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Skandinavische Thriller oder Dramen sind unter Cineasten schon längst kein Geheimtipp mehr. Wie meist ist auch im vorliegenden Fall von BESSERE ZEITEN der deutsche Titel eines Films nicht in der Lage den Originaltitel zu ersetzen oder angemessen zu ergänzen. Wenn es nur Zusatzsprüche sind hält sich der Ärger des Filmfreundes in Grenzen. Wenn aber wie hier SVINALÄNGORNA (in etwa "Schweineställe") in BESSERE ZEITEN übersetzt wird mutet dies schon fast wie eine absurde Verdrehung bzw. sarkastische wirkende Vereinfachung mit ironischer Note an. Von besseren Zeiten kann kaum die Rede sein in dem psychologisch so drastischen Dramas was auf einer Romanvorlage basiert.

Nicht die große dramatische Pose und die vordergründige Schockwirkung ist das Stilmittel von BESSERE ZEITEN. Ganz langsam und mit der stetigen Steigerung sehr authentisch wirkender Rückerinnerungen wird Leena (Noomi Rapace) schmerzhaft mit ihrer Vergangenheit konfrontiert als ihre Mutter im Sterben liegt. Ihre Kindheitserinnerungen werden dem Zuschauer in roher Form immer intensiver präsentiert und wie die Beziehung unter den Familienmitgliedern durch die Alkoholsucht der Eltern schleichend zerstört wird. Die Kinder suchen die Flucht in der Normalität, aber bis heute sind die Schatten der Vergangenheit sehr dunkel und belasten sie bis zur Sprachlosigkeit.

Ein Film der noch lange nachwirkt und im Gedächtnis verbleibt. BESSERE ZEITEN ist dem Mega-Realismus verpflichtet. Keine aufpeitschende Musik will das Gesehene künstlich verstärken, die Bilder des familiären Grauens sprechen für sich. Dabei werden nur die einzelnen Mosaiksteine vor dem Zuschauer ausgebreitet Stück für Stück. Der Film liefert keine vorgekauten Schubladen, Meinungen, Vorurteile oder bietet gar Lösungen an. Es gibt kein klar angezeigtes Gut oder Böse und auch die Eltern werden nicht verteufelt. Die Bilder der Jugend Lenas verknüpfen sich im Knopf des Zuschauers Es baut sich eine Traumatisierung auf die bis heute bei ihr nachwirkt.

Regisseurin Pernilla August liefert ihr Regiedebüt in beachtenswerter Weise ab. Schauspielerisch wird Leena im Erwachsenenalter von einer meiner Lieblingsschauspielerinnen Noomi Rapace in ihrer einzigartigen Form von Zerbrechlichkeit und Selbstbewusstsein angemessen dargestellt. Danach ist wohl mehr oder weniger nach Hollywood (PROMETHEUS, PASSION, DEAD MAN DOWN) abgetaucht um auch in diesen Filmen absolut zu überzeugen. Aber auch in BABYCALL hat sie mir gut gefallen weil sie auch dort schauspielerisch weitgehend auf sich gestellt war und dies meisterte. Die kleine Leena wird von Tehilla Blad auch recht intensiv verkörpert und man merkt ihr die kindliche Zerrissenheit deutlich an. Einzig die Ereignisarmut von BESSERE ZEITEN wird für meinen Geschmack vor allem anfangs etwas zu sehr ausgereizt. Dennoch kann ich für eine deutliche Empfehlung aussprechen.

6,5/10 Punkten

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