Review

Obwohl eines der ersten Gebote bei der Rezeption von Filmen der Abstand von jedweden Vergleichen zwischen diesen und ihren literarischen Vorlagen lautet, bleibt manchmal kaum eine andere Wahl. Zu sehr stößt man sich an der Berühmtheit mancher Autoren bzw. Romanen und ihrem unverwechselbaren und eigenen Stil, als dass man dessen verfilmte Werke einfach davon loslösen könnte. Haruki Murakami, vielleicht einer der berühmtesten und gefragtesten Autoren Japans. Seine Bücher, die stets mit großer melancholischer Geste und oft mit surrealen Einschüben über zwischenmenschliche Befindlichkeiten erzählten, trafen und treffen den Nerv nicht nur einer Generation und lassen sich immer wieder weit oben auf diversen Bestsellerlisten finden. Zart, oft sehr erotisch und dabei auch meist wärmend humorvoll handeln seine von postmodernen Codes umrahmten Geschichten oft vom Erwachsenwerden, der schmerzlichen Loslösung von den Eltern und Hinwendung in ein abenteuerliches Gefühlsleben. Noakos Lächeln behandelt genau jenes Aufbrechen und nach Orientierung suchendes Gefühlschaos eines 19. jährigen Studenten, der nach dem Selbstmord seines besten Freundes dessen schwer depressiven Freundin immer wieder begegnet und sich in sie verliebt. Zwischen der aufrührerischen Stimmung der 68er Bewegung, seinen Studentenbekanntschaften und seiner schmerzvollen Liebe zu Naoko wird hier mitunter eindrucksvoll und sehr sensibel das Gefühlsleben eines jungen Mannes geschildert. Dabei strotzt das Buch nur so vor Sätzen und Anspielungen, die wohl jeden Leser an seine Jugend und die dazugehörigen Verwirrungen erinnern wird. 

Das größte Problem des Filmes des vietnamesischen Regisseurs Tran Anh Hùng liegt im Verfehlen eines jeden Tons. Das kann ruhig wörtlich genommen werden, denn die disharmonischen Klänge von Komponist Jonny Greenwood tränken jenen Film mit einer seltsam unpassenden Schwere, die allerdings keinerlei Übereinstimmung zu den Bildern finden wollen. Was noch bei There will be Blood fantastisch zu wirken wusste, ist hier leider nur aufdringlich und höchst enervierend. Die Geschichte rund um T?ru Watanabe (Ken’ichi Matsuyama) ist mit ausdruckstarken und schwelgerischen Naturimpressionen untermalt, schafft aber keinen wirklichen Zugang zu der Innenwelt der Figuren, also genau das was Murakamis Vorlage so spielerisch und eindruckvoll gelang, bleibt hier aus. Stattdessen eine versuchte Kompensation mit andächtigen, immer wieder ins kitschige kippenden Naturmetaphern, den avantgardistischen Austritten von Greenwood sowie hysterischen oder bedeutungsschwanger gemurmelten Dialogen. Das depressive Innenleben von Naoko (Rinko Kikuchi) übernimmt den gesamten Ton des Filmes, für die eigentliche Hautfigur Watanabe bleibt kein Platz. Er darf tapsig und mit traurigem Blick Naoko beistehen und dabei sehr verloren wirken, aber die Tiefe seines Charakters bleibt gänzlich auf der Strecke. Das hat leider zur Folge, dass unter anderem der feine und warmherzige Humor der Vorlage letztlich komplett fallengelassen wurde. Die liebevoll, leicht ätzende Beschreibung der 68er-Aufbruchstimmung, das Leben auf dem Campus, die unverkrampfte Darstellung erster sexueller Erfahrungen und seine bei aller Tristesse lebensbejahende Grundeinstellung finden sich im Film nicht mehr. 

Naokos Lächeln vermag auch abseits eines Vorlagenvergleiches kaum zu funktionieren und zu gefallen. Angestrengt, aber ohne wirkliches Gespür für seine Figuren bekommt man einen lustvoll dargebrachten, sich in einem depressiven Habitus genussvoll suhlenden, bleiernen Leidensweg vorgesetzt. Der kritisch ironische Abstand, den Murakami noch zu seinen Figuren aufrechterhielt, wurde zwecks plumper, oberflächlich weinerlicher Todessehnsuchtsmotive und den dazu passenden Naturimpressionen fallengelassen. Statt bittersüßer Melancholie, subtilen und warmherzigen Humor und vor allem, der fast mühelosen Pointiertheit und Intensität der Geschichte, gibt es angestrengt artifizielle Bilder und einen unreflektierten pubertär sentimentalen Gestus. Trotz aller spürbaren Angestrengtheit bleibt Naokos Lächeln dröge, reizlos und verplant.   

Details
Ähnliche Filme