Ja, die Asiaten und ihre Rachegeschichten. Ob es nun bei Chan-wook Parks „Oldboy“ oder den beiden „Sympathy“ Filmen, „Lady Snowblood“ oder Takashi Miikes „Izo“. Asiatische Filmemacher scheinen sich dem biblischen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“-Prinzip verschrieben zu haben. Und da Asiaten scheinbar ein etwas wörtlicheres Verständnis dieser Formel haben, endet das Ganze dann auch meist in einem Blutbad.
Blut ist es auch, das die Geschichte in „Geständnisse“ zum Rollen bringt. Das heißt, eigentlich beginnt es noch ein wenig früher, nämlich mit dem Tod der kleinen Tochter von Mittelschullehrerin Yuko. Beim Spielen im schuleigenen Pool ertrunken. Doch an diese offizielle Version glaubt die höfliche, zurückhaltende Lehrerin nicht und so kommt es, dass sie ihren Schülern einen Tag vor den Sommerferien nicht nur mitteilt, dass sie die Schule für immer verlassen wird, sondern auch, dass die Mörder ihrer Tochter mit im Klassenzimmer sitzen. Und noch etwas: die Milch, die die Beiden gerade eben ausgetrunken haben, war mit HIV-positivem Blut versetzt. Dann mal schöne Ferien, Kinder.
„Geständnisse“ vereint zwei Arten von Filmen. Inhaltlich ist es ein psychologisches Gedankenspiel. Wenn die Erziehung skrupellose, geltungssüchtige Straftäter hervorbringt und sowohl Eltern als auch Staat diese schützen, wie kann man dann Gerechtigkeit erlangen. Und, wie so oft, heiligt der Zweck wirklich die Mittel?
Formal wiederum ist es ein überstilisiertes Musikvideo, in dem zu ruhiger melancholischer Musik (Radioheads immer wiederkehrendes Thema) ruhige und elegische Zeitlupensequenzen gezeigt werden. „Geständnisse“ ist ein langsamer Film, der brutale Handlung und unzählige Wendungen der Handlung in einer sehr ruhigen, melancholischen Art und Weise erzählt. Darauf muss man sich einlassen. Denn obwohl der Film bei Weitem nicht überlang ist (gerade einmal 100 Minuten) braucht man doch einiges an Sitzfleisch.
Trotz dieses gemächlichen Tempos passiert in der kurzen Zeit sehr, sehr viel. Wir erfahren im Laufe der unchronologisch aus zahlreichen Perspektiven erzählten Geschichte ungemein viel aus dem Leben und der Psyche der Lehrerin, der Schüler, der Täter und deren Umfeld. Soviel, dass wir uns teilweise mit all diesen Personen identifizieren können, sie teilweise verstehen und ihre Handlungen nachvollziehen können. Jedoch hat fast jeder „Dreck am Stecken“, soll heißen, die hehren Ziele pervertieren und führen letztendlich zur Katastrophe und lassen selbst eine aufkommende zarte Romanze im Rot vergossenen Blutes ersticken.
Dabei ist gerade die Gewalt teilweise überraschend in ihrer Plötzlichkeit und gleichzeitig betörend in ihrer wunderbaren Inszenierung. Physisch wird es dabei zwar schon, ein Vergleich zum im Grunde ähnlich gelagerten „Battle Royale“ (auch hier geht es um ein zerrüttetes Bildungssystem, verrohte Schüler und machtlose Lehrer) oder anderen exploitativen Vertretern des Asia-Kinos ist dennoch fehl am Platze. Keine Fontänen, keine abgetrennten Gliedmaßen. Trotz seines stylischen Auftretens, der Überkonstruiertheit seiner Geschichte, ist „Geständnisse“ ein geerdeter Film.
Gerade aus diesem Grund wird das Ende den ein oder anderen mit Sicherheit mit offenem Mund dastehen lassen. Hier wird nicht nur inszenatorisch, sondern auch handlungstechnisch ein absoluter over-the-top Schlag in den Magen verabreicht, der einen dann doch den Rest des Abspanns schweigend betrachten lässt. Das muss man dann erstmal sacken lassen.
Als Musikvideo, trotz einer ungewöhnlichen und teilweise auch anstrengenden Inszenierung, größtenteils gelungen. Als Ideenspiel interessant und vielschichtig. Dennoch verliert der Film in beider Hinsicht gegen den tollen „The Woman“, bei dem die Verquickung aus „Was-wäre-wenn“ und Bilder vs. Musik doch noch runder und weniger sperrig wirkte.
Nichtsdestotrotz auch für dem asiatsischen Kino eher abgeneigte Arthousefreunde mehr als einen Blick wert.