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Nachdem die spärlich aussehenden (aber nicht spärlichen) Kredits, begleitet von einer wunderbar schwermütigen Musik Peter Thomas, in der Reihenfolge, Stab, Besetzung, Titel, das Bild von unten nach oben durchlaufen haben, wird der Zuschauer mit Dokumentaraufnahmen des „Prager Frühlings“ konfrontiert. Dokumentaraufnahmen haben immer etwas progressives, weshalb sie auch immer eine ganz bestimmte intellektuelle Sensibilität bedienen. Besonders bei solch bedrückenden Bildern. Aber ich sag mal, ein Hund bleibt ein Hund, auch wenn er auf zwei Beinen geht. Die Szene wechselt in die Gegenwart, ins Jahr 1972. Wo die Redaktion des Magazins „Blitz“ andächtig einem Referat ihres Chefredakteurs Herford über die Sexuelle Befreiung lauscht und der damit verkündeten neuen Marschrichtung ihrer Hochglanz-Postille. Herford möchte mit einer zukünftig offner dargestellten Sexualität, Hemmungen abbauen und veraltete Barrieren stürmen. Wahrscheinlich meint er die Hemmungen der Auflagezahlen beim steigen. Seine Mitarbeiter scheinen bei diesem Thema jedenfalls merkwürdig unruhig auf ihren Sitzen rumzurutschen. Während seines Vortrages wechselt die Szene wieder zurück in das Archivmaterial, und man sieht junge Menschen gegen russische Panzer demonstrieren und Barrieren errichten. Mit dieser politisch sehr gewagten Montage schafft Regisseur Alfred Vohrer es zumindest, dem Zuschauer ein befremdliches Kopfschütteln abzugewinnen und ein rasch aufgekeimtes Interesse, sich dieses Werk trotzdem weiter anzuschauen. Was Chefredakteur Herford unter sexueller Befreiung versteht, zeigt uns Vohrer gleich darauf in der folgenden Szene. Herbert Fleischmann, Fotograph des Blitz-Magazins, reibt mit seinen vorher mit Eigenspeichel angefeuchteten Fingern an den Brustwarzen eines seiner weiblichen Modelle. Dann lichtet er nackte Frauen und Männer dabei ab, wie sie durch einen brennenden Reifen springen. Zitat: „Warum soll ich nicht Titten und Ärsche fotografieren, wenn Titten und Ärsche gefragt sind?!“ Schauspieler Paul Neuhaus, der von Harald Leipnitz synchronisiert wird, ist zwar nicht die Art von Journalist welcher die Texte um die Bilder von Fleischmann erstellen möchte, trotzdem redet er Frauen kontinuierlich mit Schätzchen oder Süße an. Im weiteren Verlauf werden er und Fotograf Fleischmann dann in eine internationale Spionagegeschichte hineingezogen, bei deren Ermittlungen eine senile ältere Dame eine Rolle spielt und doch nicht spielt. Was der Geschichte irgendwie helfen soll, dem Film aber nur im Wege steht. Dass muss aber jeder für sich entscheiden. Ich jedenfalls war etwas verunsichert, da der katholische Filmdienst dieses Werk Vohrers positiv besprochen hat: „Aufwendige Bestseller-Verfilmung mit dem Bemühen, auf unterhaltsame Weise kritische Einblicke in Agententätigkeit und Pressepraktiken zu geben.“ Eigentlich sollte einem ja alles scheißegal sein, wenn ein Buch von Simmel zum Bestseller werden kann, aber was tut man nicht alles für Alfred Vohrer. Sergio Garrone

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