Erscheint auf DVD ein Film mit Jean Marais, so bin ich immer hellwach, denn nicht selten möchte ich ihn mir einverleiben. Seit „Fantomas“ bin ich begeistert von dem Schauspieler und mochte seine Mantel und Degen Streifen ganz besonders. Wie zum Beispiel Errol Flynn, machte Jean Marais seine Stunts zumeist immer selbst, was der Glaubwürdigkeit seiner Rollen immer zuträglich war und bei mir stets für Begeisterung sorgte.
Nun erschien vor einiger Zeit ein Frühwerk, in dem Marais noch sehr jung war. „Die Schöne und das Biest“, nach dem Märchen von Jeanne-Marie Leprince De Beaumont, eine alte Geschichte, die Jean Cocteau in ansprechende Bilder kleidete. Jean Marais spielt darin einen arroganten Schönling und das schrecklich anzusehende Ungeheuer, das Biest.
Die junge und hübsche Belle ist der Stolz ihres Vaters. Sie ist ein sanftmütiges Wesen, so ganz anders wie ihre verwöhnten und hochmütigen Schwestern, dass weiß auch ihr Bruder Ludovic, der sich einen Spaß daraus macht die ungeliebten Schwestern zu necken. Doch Ludovic hat auch andere Laster. Er lässt sich auf riskante Geschäfte ein und setzt damit das Vermögen des Vaters aufs Spiel. Dieser hat aber auch seinerseits einige Problemchen und dabei begann alles so vielversprechend. Als er nun eines Tages fort geht um einige Dinge zu regeln dürfen all seine Töchter einen Wunsch äußern. Belle möchte nur eine Rose.
Auf seiner Rückreise verirrt sich jedoch der Vater und gerät in ein seltsames Schloss, das auf irgendeine geheimnisvolle Weise lebendig scheint. Hier verbringt der Mann die Nacht und will am Morgen weiter reiten, da fällt ihm Belles Wunsch wieder ein. Im Garten pflückt er eine Rose, doch da tritt ein grässliches Biest aus dem Dickicht und verlangt seinen Tod für die schändliche Tat an seinem Besitz. Er könne sich jedoch retten, wenn eine seiner Töchter bereit wäre bei ihm auf dem Schloss zu leben. Belle erklärt sich dazu bereit, schließlich war es ihr Wunsch, der ihren Vater in diese Lage brachte. Sie begibt sich auf das Schloss um mit dem Ungeheuer zu leben.
Jean Cocteau wurde 1889 geboren, er verlor seinen Vater im Alter von 10 Jahren, durch Selbstmord. Mit 17 verfasste er sein erstes Gedicht und verstand sich auch Zeitlebens in erster Linie als Dichter. Viele Werke gingen auf sein Konto und 1930 erschloss er sich für eine neue mediale Form, den Kinofilm. 1946 entstand dann „Die Schöne und das Biest“ und es ist, wie seine Werke auf Papier, wie ein Gedicht. Sicherlich nicht in allen Szenen, doch einiges erinnert an Strophen eines Gedichtes und sie sprühen vor visueller Brillanz.
Der Stil in dem die Geschichte dargeboten wird ist wohl nicht immer jedermanns Geschmack, denn wie schon erwähnt erinnert es zuweilen an Strophen, man kann es auch Sprunghaftigkeit nennen. Die gebotenen Momente, die aneinandergereiht schon einen zusammenhängenden Handlungsbogen ergeben, sind optisch ungemein beeindruckend inszeniert und laufen mitunter sogar ab wie in einem Stummfilm. Sehr bedächtig bewegen sich dann die Protagonisten und alles ist symbolisch, nichts wirkt zufällig.
Das gebotene Setdesign erinnert hier und da an die Bühne eines Theaters, ist aber dennoch sehr gut ausgearbeitet und nicht selten sind Menschen in die Sets integriert. Um das verwunschene Schloss zu zeigen, das trotz Leere so voller Leben steckt, sieht man also Leuchter, die von Menschenhänden gehalten werden - eine dieser Hände gießt Belles Vater sogar Wein ein. Des Weiteren sind auch die Gesichter am Kamin lebendig. Sie folgen mit ihren Augen und dem Kopf dem Besucher. Betten decken sich von allein auf und Türen öffnen und schließen sich von selbst. All das verleiht dem Schloss das Flair des Verwunschenen und der Regisseur braucht uns solches nicht sagen zu lassen, er zeigt es einfach mit den Bildern. Die Szenerie läuft hier ohnehin ohne Worte ab. Weder führt der Vater einen Monolog mit sich, noch wird mit ihm gesprochen. Erst als das Biest auftritt kommt es zum Gespräch.
Cocteau arbeitet in seiner visuellen Inszenierung auch viel mit Rauch. Dichter Nebel umhüllt die Szenerie und auch das Biest qualmt herrlich, wenn es mal wieder ein Tier gerissen hat. Es ist ebenso, wie das sehr bedächtige Bewegen der Protagonisten, wo jede Bewegung eine Bedeutung zu haben scheint und nichts zufällig ist, es ist ein Stilmittel.
Die Gestalt des Biests ist zudem wahrlich imposant. Ein herrliches Make-Up, was man sich da einfallen lassen hat und weit gelungener als bei allen anderen Interpretationen die folgen sollten. Unter der Maske steckt natürlich Jean Marais und wer ihn kennt wird es an den Augen deutlich sehen. Man braucht sich bloß die Augen von Fantomas vorzustellen, die aus der bläulichen Maske hervorstechen. Marais ist übrigens in drei Rollen vertreten und nicht bloß in zweien, wie ich anfangs schrieb. Neben dem Schönling Avanant und dem Biest ist er auch der Prinz. Für diesen großen Rollenumfang stand der Darsteller schon von Anfang an fest. Cocteau und Marais waren eng befreundet, durch Marais Homosexualität und Cocteaus Bisexualität war die Bindung sogar noch größer. Cocteau schrieb einiges seinem Freund auf den Leib und so waren auch die Parts in „Die Schöne und das Biest“ wie für ihn geschaffen. Er kann überzeugen und liefert in allen Rollen eine beeindruckende Darstellung. Besonders als Biest fand ich ihn gut, diesen Part spielte er mit viel Enthusiasmus. Josette Day, als Belle war ebenfalls sehr gut. Ihre Körpersprache ist sehr ausdrucksstark und ihr Aussehen war ohnehin bezaubernd. Auch alle anderen Parts haben mir gefallen und sie standen den Hauptdarstellern fast nicht nach.
Neben der optischen und schauspielerischen Komponente, ist die Akustische eine ebenso wichtige, und in diesem Film bestimmt mehr als anderswo. Für die Komposition war Georges Auric zuständig und er kleidet das Geschehen in gute Melodien, die mir zuweilen aber etwas zu groß wirken. Etwas weniger voluminös, wär sicher besser gewesen. Vom melodischen her bin ich jedoch sehr zufrieden. Da es seinerzeit nicht üblich war einen Film mit Musik zu überschwemmen hört man den Score nicht so oft. Wo er jedoch besonders wichtig wird, ist dort wo etwas ohne Worte geschieht. Hier spielt er seine Stärken aus und schafft die nötige Atmosphäre.
Jean Cocteaus dichterische Ausrichtung, der Surrealismus, spiegelt sich ebenso in der Inszenierung von „Die Schöne und das Biest“ wieder. Es ist ein unterhaltsamer Film und mehr noch, für mich ist er sogar ein Kunstwerk, das seinen Reiz besonders aus den surrealistischen Szenen auf dem Schloss des Biestes zieht und selbstverständlich aus der imposanten Erscheinung von Jean Marais als Biest. Die gebotenen Effekte tragen ihr übriges bei und besonders der Stil, des bedächtigen Bewegens, ganz wie bei einem Stummfilm, hat mir gefallen. Diese Momente beschränken sich auf die Szenen im Schloss, die Protagonisten scheinen hier ebenso verwunschen wie die Umgebung.
Für mich ein beeindruckender Film und ein wichtiger Stein in der französischen Filmgeschichte. Ein Meisterwerk mit Poesie und einem ganz besonderen optischen Stil.
Ein kurzes Wort zur deutschen DVD
Die deutsche DVD von e-m-s kommt als zwei Disc umfassende Special Edition daher. Sie bietet den Film in einer, dem alter entsprechenden Bildqualität. Unschärfen sind zu sehen, Bilddefekte und Bildrauschen. Dennoch bin ich zufrieden. Nicht so ist es mit dem deutschen Ton. Das Tonrauschen wollte man sicher etwas herausfiltern, doch dadurch klingt jetzt alles etwas blechern. Gott sei Dank stört es nicht wirklich, was den gedämpften Eindruck etwas abmildert. Neben dem Film findet sich nun ein 21-seitiges Booklet mit Szenenbeschreibungen. Auf Disc eins findet sich ein englischer Audiokommentar (leider nicht untertitelt) von Historiker und Kritiker Sir Christopher Frayling. Auf Disc 2 gibt es dann einiges an Features und Extras, die einen Umfassenden Blick bieten und auch einiges über die Dreharbeiten offenbaren. Hier wird weit mehr aufgeboten, als bei so manchem Aktuellen Film und dabei sprechen wir von einer Entstehungszeit von 1946. Die Dreharbeiten zum Film begannen übrigens direkt nach Ende des zweiten Weltkrieges.
Alles in allem eine DVD Auflage wie man sie sich wünscht, vielleicht nicht ganz in Bild- und Tonqualität überzeugend, doch in Sachen Ausstattung sehr üppig und informativ. Was das Bild betrifft, liegt der Film hier sogar in einer restaurierten Fassung vor, wo einiges an Bilddefekten und anderer altersbedingter Dinge entfernt worden. Ein Restaurationsfeature auf DVD 2 zeigt dies sehr deutlich. So betrachtet kann es nur eine Wertung für die Auflage von e-m-s geben.