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Er scheute kein Risiko, war vielseitig und eine wahre, von offizieller Seite teilweise verkannte Größe im Filmgeschäft. Mit diesen Worten lässt sich Regielegende Howard Hawks charakterisieren. So leicht und unbeschwert wie er Filme in klassische Sphären hob, ist fast schon frech – und die konträre Herangehensweise zu Perfektionisten á la Kubrick. Hawks war ein selbst ernannter Geschichtenerzähler, kein Künstler, wie er betonte. Einfach und pragmatisch vermittelte der US-Amerikaner nach Lust und Laune seine Storys, die alles andere als verschachtelt, schwer zu erfassen oder außergewöhnlich sind. Der Film als Hobby - aus einer Überzeugung und Leidenschaft heraus resultierte Erfolg in allen Genres. Screwballkomödien (unter anderem die Genrereferenz „Leoparden küsst man nicht“), ein Film noir (Tote schlafen fest) gefolgt von Western (Rio Bravo), aber auch Abenteuerfilme – im Jahre 1939 „SOS – Feuer an Board“.

Ähnlich wie Howard Hughes, der Hawks’ „Scarface“ produzierte, war der Regisseur ein Suchender. Abenteuerlust und der damit verbundene Kick manifestierten sich in Faibles für Motorräder, Autos und der Fliegerei. „SOS – Feuer an Board“ greift private Leidenschaften auf und erzählt die Geschichte von mutigen Piloten einer Fluglinie, die Postsendungen in hohe Pässe transportieren. Fernab der Zivilisation, bei nahezu jedem Wetter in klapprigen Maschinen fliegend, schwanken die Flieger zwischen Leben und Tod.
Soviel zum Gerüst – einfach und unspektakulär beinahe rudimentär wirkend.
Als Nebenplot dient eine Lovestory zwischen dem eigenwilligen Piloten Bat McPershon (Cary Grant) und der Touristin Bonnie (Jean Arthur). Zwei Großmeister in der Hawk’schen Screwball-Manege – dementsprechend spielt der Regisseur auch seine Karten, das Gespür für zeitlosen und visionären Humor, aus. Hassliebe, Wortgefechte zwischen dem Eigenbrötler und der eloquenten Abenteurerin – Grant ist in punkto Gestik und Mimik, darstellerisch über jeden Zweifel erhaben und Jean Arthur beweist einmal mehr, dass sie zeitlosen Stil, Authentizität mit einem ordentlichen Schuss Wortgewandtheit vereint und auch heutzutage noch ein liebenswerter Blickfang wäre.

Hawks legte nie großen Wert auf Außergewöhnliches, folgerichtig ist es außergewöhnlich, dass viele seine Filme heutzutage diesen Stellenwert haben. Ein Experimentieren mit der eigenen, eher unspektakulären Formel, die oftmals Erfolg brachte, aber logischerweise nicht immer funktioniert. In „SOS – Feuer an Board“ vermisst man manchmal den Kick, den der Regisseur vermitteln wollte. Ein Abenteuer ist es nur dann, wenn es abenteuerlich wirkt.

Die Atmosphäre fernab der Zivilisation wird eigentlich gut vermittelt und bietet die Grundlage für das Gelingen. Das Set-Design mit einer heruntergekommenen Bar und dem Gebäude der Fluglinie bildet einen Kontrast zu der grünlichen, urwaldähnlichen Vegetation. Verfallene, anrüchige Gebäude, verlagert auf eine gottverlassene, naturalistisch attraktive Landschaft - hier wird durchaus typisches Abenteuerfeeling transportiert.
Doch leider zündet der Funke zwischen Komödie und Fliegerabenteuer nicht immer, weil der strukturelle Zweitakt im Laufe des Films verflacht. Es geht nicht um die storytechnische Banalisierung, aber es fehlt oftmals die Eigendynamik, um den Wechsel zwischen Dramatik und Humor übergangslos zu meistern. Die Inszenierung ist Hawks großer Pluspunkt, auch wenn man keine stilistischen Eigenheiten feststellen kann. Ungewöhnlich ist bei ihm in der Tat, dass jeder Film unterschiedlich ist. Die Storys bieten in der Regel wenig Pointen, er erzählt Geschichten, wie man sie eben im Dialog erzählt: Chronologisch, ohne Rückblenden, so dass Spannung dicht an den inszenatorischen Finessen gekoppelt ist. Im Falle von „SOS – Feuer an Board“ fehlt das gewisse Etwas, das nicht dingfest an einem Aspekt festgemacht werden kann. Die Mittel der Inszenierung sollen laut dem US-Amerikanischen Regisseur unsichtbar sein – naturalistische Schönheit mag man aber hierbei nur an Landschaft, Jean Arthur und der abenteuerlichen Grundstimmung sehen.

„SOS – Feuer an Board“ fehlt schlichtweg die Spannung im Moloch einer simplen Grundstory. Vereinzelt funktionierende Aspekte ergeben im Gesamtbild keine Harmonie, so dass sich die Geschichte nicht Hawks typisch unbeschwert, ohne Längen, konsumieren lässt.
Er scheute kein Risiko, war vielseitig und eine wahre, von offizieller Seite teilweise verkannte Größe im Filmgeschäft. Dementsprechend war es für ihn kein Problem, wenn er Stück für Stück, von Film zu Film dachte und zwischen Erfolg und Misserfolg pendelte. SOS ist bei Hawks deplatziert, Kritik in diesem Fall angemessen, aber keineswegs stellvertretend für das, was der Meister aller Genres für die Filmgeschichte mit seiner Individualität leistete. Mut zum Risiko bedeutet auch mitunter aufrichtig ins Klo zu greifen. Im Verhältnis ist das immer noch Durchschnitt. (5/10)

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