Bis zur Unkenntlichkeit verzerrt blicken mich eine Reihe SA-Männer an: dort wo noch vor etwa eineinhalb Stunden die Bohéme des Berliner Nachtlebens ihre wilden und dekadenten Feste feierten hat der Nationalsozialismus Einzug gehalten.
So endet "Cabaret", ein Film der, so dachte ich, ein Musical auf die Leinwand zaubern sollte. Doch dieses Stück Zelluloid ist bei weitem mehr. Fern ab von Filmen wie "Schindlers Liste", die per Holzhammer zeigen wie der "Alltag" in Nazideutschland aussah, wird hier die Geschichte einer immigrierten Nachtclubtänzerin (Liza Minelli) erzählt, die im Berlin des Jahres ´31 die letzten Wilden Tage dieser einzigartigen Stadt erlebt. Die Zerissenheit zwischen Hunger und Armut, aber auch wilden Parties und Orgien, zwischen sexuellen Obsessionen, Travestie und dem aufstrebenden Nazitum werden in, für das Entstehungsjahr, ungewöhnlich offener Art und Weise dargestellt. Dennoch wird gerade das Thema Nazis nur beiläufig angeschnitten, deutlich und vor allem kritisch genug um zu wirken, dennoch geht es vor allem um die Liebesbeziehung zweier Amerikaner, die in der deutschen Hauptstadt ihr Glück versuchen. Natürlich ist klar, dass all das tragisch enden muss, dennoch wird durch das offene Ende all das ausgespart was wir durch tausende Filme mittlerweile ja sowieso bestens Wissen.
Positiv sei auch noch die rege Beteiligung deutscher Schauspieler erwähnt, allen voran Fritz "Harry" Wepper. Ebenso grandios fügen sich auch die Songs wie "Cabaret" oder "Money" ein. Wer einem absolut aussergwöhnlichen und wirklich treffend funktionierenden Sittenbild der wenigen Jahre vor Beginn des Krieges nicht abgeneigt ist, sollte unbedingt einen Blick auf diesen Film riskieren. Ob die verschwenderische Menge von 8 Oskars gerechtfertigt ist, sei mal dahingestellt, lohnenswert ist "Cabaret" allemal.