Die Frau die singt - Incendies (2010)

Es bleibt in der Familie…

Zwillinge aus Kanada auf der Suche nach ihrem Stammbaum bzw. zwei Verwandten im nahen Osten. Ihre Mutter Jahrzehnte zuvor in einem kriegerischen Strudel zwischen Rache und Verzweiflung. Die Wege bzw. Ursprünge kreuzen sich… und spätestens nach „Incendies“ war mit Denis Villeneuve einer der größten und klarsten Regiestars seiner Generation auf allen Radaren!

Die Wege des Lebens - und Krieges! - sind unergründlich

Manch eine griechische Tragödie mit fünftausend Jahren Weltruhm wirkt gegen „Incendies“ wie ein mittelmäßiger Kindergeburtstag. Das ist keine Übertreibung - Villeneuve hat mit diesem Epos Riesiges geschaffen! Schon viel mehr als nur Ansätze, die zu „Dune“ oder „Blade Runner 2049“ führen sollten. Er war hier schlicht schon angekommen und vollkommen ausgebildet. Vielleicht ist das objektiv wie möglich gesehen sogar bis heute sein bester Film. „Incendies“ ist schlicht unvergesslich. Nicht nur wegen seinem Schocker von Auflösung. Auch so als Verknüpfer von Zeitebenen und Familiengenerationen, von Hass und Liebe, von Krieg und Frieden, von Wut und Wahrheit - das hier ist 'ne Messlatte und bis heute noch immer underrated, underwatched, understatet. „Incendies“ ist ein Augenöffner. Seine erdigen Farben und schimmernden Sonnenuntergänge, die tiefsten menschlichen Abgründe, Emotionen, Offenbarungen. Sein wuchernder Score, seine traurigen Radiohead-Songs. Seine Kraft und seine Breite, seine Aura und seine Spannweite, seine Durchdachtheit und Konzentration. Manch ein Kapitel der Geschichte wirkt eventuell etwas zu flott abgehandelt (z.B. Exekution des politischen Führers). Manch eine Überraschung ahnt man schon recht früh, wenn man Eins und Eins zusammenzählen kann. Und dennoch nimmt ihm das nichts von seiner Wirkung, seinem Impact, seiner Härte, seiner Hoffnung (!!!), seiner markerschütternden (doppelten!) Reise. „Incendies“ wird (außerhalb von Sci-Fi-Bombast!) auf Jahrzehnte für Villeneuve schwer zu toppen werden! 

Fazit: was ein zermürbendes, böses und heftiges Epos über Generationen, Suche, Krieg und Schande… Jeder, der je an Villeneuve gezweifelt hat, sollte sich diesen zeitlosen Brecher angucken. Ungemütlich und sprachlos machend. Danach kann ihn niemand mehr abtun oder kleinreden. Absolutes Kino.