Nach der Ermordung seines Bruders James durch Viehdiebe, nimmt Wyatt Earp zusammen mit seinen Brüdern Virgil und Morgan den Job des Marshalls in Tombstone an. Er schließt Freundschaft mit Doc Holliday, verliebt sich in dessen Verflossene, Clementine Carter und sucht die Konfrontation mit dem Clanton-Clan, die schließlich in der Schießerei am O.K. Corral ihren Höhe- und Endpunkt findet.
Wyatt Earp ist sicherlich eine der bekanntesten Personen des amerikanischen Weste(r)ns. Wobei sich seine Popularität und die letztendlich positiven Attribute, die man mit ihm verbindet, in erster Linie aus der Verklärung seiner Person in Film und (Trivial)Literatur zum aufrechten Gesetzeshüter resultieren. Und der O.K. Corral steht wie Fort Alamo oder der Little Big Horn in der Reihe der großen mythischen Erinnerungsorte des Westen(r)s.
Der historische Earp hat lediglich mehrfach als Hilfsmarshall agiert und fand sich manchmal durchaus auch auf der anderen Seite des Gesetzes wieder. So wurde er z.B. einmal rechtskräftig verurteilt, weil er eine Frau geschlagen hatte.
Er war, als er an der berühmten Schießerei mit der Clanton-Bande am O.K. Corral teilnahm,
auch nicht der Sheriff des Städtchens Tombstone, sondern betätigte sich dort als Wirt eines Saloons. Was zeitgenössische Historiker diesen Shoot-Out auch eher als Abrechnung zweier rivalisierender Banden und nicht als Kampf der Gesetzesmacht gegen eine Banditenfamilie sehen lässt.
Nichtsdestotrotz überlebte Wyatt Earp diese bleihaltigen Zeiten und starb erst im Alter von 79 Jahren im Bett, nicht ohne vorher dem Schriftsteller Stuart N. Lake eine frisierte Biographie diktiert zu haben.
An dieser Biographie orientiert sich auch John Fords „My Darling Clementine“. Was aber nicht weiter ins Gewicht fällt, da es in den klassischen Western, und insbesondere bei Ford (der Wyatt Earp übrigens noch persönlich begegnet ist), sowieso stets um die Festigung oder Variierung des Mythos geht.
Schaut man sich die Liste der Darsteller an, die Wyatt Earp im Film verkörpert haben, so könnte man fast denken, diese Rolle gehöre bei den „Leading Men“ zum Pflichtrepertoire.
Randolph Scott, Joel McCrea, Burt Lancaster, James Stewart, James Garner, Kevin Costner, Kurt Russell – sie alle marschierten schon gen O.K. Corral.
Doch niemand hat den Marshall von Tombstone so lässig und lakonisch interpretiert wie Henry Fonda in Fords Klassiker.
An seiner Seite sehen wir Victor Mature als alkohol- und lungenkranken Doc Holliday, der eine Medizinerkarriere an den Nagel hängte und jetzt in Tombstone das Glücksspiel kontrolliert.
Victor Mature, dessen Filmographie sich größtenteils aus Rollen als Steinzeitmensch, biblischer Held oder Gladiator zusammensetzt, war im Gegensatz zu Fonda kein „Ford-Actor“ und auch nicht die erste Wahl für die Rolle des Doc gewesen. Aber er wächst hier an seiner Aufgabe und seinem Mitspieler und liefert eine anständige Leistung ab.
Besonders sympathisch an Fondas Wyatt Earp ist die Tatsache, das er zwar den Posten des Marshalls annimmt, um den Mord an seinem jüngsten Bruder zu sühnen und Tombstone gleichzeitig wieder zu einer sicheren Stadt zu machen, aber er agiert nicht als eindimensionaler Law-and-Order-Man, sondern als pragmatischer Individualist, der auch gerne mal in Doc Hollidays Saloon etwas Geld beim Pokern verzockt und zusammen mit dem Doc einige Drinks vernichtet.
Er ist auch kein „Killer“. Einen um sich schießenden, betrunkenen Indianer bezwingt er zu Beginn des Films ohne Waffengewalt und selbst seinem Erzfeind, dem alten Clanton, lässt er im Showdown eine faire Chance.
Kritiker bezeichnen „My Darling Clementine“ gern als John Fords poetischsten Western. Tatsächlich hat der Film viele magische Momente: das erste Zusammentreffen von Wyatt Earp und Doc im Saloon, als sie Freundschaft schließen, nachdem sie versucht haben ihre jeweiligen Grenzen auszuloten; Wyatt Earps lässiger Balanceakt auf seinem Stuhl, während er die Straßen von Tombstone beobachtet; der Auftritt eines abgehalfterten Shakespeare-Darstellers, der Doc Holliday den Hamlet rezitieren lässt oder Earps romantischer Richtfestbesuch mit Clementine Carter (Cathy Downs). Und wenn dann der alte Barmann Mac auf Wyatts Frage, ob er jemals verliebt gewesen sei antwortet: „Nein, ich bin mein ganzes Leben lang Barkeeper gewesen.“, dann ist das ganz großes Kino.
Überhaupt, richtig geschossen wird hier eigentlich nur, am Ende des Films, in dem mit kühler Brillanz inszenierten Showdown.
Natürlich geizt der Streifen auch nicht mit Klischees, sehr markant in der Gegenüberstellung von Cathy Downs als blonde aufrichtig-anständige Krankenschwester und Lehrerin von der Ostküste und Linda Darnell als dunkles triebgesteuertes Halbblut und Saloongirl. Auch der latente Rassismus, den Ford, besonders in seinen früheren Filmen, gegenüber Schwarzen und Indianern an den Tag legte, schimmert manchmal noch durch.
Man darf dabei einfach nicht vergessen, das John Ford nie ein Innovator und Neuerer des Westernfilms gewesen ist, sondern in erster Linie ein erstklassiger Geschichtenerzähler und ein Regisseur, der es fast immer verstand Glanzleistungen aus seinen Schauspielern herauszukitzeln. Wobei seine besondere Zuneigung zwar immer den archaischen Außenseitern wie Mature in „My Darling Clementine“ oder John Wayne in „The Searchers“ und „The Man who shot Liberty Valance“ gehört hat. Da Ford aber gleichzeitig stets auf dem Standpunkt beharrte, das nur die Verbreitung und Etablierung der Zivilisation den Bestand der Gesellschaft garantiert, bleiben diese Außenseiter, die diesem Zivilisationsprozess im Wege stehen, unabhängig davon auf welcher Seite des Gesetzes sie stehen, am Ende auf der Strecke. Dadurch, das Doc Holliday die Seiten gewechselt hat und vom angesehenen Arzt zum Glücksspieler und Revolverhelden wurde ist er letztendlich genauso dem Untergang geweiht wie der alte Clanton (Walter Brennan) und seine Söhne.