YouTube sei Dank habe ich mich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu einem Liebhaber obskurster Filme entwickelt, bevorzugt solcher, die selbst auf Seiten wie badmovies.de ein Stirnrunzeln hervorrufen, weil schlichtweg noch kein oder wenigstens kaum ein Schwein davon gehört hat. „Curse of Bigfoot“ ist eine dieser abseitigen Kuriositäten, die man gesehen haben muss, um sie zu glauben – und es wahrscheinlich selbst dann nicht tut. Trash für Fortgeschrittene – und vielleicht noch nicht mal für die.
Um das alles begreifen zu können, muss man einen Blick auf die Hintergrundgeschichte des Films werfen. Regisseur Dave Flocker (der sich hier Don Fields nennt) drehte 1958 zwar ohne Budget, aber dafür mit umso mehr Enthusiasmus gemeinsam mit Freunden und Bekannten an ein paar Tagen einen knapp einstündigen Film mit dem schönen Titel „Teenagers Battle the Thing“, um etwas Geld mit einer auf dem Papier möglicherweise aufregend klingenden Story rund um ein wieder zum Leben erwecktes Monstrum in Menschenform zu machen. Obwohl Monsterfilme in den 50er-Jahren durchaus boomten, fand er leider niemanden, der das Projekt veröffentlichen wollte, weshalb es vermutlich im eigenen Archiv verschwand.
Wider Erwarten war das Material noch nicht zu Staub zerfallen, als Flocker es rund 20 Jahre später wieder ausbuddelte und einen zweiten Anlauf unternahm, seinen filmischen Beitrag zum Horror-Genre an den Mann zu bringen. Dafür bedurfte es nicht mehr als einer Kolorierung der Schwarz-Weiß-Aufnahmen und einer Erweiterung der Lauflänge von 30 Minuten durch neu gedrehte Szenen und diverses Archivmaterial, damit der Film in das 90-minütige Zeitfenster des ausstrahlenden Fernsehsenders passt. Voilà – Ihr TV-Monsterfilm der Woche!
Wie diese Elemente aneinandergeklebt werden, ist die ganz hohe Kunst der Unbeholfenheit. Ich versteige mich sogar zur Behauptung, dass die Handlungsstruktur einzigartig in der Filmgeschichte ist. Dabei startet „Curse of Bigfoot“, wie schlechte Filme gern starten: mit einem Erzähler. Zu Archivaufnahmen von Sümpfen, Wäldern und Wolkenformationen lässt er sich über die Evolution des Menschen aus, ehe die Archivaufnahmen mit einem durch die Natur stapfenden Leatherface-Verschnitt gemischt werden. Es folgt die klassische Monster-tritt-das-erste-Mal-gewaltsam-in-Erscheinung-Eröffnungsszene – die sich als Film-im-Film (!) entpuppt, den ein Lehrer einer Gruppe von kriminell frisierten Hackfressen-High-School-Schülern vorführt.
Nun startet also endlich die eigentliche Handlung, in der der Lehrer seine jungen Zuhörer von der Existenz von Monstern überzeugen möchte – will man meinen. Während wir uns noch die Frage stellen, was für ein Fach der Kerl da unterrichtet, geht es weiter – in einen Industriefilm (!!), in dem Bäume gefällt werden. Dem folgt eine Rückblende (!!!), in der immerhin einer von zwei darin agierenden Männern eine tödliche Begegnung mit einem Ungeheuer hat. Industriefilm und Rückblende waren übrigens Erzählungen des Lehrers, mit denen er die Schüler auf seine Seite ziehen möchte. Das gelingt ihm nicht bei allen, weshalb er auch einen Experten eingeladen hat, der über sein ganz persönliches Erlebnis mit einem Untier referieren soll – und wer nun Schlimmes befürchtet, bekommt das Schlimmste: Der Erfahrungsbericht ist nichts anderes als – „Teenagers Battle the Thing“ (!!!!), den der Regisseur, da ihn ja eh keiner gesehen hat, kurz entschlossen in voller Länge ans Ende klatscht – fertig ist die Laube. Als Bindeglied zum alten Film – und Clou gewissermaßen – ist die Wiederanheuerung des dortigen Hauptdarstellers zu nennen, der im neuen Material den Experten mimt und im alten Material als 20 Jahre jüngere Ausgabe seiner Selbst auftaucht, ganz ohne Maskenbildner. „Curse of Bigfoot“ endet schließlich auch abrupt in der „Rückblende“, ohne noch einmal in die Gegenwart zum Erzähler zurückzukehren, was alles vor „Teenagers Battle the Thing“ Gesehene herzlich überflüssig macht.
Ist die Struktur des Films also schon eine Wissenschaft für sich, stellt sich auch alles Weitere als die erwartete Vollkatastrophe heraus. Besonders augenfällig ist dabei die beinahe schon provozierend anmutende Langsamkeit, die Flocker in seiner Inszenierung an den Tag legt. Er scheint auch in der Hinsicht nie Dagewesenes schaffen zu wollen, indem er jede einzelne Szene fünf- oder sechsmal so lange konstruiert, wie sie eigentlich sein darf. Der Film-im-Film schlägt allein zehn Minuten tot, die erste Rückblende (inklusive Industriefilm) um den Dreh noch einmal so viel. Gemeinsam mit der Unterrichts-Szene kommen da gut 30 Minuten und somit ein Drittel der Gesamtlaufzeit zusammen. Folglich kann man sich vorstellen, dass das bei „Teenagers Battle the Thing“ nicht viel anders aussieht: endloses Kraxeln an Gesteinen, endloses Kriechen in Höhlen und endlose Spaziergänge durch den Wald selbst dann noch, wenn der Film keine zehn Minuten mehr geht. Bewerkstelligt wird das neben dem beherzten Einbau von Archivmaterial vor allem mit sinnlosen Schnitten etwa auf Hausfassaden, Bäume und Himmel sowie ständiger Wiederholung identischer Einstellungen, womit jeder Anflug von Spannung, der ja zumindest theoretisch aufkommen könnte, im Keim erstickt wird. Tag und Nacht wechseln wie Unterhosen, schlecht beleuchtete Szenen lassen raten, wer gerade wer ist und wer gerade was macht, die Nachvertonung einzelner Szenen ist nachlässig. Wurden sie nicht nachvertont, sind einige der Darsteller kaum zu verstehen.
Symptomatisch, dass von dem titelgebenden Fluch, geschweige denn einem Bigfoot, wie ich ihn mir vorstelle, weit und breit nichts zu sehen ist. „Curse of Bigfoot“ fährt streng genommen gleich drei Monster auf: besagten Leatherface-Verschnitt aus dem Film-im-Film, der sich mit seiner Gesichtsmaske merklich schwer tut, geradeaus zu laufen, und eine Mumie, die vom Dozenten und seinen Studenten in „Teenagers Battle the Thing“ ausgegraben und unbeaufsichtigt in einer Gartenlaube abgestellt wird, um plötzlich weg zu sein und in der Folge sich offenbar selbst seiner Mullbinden entledigt habend wie ein Typ in einem arg derangierten Fellkostüm, dem an manchen Stellen schon der Stoff fehlt, herumzulaufen und ein paar Mal seine fiese haarige Visage mit den spitzen Gummizähnen in die Kamera zu halten. Der hier präsentierte Bigfoot ist am ehesten noch mit einem Yeti vergleichbar, was nach dem Willen des Drehbuchautoren James T. Flocker (Bruder des Regisseurs?) aber sowieso alles eine Schose ist, wie er den Voice-over-Erzähler sinngemäß an einer Stelle sagen lässt.
Im Gegensatz zum trägen Voranschreiten des Films gestalten sich die Angriffe der Monster blitzschnell. Immer wenn es aufregend werden könnte, blendet „Curse of Bigfoot“ weg, von drei der vier Opfer (Film-im Film mit eingerechnet) wird nicht einmal das Resultat gezeigt. Wie auch, wenn sämtliches Budget für die ultrabilligen Masken und Kostüme drauf gegangen ist? Aber selbst damit mag der Film nicht so recht protzen: Zusammengerechnet sind „Leatherface“ und der Bigfoot-Yeti vielleicht zwei Minuten im Bild, gern in sekundenkurzer extremer Großaufnahme, gern auch in mehrfach wiederholten Einstellungen. Da verschlägt es einem glatt die Sprache, wenn im eine Minute langen Finale der Aufwand betrieben wird, den armen Typen im „Bigfoot“-Kostüm tatsächlich brennen zu lassen, anstatt einfach nur einen Fellhaufen anzuzünden – gleichzeitig der einzige wirkliche Schauwert, wenn man kein Faible für schreiend hässliche Monster-Outfits hat.
Bei aller Sterbenslangeweile, die „Curse of Bigfoot“ verbreitet, komme ich nicht umhin, den Film liebzugewinnen. Er stellt seine formvollendete Inkompetenz wie ein edles Kleid stolz zur Schau, brüllt laut „Na und? Meine Macher konnten es halt nicht besser, aber sie hatten trotzdem ihren Spaß!“ und spielt sich mit dieser Attitüde ins Herz des hartgesottenen Trashfans. Flocker hat seine Inszenierungsschwächen in seinen einzigen beiden Filmen über zwei Jahrzehnte nicht abgestellt, sodass der Sprung von den 70ern zurück in die 50er kaum spürbar ist, solange es kein Archivmaterial ist. Er ist auch in einer Zeit, in der die Darstellung physischer Gewalt in Filmen immer größeren Raum einnahm, nicht der Versuchung erlegen, einen Eimer mit roter Farbe zu nehmen und als Kompensation für sein Nichtkönnen damit herumzusauen, ebenso wie es erfreulich ist, dass der Film nicht nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip vorgeht, sondern tatsächlich gleich eine ganze Gruppe von jungen Erwachsenen gegen das titelgebende Monster antreten lässt, ohne dass auch nur einer von ihnen angekratzt wird. In welchem Horrorfilm gibt es heutzutage schon noch so viel Teamgeist?
Ich stelle mir vor, wie Flocker und alle an „Teenagers Battle the Beast“ Beteiligten bei der Erstausstrahlung von „Curse of Bigfoot“ begeistert vorm Fernseher saßen und sich selbst bejubelten, doch noch zur verspäteten Ehre gekommen zu sein, im TV zu laufen, egal wie misslungen dieser Heuler auch sein mag. Und selbst wenn es nicht so war – der Gedanke macht mich lächeln. 2/10.