Im Englischen Originatitel You Will Meet a Tall Dark Stranger klingt das nicht so verträumt wie im deutschen Übersetzungstitel, könnte sich daraus auch ein Crime oder ein Thriller entwickeln; etwas, dass Woody Allen durchaus auch beherrscht, wenn man sich Cassandras Traum (2007) oder Ein Glücksfall (2023) oder Scoop - Der Knüller (2006) respektive Match Point (2005) so anschaut. Hier beginnt man sogar etwas anders als üblich, eine neue Produktionsfirma, der eingespielte Song passt dann wieder zum Erwartbaren, der Allen schon am Intro erkannt, an der Schriftart, beibehalten von Beginn an bis zuletzt, es geht um folgendes, die Handlung startet jetzt:
Alfie und Helena Shepridge [ Anthony Hopkins & Gemma Jones ] lassen sich scheiden. Helena sucht die Wahrsagerin Cristal Delgiorno [ Pauline Collins ] auf, um spirituellen Rat zu erhalten. Ihre Tochter Sally Channing [ Naomi Watts ] steckt in einer schwierigen Ehe mit dem Autor Roy [ Josh Brolin ], der einst ein erfolgreiches Buch schrieb und nun ungeduldig auf die Antwort seines Verlegers zum Manuskript seines neuesten Buches wartet. Helena hilft bei der Bezahlung der Miete. Alfie heiratet die Prostituierte Charmaine Foxx [ Lucy Punch ]. Roy verliebt sich in Dia [ Freida Pinto ], eine Musikwissenschaftlerin, die er durch ein Fenster in der Nähe seiner und Sallys Wohnung sieht und die mit einem anderen Mann verlobt ist. Sally erwägt eine Affäre mit Greg Clemente [ Antonio Banderas ], ihrem neuen Chef in einer Kunstgalerie. Greg gesteht, dass er zu Hause Probleme hat, und schließlich stellt sich heraus, dass er eine Affäre mit Iris [ Anna Friel ] hat, Sallys Protegé. Helena beginnt eine Freundschaft mit Jonathan Wunch [ Roger Ashton-Griffiths ], dem Besitzer eines okkulten Buchladens, aus der sich eine Liebesbeziehung entwickelt.
Zu welcher Jahreszeit das hier spielt, sieht und weiß man zu Beginn noch nicht, es gibt ein Shakespeare-Zitat, eine ältere Dame möchte eine Sitzung, sie hatten viele Psychiater und Ärzte und Massagen hinter sich, es gibt ein 'Trösterchen', einen Sherry zur Beruhigung, sie wird analysiert, die Frau ist streng zu sich selber, sie ist selber erstaunt über den scharfen Blick des Gegenübers, es gibt ein kurzes, aber vertrauliches Gespräch. Die Dame ist geschieden, sie hatte einen Suizidversuch hinter sich, nach 40 Jahren Ehe und 40 Jahre Abhängigkeit. Es wird erzählt im Off, im Voice Over, es dreht sich dort um den Mann selber, ein Fitnessguru für seine alten Tage noch, die Frau konnte da nicht mithalten, mit den Worten des Dichters wird hier paraphrasiert. Außerdem gibt es noch eine Tochter und ein Schwiegersohn, ein Schriftsteller natürlich, der an seinem Schreiben scheitert, viel Personal zu Beginn schon, etwas Dramatisches, etwas Heiterkeit, etwas Poesie, etwas Leidensdruck, das Leben halt. Der Kühlschrank bleibt dunkel, wenn man ihn aufmacht, das ist eine Merkwürdigkeit, das andere ist eine Wiederholung, ein Autor, der eine Schreibblockade hat und mit seinen Zeilen unzufrieden ist, dem selbst Zuspruch nicht hilft, das halbe Allensche Œuvre ist das ein Thema, aus dem Leben gesprochen wohl, obwohl Allen das selber abstreitet, dass die Handlungen seiner Filme etwas mit seinen Erfahrungen zu tun hat, im Zweifel für den Angeklagten.
Der Schwiegersohn geht fremd, auch das ist oft ein Thema, man kann ein halbes oder ein ganzes Dutzend der Arbeit von Allen damit aufzählen, bei anderen ist das nicht so auffällig, bei Allen ist es vielversprechend. Eine reiche Besetzung hat man hier, Frauen wie Männer, alphabetisch aufgehört aufgrund der gegenstreitenden Prominenz, es wird sich erstmal nicht mehr um die alte Dame, sondern deren Sprösslinge gekümmert und erzählt. Es geht um Mut und Entmutigung und Ermutigung und Vermutung, es geht um das Geldverdienen, nicht nur das vor sich hin sinnieren, es geht um Kunst und Kultur, um Gespräche miteinander an einem Tisch und über den ganzen Hinterhof, aus dem Fenster heraus, es geht um Selbstvertrauen und Misstrauen, und Kommunikation mit Freunden und mit Freundinnen und sogenannten 'Gurus', um das Leben an sich, um viel Taxifahren zu Terminen, um Familien, um Partnerschaften, um das Ertragen des Alleinseins, um Schwindel und um Wahrsagerei und um Seelenfrieden. Um Hoffnungen geht es auch, um Fehlbarkeit und Unfehlbarkeit, um Schmeichelungen, Schwächelungen und Reifungen. Allen konzentriert sich erstmal auf drei, vier Personen, der Rest kommt hinzu und schwingt darum herum, er bringt entweder Erfüllung oder Unzufriedenheit, um die Scheidung und das Alleinsein, um Deplatzierungen, Deklassierungen, Umplatzierungen und Einsamkeit, die Tochter hat zu beiden ihrer Eltern Kontakt, auch die Geschiedenen reden noch, wenn auch selten miteinander, für sie eine Katastrophe, für ihn ein Gewinn.
Schlüsselmomente werden hier gezeigt, die Wahrsagerin steht mit im Fokus, sie kam als Zweites in das Bild und bleibt auch mittendrin, "Ein gutaussehender Fremder tritt in ihr Leben", "magische Anziehungskraft", "Sie sind wie zwei Magnete", viel los hier zu Beginn schon, viele Konstruktionen und Bewegungen, man muss drauf achtgeben, es gibt größere und kleinere Szenen, viel dreht sich auch um die gleiche Wohnung, die nicht wirklich wohnlich eingerichtet ist, hinten eine große, aber unsortierte, völlig querbeet gehaltene Bibliothek, Kleidung von der Stange mitten im Flur, ein Hin und Her wie ohne Türen, "Dir begegnet der große dunkle Fremde" wird als zynischer Kommentar hier losgeworden, manche glauben an die Wahrsagerin, für andere ist sie ein Scharlatan. Um das Kinderkriegen geht es hier auch, Allen-Thema #3, eine reiche Gattung an Selbstzitaten, übersichtlich gefilmt, manchmal in längeren Einstellungen, manchmal mit Absicht in Peinlichkeiten schwimmend, in Überzeichnungen und Überdrehungen, selten genug um verkrampft zu wirken, manches ist sehr offensichtlich gespielt und gefilmt, wie schlechtes Theater, Hopkins wirkt herausstechend, Banderas, auch Brolin natürlich, manchmal wird viel und manchmal über den Durst getrunken, es fallen Rückblenden an und Erläuterungen und Erinnerungen.
Man ist so alt oder so jung, wie man sich fühlt, so heißt es hier, es geht um Partnerschaften, um Bekanntschaften, um Liebe und Verliebtsein, um Veränderungen und um den Status Quo, die Schauspieler treten in den Bildkader hinein, die Tochter macht sich Sorgen, zu Recht auch, es kriselt irgendwo und irgendwann, es gibt Anmachen und Abweisungen, das Erstere in der Öffentlichkeit, das Zweite privat. Mehrere Probleme tischen sich auf, das Warten auf eine Reaktion bezüglich des eingereichten Buches, die zweite Ehe des Vaters, das Zweigleisig fahren, der Kampf mit der Kultur, es wird geflirtet und offensiver geschmeichelt, ein sensibler und einfühlsamer Umgang mit der Literatur, viele verschiedene Frauen- und ebensolche Männerfiguren, perfekte Partnerschaften, die nicht sein dürften, und unperfekte Partnerschaften, an die sich gehalten wird, einfach um der Gewöhnung willens. Etwas Schwermut (und Gewalt) drückt sich kurz in den Film, ein Liebes- und ein Lebensdrama, um perfektes Timing und besseres Abwarten. In London spielt der Film, das merkt man später erst, es werden keine architektonischen Markenzeichen etc. gezeigt, es geht um die Menschen und nicht die Bauten, nicht die Gebäude, "Ist doch bloß Geld, wen kümmerts?", es gibt Aussprachen und Versprechen und Vorsprechen und Versprechungen, eine richtige Dramaturgie nicht ersichtlich und auch nicht nötig, die Wahrsagerin und ihre Wahrsagerei ist auch nicht so wichtig, es geht um Nichts und Alles, um die Gefühle und die Zeit und Entscheidungen und Offenbarungen, man kommt sich vor wie eine Seifenoper, so wird das hier auch erwähnt, Kopfschmerzen gibt es auch, Thema #4.
Arbeiten oder Familiengründungen, Stimmungen und Fehlinterpretationen, Wissenschaft und Okkultismus, Flüche und lange Unterredungen, zwischendurch wird es lauter, großartige Neuigkeiten im großen Plan des Lebens und seine Widersprüche und Gescheitert Sein; der Erzähler mischt sich nur selten ein, nur in einzelnen Punkten, mal in tragischen, mal in praktischen Dingen, im geistigen Diebstahl vor allem, in der Hoffnung und im Erniedrigen. Fehler werden aufgezeigt und neue Fehler gemacht, sich mit fremden Federn geschmückt und Chancen bedacht und Pläne gemacht. "Kommen wir zum Ende unserer Geschichte von Lärm und Raserei, die nichts bedeutet. So ungewiss und schmerzvoll wie das Leben ist, stellt sich ja die Frage, wie überstehen wir das?"