Review

Erster Teil des Einlösens des löblichen Versprechens, dass Regisseur Dante Lam nach dem etwas überraschenden und vielleicht auch ein wenig zu zuvorkommenden, wenn auch nicht unverdienten Zuspruches von Beast Stalker auf seine zukünftige Arbeit hin gemacht hat. Mitsamt "Fire Dragon" [ Arbeits- und Alternativtitel ], dem noch ausstehenden, für Mitte diesen Jahres anlaufenden Undercover-Actiondrama Stool Pigeon und einem bisher nur angekündigten, weithin unkonkretisierten Tung Chap Faan Projekt mit Lau Ching-wan, Anthony Wong, Francis Ng und Nick Cheung soll eine kleine Wiederholungsreihe am ehemals typischen Repertoire von Charakterisierungstechniken des Kantonesischen Kinos und so die Wiederaufnahme verlorener Identität angestrebt werden. Filme, die sich durchgängig in der urbanen Wirrnis Hong Kongs austoben und die Geschichten im expliziten dramatischen Selbstverständnis fernab des zuletzt auffällig seichten oder gleich propagandistisch angestrebten Chinesischen Kinos, seiner Vermassung und der künstlerischen Sterbesakramente erzählen.

Dabei erfolgt diese Einstellung und seine Informationsvergabe im vorliegenden Werk in gleich expliziter, auch ein wenig zu quantitativ dominierender Informationsvergabe, die sicherlich keinerlei Mühe hat, im Bann zu halten und seine Details zu entwirren. Aber dennoch zu einem derart vollen, gleichzeitig auf der Bühne präsenten Verzweigungsdiagramm an parallel laufenden Ereignissen ausholt, daß man nicht nur wegen der eher eingeengten Metropole als Schauplatz nahezu zu zerbersten droht. Das Divergence-Problem, in dem figurentechnisch nicht nur die Konfrontation Protagonist / Antagonist eingeläutet, sondern über diese ausreichende Zweier-Konstruktion schnell zu einer Dreier-, Vierer- und mehr Konfiguration erweitert und das Wahrnehmungsvermögen so bald bis zum Anschlag ausgenutzt wird:

Sergeant Man Fong [ Leon Lai ], der vor kurzem seine hochschwangere Frau durch einen Mord verloren hat, wird mitsamt seinem Partner Cheung On [ Liu Kai-chi ] und den Teamkollegen May [ Michelle Ye Xuan ], Hoi [ Wilfred Lau ] und Ho Wing [ Chow Chi-keung ] während einer Nachtschicht zu einem Tatort in der Kimberly Road gerufen; eine Prostituierte ist getötet worden. Während der Ermittlungen bieten der schnell die Karriereleiter aufsteigende Inspector Kee Siu-kwan [ Richie Ren ] von der Regional Crime Unit und sein Kompagnon Sam [ Charles Ying ] ihre Hilfe an, benötigen im Gegenzug aber auch die Dienste der Routiniers, die bei der Wiederbeschaffung eines gestohlenen und mit wichtigen Informationen bestückten Handy gegenüber dem Triadenführer Kerosene [ Kenny Wong ] als Vermittler einspringen sollen. Während die Zusammenarbeit erste Früchte trägt, stößt Man Fong rasch auf Widersprüchlichkeiten in den eigenen Reihen und eher per Zufall auf eine chinesische Räuberbande [ Yue Xiaojun, Tan Kai, Kam Loi-kwan ], die zusätzlich den Bombenexperten Huang Yong [ Wang Bao-qiang ] zum Bau eines Sprengstoffgürtels für einen geplanten Coup erpressen.

Wie zu erwarten, ist dabei vor allem der technische Aspekt der Inszenierung herausragend; nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern auch mit einigen darüber hinaus gehenden verblüffenden und trotzdem durchsichtig strukturierten Sequenzen. Hervorzuheben ist neben der Einleitung, in dem die wichtigsten und dem Zuschauer noch rätselhaften Geschehnisse als Vorläufer aus der Vergangenheit im interaktiv begehbaren Standbild festgehalten werden, und der allgemein idealtypischen Korrespondenz von Kamera und Schnitt auch die nuancenreiche Aufstufung der Actionszenen. Anders als durch das effektheischende Marketing proklamiert ist davon zwar weniger vorhanden als erwartet und wohl auch gehofft, machen Regisseur Lam und das langjährig zusammenarbeitende Duo aus Chin Kar-lok und Wong Wai-fai mit den feinsten Mitteln ihren Besitzanspruch auf den Thron der Darstellung bleigeschwängerter Kampfeshitze auch nach Sniper weiterhin geltend. Besonders der bedrohlich herauf brechende Zusammenstoß gleich drei schwer bewaffneter Parteien in einem beschaulichen Teehaus, dass über Minuten hinweg in ein laut tosendes Schlachtfeld aus Kugeln und Leibern verwandelt wird, stellt sich als eigens ästhetisierender Zeitabschnitt mit endgültigen Ausdruck im Film hervor.

Auch danach noch werden gerne mal die Handgranaten mitten in die Räume hinein geworfen, ungewöhnliche Abkürzungen bei Verfolgungsjagden durch das städtische Dickicht, auch durch Wände und Fensterscheiben hindurch genommen oder die Autos im hinandrängenden Chaos verschrottet. Fehlt dort auch nicht das Einfach-Kräftige, bleiben da aber lose Ansätze von physischen Chaos zurück und die Lyrik von Gedanken und Stimmungen all der Personenregister mit ihrer Beharrungsfreude auf die Zusammenhänge des Daseins im Vordergrund. Um- und Irrwege durch eine Sintflut von Mitteilungen und Andeutungen werden genauso genommen wie die Stadtteile und die Schwerpunkte von Betrachtungen alle naselang gewechselt und zuallerletzt auch noch fast die gesamte Verwandt- und Bekanntschaft der Beteiligten in das eigentlich konkrete, jetzt eher nicht wirklich mit Überraschungen, Zweifeln oder Abwegigen handelnde [Macht]Spiel gebracht.

Die Unannehmlichkeiten der Nebenumstände, ein Zuviel des Guten und des Schlechten, welches sich mit Blick auf sämtliche Ambivalenzen aller noch so vorhandenen Grautöne in jedwede Richtung des Moralischen und seiner Diskussion hin absichern möchte. Der entscheidende Nachteil, der der gleichzeitig schuldbewussten, überladenen, optisch edlen und finanzstarken Produktion zwischen expositorischer Dramenrückwendung, trivialen Thriller und klassischer Tragödie zwar nicht gleich die Spannungs-, aber doch die Wirkungsintensität nimmt.

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