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In seinem Werk „Hereafter" beschäftigte sich der damals immerhin 80-jährige Clint Eastwood mit der Frage nach dem, was nach dem Tod kommen mag: Anhand dreier Schicksale, die allesamt auf drastische Weise mit dem Tod in Berührung kommen, verknüpft er eine schicksalhafte Geschichte über Schmerz, Verlust und Heilung im eigenen Leben. Da ist die französische Moderatorin Marie (Cécile de France), die mit knapper Not den Tsunami 2004 im Indischen Ozean überlebt und dabei eine Nahtoderfahrung macht, von der sie nicht mehr los kommt; der junge Marcus (Frankie McLaren), dessen Zwillingsbruder Jason bei einem tragischen Autounfall stirbt; und der medial veranlagte George (Matt Damon), der seine Gabe, mit den Toten sprechen zu können, mehr als Fluch denn als Segen auffasst.

In ruhiger, entspannter Erzählweise, mit klaren Bildkompositionen und von einer meistenteils unaufgeregten Kamera eingefangen (abgesehen von der anfänglichen Tsunami-Katastrophe), entfaltet sich hier ein mosaikartiges Gespinst aus Figuren und Lebenslinien, die in einem ebenso undramatischen wie emotionalen Kulminationspunkt zusammenlaufen. Stilistisch ist das auf dem hohen Niveau, das man von Eastwood, der immerhin seit den frühen 70ern Regieerfahrung hat, erwarten kann - ein zurückhaltender Score, die teils schlichten, aber gut getroffenen Bilder und eine Riege toll aufspielender Darsteller (allen voran Matt Damon als an seinem Leben verzweifelnder Helfer wider Willen) bauen die Story, die übernatürliche Elemente wie die Kommunikation mit Verstorbenen mit einer angenehmen Selbstverständlichkeit behandelt, wunderbar altmodisch und zurückhaltend auf. Hier gibt es kaum spekulative Effektgewitter oder eine dramatisch aufgebauschte Handlung; stattdessen stehen die Menschen und ihre individuellen Schicksalsschläge im Mittelpunkt. In dieser Hinsicht ist vor allem eine Szene zwischen Damon und Bryce Dallas Howard grandios, in der sie auf ihr Bitten hin mehr von ihm über sich und ihren toten Vater erfährt, als ihr lieb war - eine enorm emotionale Sequenz, die von beiden hervorragend und intensiv verkörpert wird.

Allerdings schleichen sich hier im Gegensatz zu Eastwoods meisten Regiearbeiten aber auch einige Längen und Durchhänger ein. So entwickelt sich die Story besonders im Anfangsteil doch etwas zu gemächlich - die erste volle Stunde der Laufzeit weiß man als Zuschauer gar nicht so richtig, wohin die Reise nun eigentlich gehen soll. Auch sind manche Szenen doch arg klischeehaft oder unglaubwürdig geraten - vor allem der Tsunami hätte womöglich mit weniger Effekten und Action inszeniert werden können. So ganz glaubwürdig kommt diese spektakuläre Einleitungsszene nicht daher. Auch bleibt dramaturgisch eher fraglich, warum die Handlung sich unbedingt an solchen Ereignissen der jüngeren Historie orientieren muss wie eben dem Tsunami oder den Terroranschlägen von London 2005. Wirklich zwingend ist das nicht, auch wenn beide Ereignisse für die dramatischsten Höhepunkte des Films sorgen.

Von der mitreißenden Intensität, die etwa Eastwood-Werke wie „Million Dollar Baby", „Mystic River" oder „Flags of our Fathers" vorweisen konnten, bleibt „Hereafter" leider etwas entfernt. Eine zu lange Zeit plätschert die Handlung zu lustlos vor sich hin. Dennoch kann der Film mit seiner klugen, differenzierten Herangehensweise an eine der faszinierendsten Fragen der Menschheit ebenso überzeugen wie mit seinem eleganten Handlungskonstrukt, das die einzelnen Figuren erst sehr spät und dann auch erstaunlich unprätentiös zusammenführt. Ein spannendes Was-wäre-wenn-Szenario ist der Film damit allemal, und für diskussionsfreudige Cineasten ganz klar zu empfehlen.

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