaus macht. Wie einen Kontrast zu diesen erschütternden Bildern der niederländischen Metropole installiert der Schnitt nun wunderschöne Luftaufnahmen der Stadt, die anschließend einen Ausflugsdampfer fokussieren, auf dem eine Führerin die Gäste mit touristisch relevanten Informationen versorgt. Maas nimmt dies erneut zum Anlass, zu kontrastieren – er erschreckt die Touris und die Zuschauer gleichermaßen, indem er in einer der berüchtigtsten Szenen des Films eine von einer Brücke hängenden Leiche übers Glasdach des Schiffs schrammen und zum allgemeinen Entsetzen eine Blutspur ziehen lässt.
„Es gab Zeiten, in denen der Ruf unserer Stadt nicht allzu gut war!“
Nach einem harschen Schnitt lernen wir Eric Visser kennen, der gerade ein Bad nimmt, sowie seine Tochter Anneke. In einer Konditorei überwältigt er einen bewaffneten Räuber, doch der Zuckerbäcker zeigt sich undankbar; Eric reagiert betont cool und professionell. „Es war ein Monster“, weiß eine Zeugin zu berichten und meint natürlich nicht den Räuber, sondern den Mörder. Und dieser schlägt erneut zu, diesmal hat er es auf Umweltschützer abgesehen, die auf den Wasserstraßen unterwegs sind. Eric arbeitet mit John (Wim Zomer) von der Wasserschutzpolizei zusammen und das Whodunit? verdichtet sich zumindest ein wenig: Es scheint sich um einen Taucher zu handeln. Das ist zunächst einmal nichts, was der Zuschauer nicht schon wüsste und so ist dieser neugierig, was Erics Besuch des Tauchvereins möglicherweise an neuen Erkenntnissen bringt. Dass man ihn dort nicht mit offenen Armen empfängt, wirkt durchaus verdächtig. Immerhin lernt er dort sein Love Interest Laura kennen, deren Psychiater – ein ehemaliger Taucher – sich irgendwie auffällig verhält. Doch nachdem sich auch Erics Tochter und ihr Freund eingeschaltet haben, wird eine Blondine auf einem Schlauchboot böse aufgeschlitzt. Ein Verdächtiger flieht auf seinem Motorrad, was eine rasante Verfolgungsjagd zur Folge hat, wird verhaftet und von den Bullen mies behandelt – doch die ach so heiße Spur verläuft im Sande und der wahre Mörder bringt ein Boot samt Bootsmann zum Sinken. John begibt sich auf Tauchgang und begegnet erst der Leiche, dann dem Mörder und der Unterwasserkampf endet tödlich – leider nicht für den Täter.
Mit der Verfolgungsjagd per Motorboot beginnt eine weitere Sternstunde des Films: Diese ist superlang, spannend, voll irrer Stunts und weist zudem ein wenig Humor auf. Hierfür wurde es an nichts gespart. Sie endet für den Mörder mit einem Unfall und einer Explosion, doch ist er auch dadurch nicht kleinzukriegen. Es scheint zu einem Showdown in der Kanalisation zu kommen, doch seine Taucherbrille ist schusssicher... Die Identität des Täters scheint nun klar und wirkt enttäuschend überraschungsarm, doch im Zuge des tatsächlichen Showdowns hält „Amsterdamned“, so der wortspielerische Originaltitel, noch eine Wendung parat, die den Film wieder ein Stück weit in Richtung Phantastik treibt und mit effektiver Make-up-Arbeit einhergeht – sowie doch einiges erklärt.
Das Finale kommt zwar ohne das sattsam bekannte klischeehafte Unwetter nicht aus, setzt aber einen adäquaten Schlusspunkt unter den Film, der dann doch auch wieder Maas’ Vorliebe fürs Krude durchschimmern lässt. Über weite Strecken ist „Verfluchtes Amsterdam“ nämlich ein üblichen Konventionen folgender Krimi mit einigen starken Actionszenen sowie den beschriebenen Versatzstücken aus dem Horror-Thriller-Bereich. Doch nicht nur letztere machen den Film zu einer vergnüglichen, unterhaltsamen Angelegenheit. Auch wie Maas sich das Flair Amsterdams zu eigen macht, ohne die Stadt romantisch zu verklären oder ins andere Extrem zu verfallen und sie als grundlegend lebensfeindlichen Moloch zu karikieren, bietet ein nicht alltägliches Ambiente für einen Film dieser Gattung und macht Laune – das Lokalkolorit sorgt für einen starken individuellen Touch und zeichnet ein ambivalentes Bild der Stadt und ihrer Bewohner. Der schmissige zeitgenössische Pop-Song, mit dem der Abspann hinterlegt wurde, ist dann auch ein durchaus stimmiger Abschluss für diesen Film, der sich nicht permanent bierernst nimmt und seine Hauptdarsteller sicher durch die Handlung führen lässt, die mit einem „Fahrstuhl des Grauens“ bis auf die etwas schräge Auflösung nicht mehr viel gemein hat.