Die Kritik beruht auf der ungeschnittenen Fassung, veröffentlicht vom Label Eyecatcher Movies in verschiedenen Hartboxen!
Fabio Testi zählt für mich zu meinen absoluten Lieblingsstars des italienischen Films.
In dem 1976 inszenierten Actionreißer "Racket" läuft er wieder einmal zur Hochform auf und liefert sich unter der versierten Regie von Enzo G. Castellari einen knallharten Kampf gegen ein aufstrebendes Verbrechersyndikat, das ganz Italien mit Terror und Chaos überzieht und keinerlei Skrupel und Erbarmen kennt, wenn es darum geht, Schutzgelder zu erpressen und einzutreiben.
Die Story ist allgemeint bekannt: die Polizei ist dem Treiben der Verbrecher hilflos ausgeliefert und vielmehr darum bemüht, ihr Image in der Öffentlichkeit zu wahren als mit härteren Methoden das Übel an der Wurzel zu packen. Ein idealistischer Commissario (souverän dargestellt von Fabio Testi, allerdings ist Jürgen Thormann als Synchronsprecher gegen den Strich besetzt) ist die Paragraphenreiterei ein Dorn im Auge als er hilflos mit ansehen muss, wie seine Stadt und ihre Bewohner langsam vor die Hunde gehen und brutale Morde und Vergewaltigungen an der Tagesordnung stehen.
Die einzige Möglichkeit, dieser Gangsterbande habhaft zu werden, ist die Bildung einer außerhalb der Legalität operierenden Gruppe von Opfern, die sich dem Kampf weniger aus Idealismus stellen als vielmehr aus persönlichen Gründen wie Rache.
Selbstjustiz als letztes Mittel zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ist ein beliebtes Stilmittel im italienischen Krimi und nimmt auch bei "Racket" einen hohen Stellenwert ein. Wenn das Gesetz versagt zählt nur noch die Devise: "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Diesem Grundsatz bleibt der Film bis zum finalen Showdown treu.
Während jedoch dem Commissario als einzigem daran gelegen ist, die Verbrecher zur Strecke zu bringen, steigern sich die anderen Mitglieder seiner Gruppe in einen wahren Blutrausch und ziehen in bester "Ein Mann sieht rot"-Tradition mit großkalibrigen Waffen in den Feldzug.
Auch die Rekrutierung eines Massenmörders, der bei einem Amoklauf Frauen und Kinder getötet hatte, ist mehr als fragwürdig und verleiht dem Film, insbesondere jedoch dem eigentlichen Sympathieträger Fabio Testi, einen bitteren Beigeschmack, der durch Testis letzte Szene doch noch gebrochen wird:
als Commissario Palmieri sich auf dem Schlachtfeld umschaut bricht er angesichts des Massakers unter der Last seiner Schuld zusammen.
Während in anderen Filmen dieser Machart wie "Die Viper" oder "Die Killermeute" die Hauptfigur als ungebrochener Held aus der Schlacht hervorgeht, zeigt Testis Charakter einen Hauch von Tiefe und lässt ihn an den Ereignissen zerbrechen.
Dies ist dann aber auch das einzige, was "Racket" von anderen Genrebeiträgen unterscheidet, denn ansonsten liegt das Hauptaugenmerk bei Castellaris Inszenierung bei den üblichen Schauwerten, die einen Kracher solchen Kalibers ausmachen: brutale Schießereien mit erstaunlich hohem Bodycount und vielen blutigen Shoot-Outs (wenn denn die Blutkapseln explodierten) und brutale Vergewaltigungen und Schlägereien, die von einem gewohnt fetzigen Soundtrack des Pop-Duos Guido und Maurizio de Angelis untermalt werden.
Inszenatorisch gesehen hat Castellari sehr sorgfältig gearbeitet: auch wenn bei manchem Stuntman trotz Dauerfeuer die Blutkapseln anscheinend nicht explodierten und von Kugeln zersiebte Leichen keinerlei Blutspuren aufweisen, sind dem Regisseur teilweise sehr eindrucksvolle Einstellungen mit teilweise raffinierten Kameraperspektiven gelungen.
Vor allem die Szene, in der der Commissario mitsamt seines Wagens einen Abhang hinunter gestoßen wird, ist - einfallsreich und technisch perfekt umgesetzt - aus dem Inneren des Autos aufgenommen worden und sicherlich ein Highlight des Films.
Die Vergewaltigungsszenen, zwar selbstzweckhaft und nur des Effektes wegen inszeniert, bieten die notwendige Härte, die das Publikum von einem solchen Reißer erwartet.
Abgesehen davon kann "Racket" mit einer guten Besetzung und exzellenten Darstellern punkten. Auch die Dialoge sind Dank einer soliden Synchronisation gelungen, wobei der Film mehr durch harten Realismus überzeugen kann und weniger durch einen gewissen Trashappeal, der meistens Filmen dieses Genre anhaftet.
Alles in allem ist "Racket" ein von Anfang bis Ende unterhaltsamer Actionfilm, temporeich und spannend von der ersten bis zur letzten Minute und ein Highlight des Genre.