Walt Disney feiert ein rundes Jubiläum mit "Rapunzel - Neu verföhnt": Es ist der fünfzigste Film, den sie auf die Menschheit loslassen.
"Rapunzel" kennen wir alle mehr oder weniger als Märchen der Gebrüder Grimm. Die heutige Nutella-Generation weiß zumindest, dass es sich um ein hübsches Mädchen mit langen, blonden Haaren handelt, die in einem Turm festsitzt.
Das Ur-Grundgerüst der eigentlichen Erzählung bleibt weitestgehend erhalten. Die böse Hexe Gothel entführt Prinzessin Rapunzel (Alexandra Neldel) als Baby und zieht sie als "ihre Tochter" in einem versteckten Turm auf. Dies hat einen Grund: Rapunzels blonde Mähne ist Zauberhaar und verspricht ewige Jugend, so dass die Hexe nie mehr altert (und zumindest wie Cher mit 40 aussieht - Zufall ?!?). Rapunzels Haar wächst und wächst. Also darf Rapunzel den Turm nie verlassen und bekommt von der Hexe beigebracht, dass die Welt draußen eine schreckliche, schlimme wäre. Jedes Jahr sieht Rapunzel an ihrem Geburtstag tausende Lichter am Horizont und hat nur einen Wunsch: Sich die Lichter mal aus der Nähe anzusehen - doch jede Bitte wird von der Mutter im Keim erstickt.
Der flüchtige Dieb Flynn Rider (Moritz Bleibtreu) stolpert aus Versehen in den Turm, als die Hexe auf Reise ist, und wird mit der Brafpfanne niedergeschlagen. Rapunzel entdeckt das Diebesgut, die Prinzessinen-Krone aus dem Schloss, versteckt sie und handelt mit Flynn einen Deal aus: Er führt sie einmal zu diesen Lichtern und wieder zurück in den Turm - dafür bekommt er seinen Schmuck wieder zurück...
Zuerst hätte man MICH warnen sollen und den Film "Rapunzel - The Musical" nennen sollen, denn ich hasse eigentlich nichts mehr wie Gesangs-Szenen in Filmen. Diese machen hier nämlich gut ein Drittel der gesamten Laufzeit aus.
Gut, mit diesem Wehrmutstropfen hatte das Ding eigentlich schon im Vorfeld bei mir verschissen, warum ich mich dennoch zu einer hohen Bewertung entschlossen habe: Disney zaubert mit diesem Film Magie auf die Leinwand, dass Jung und alt gleichmäßig faszinieren wird. Es gibt keinen Zynismus (bis auf eine Mission Impossible-Anspielung) in dem Film, den nur "die Älteren" verstehen. Und trotzdem funktioniert er auch für Erwachsene einwandfrei.
Neldel und Bleibtreu synchronisieren die beiden Hauptprotagonisten fantastisch. Rapunzel ist das kleine, naive Mädchen, dass an das Gute im Menschen glaubt. Sie lebt ihr Leben in dem Turm mit all den moralischen Grundwerten (die vielen in der heutigen Gesellschaft fehlen) und hat ihre ganz eigenen Träume. Schlitzohr Flynn Rider ist das genaue Gegenteil: Mit allen Wassern gewaschen, wortgewandt und immer sich selbst am nächsten geht den Deal ein, und verliebt sich in Rapunzel (wenn auch erst im späteren Filmverlauf), denn, wenn ich ehrlich bin, ich habe selten eine nettere, hübschere (animierte) Frau gesehen.
Um das ungleiche Paar gesellen sich noch aberwitzige Gestalten. Rapunzels einziger Freund im Turm ist das Chamäleon Pascal, dass die beiden begleitet und auch viele Lacher auf seiner Seite hat - sein Charakter zeichnet sich aber aus, Rapunzel zu beschützen und stehts die hütende Hand über sie zu halten.
Hinzu kommt das Schloss-Pferd Maximus, dass sich eher wie der hart dressierte Hund benimmt, und nichts anderes im Sinn hat, als Flynn zu fassen. Man mag es kaum glauben, aber das Pferd hat die meisten Lacher auf seiner Seite - auch wegen der Feind/Feind-Konstellation, die später auf den Kopf gestellt wird.
Es macht einfach nur Spaß diesen Film zu verfolgen. Und auch die Gesangseinlagen stören mich dann nicht mehr so richtig - sooo schlecht sind sie ja dann doch nicht.
Auch wenn der Film angenehm ruhig anzuschauen ist, gibt es einige turbulente Passagen, spannend ist er eh bis zum Schluss (da Flynn Ryder die Geschichte über seinen Tod(!) erzählt). Hektisch wirkt das ganze Geschehen jedoch zu keiner Zeit.
Im letzten Drittel drückt Disney ordentlich auf die Tube, dass neben den ganzen Lachern, der Spannung auch noch Gefühle entstehen. Ich muss gestehen, dass ich mir die Tränen unterdrücken müsste, bevor ich im Saal als "Pussy" abgestempelt werde.
ABER, wenn ein Film mein Herz erreicht, und das tun nicht wirklich viele, hat er aus meiner Sicht eine hohe Punktzahl erreicht.
9/10 Punkten für ein rundum gelungenes Märchen.