Die 70er Jahre des Horrorfilms waren deutlich dominiert vom Tierhorror. Kaum ein Vieh, was damals nicht mutierte und teilweise ganze Heerscharen von Zweibeinern tilgte. Überraschenderweise kam Larry Cohen bereits vor dieser ganzen Schwemme auf eine andere, schräge Idee: Das Niedlichste und Knuddligste, was wir Menschen unser eigen nennen, wird auf der Leinwand zu einem Killermutanten. Ein Baby stürzt sich direkt nach der Geburt auf alles Lebende, um mittels Kehlenbiss seine Mordlust zu befriedigen. Die Grundidee fand Cohen so originell, dass er uns noch mit zwei Nachfolgern beglückte, die allgemein als Wiegen-Trilogie in die Filmgeschichte eingingen. Doch was damals schockte, ist heute doch reichlich verblasst.
Denn „It's Alive" ist trotz der bösartigen Grundidee kein Film, der dem Genre neue Impulse verleihen kann. Wie so oft geht es mit einem harmlosen Einstieg los. Wir sehen idyllische Bilder einer Familie, die ihr zweites Kind erwartet. Frank Davies ist ein fürsorgliches Oberhaupt der Familie, wenngleich John P. Ryan in dieser Rolle sehr bemüht und streckenweise etwas farblos wirkt. Dieses Bild scheint aber auch zu seiner Frau zu passen, welche fast unterwürfig und nach Harmonie dürstend, ihrem Mann zugetan ist. Ihr einziges Kind - der Junge Chris - wird auf der Fahrt zum Krankenhaus noch bei Freund Charlie abgesetzt, um ihn für ein paar Tage außer Haus zu haben. Als wenn die Eltern eine Vorahnung gehabt hätten, was da noch kommen würde, hm...
Den ersten dramatischen Höhepunkt erreicht der Film bereits bei der Geburt des mutierten Babys. Die hektisch geschnittene Szene im Kreißsaal ist durchaus beängstigend. Die Mutter schreit nach ihrem Kind, überall liegen Leichen mit durchgebissenen Kehlen herum. Klar, dass sich hier bereits erste Logiklöcher auftun, denn wie kann ein Wesen hintereinander fünf Leute anfallen, ohne dass sich diese nach der ersten Überraschungs-Attacke mit irgendeinem Skalpell bewaffnet gewehrt hätten? Abgesehen davon, eine Flucht wäre auch eine Möglichkeit gewesen.
Ab hier dreht sich alles um die fieberhafte Jagd nach dem Baby. Dieses krabbelt - aus Sicht des Babys mit eigenwilliger Zerroptik - durch die Botanik und findet bald weitere Opfer. Mit fortlaufender Zeit denkt man als Horrorfan, dass man nun mal mehr von dem Racker sieht, aber bald merkt man, dass die Macher den sonst üblichen Weg, die Kreatur immer öfter ins Bild rücken zu lassen, gar nicht gehen wollen oder - tricktechnisch gesehen - gar nicht gehen können. Dramaturgisch - gerade für einen Horrorfilm - ist das etwas dünn und für viele Zuschauer mit einem Rest von Erwartungshaltung geradezu enttäuschend!
Dafür gerät der Film fast zum Drama, als sich aus der harmonischen Ehe der Davies ein Konfliktherd entwickelt, denn während Frank durchaus mit den Behörden kooperieren will und nach den gehäuften Morden für eine Vernichtung eintritt, ist seine Frau strikt dagegen. Im Hause spielten sich dann verzweifelte Szenen ab, als das Baby von ihr im Keller versteckt wird und dann fliehen kann.
Im Abwassersystem der Stadt dann ein seltsamer Showdown: Frank, der ebenfalls wie die wiederholt dümmlich agierende Polizei die Verfolgung aufnimmt, ist am Schauplatz überwältigt vom Anblick eines deformierten, aber anscheinend hilflosen Babys. Sofort entwickelt er unglaubwürdige Vaterinstinkte, denn der vor wenigen Minuten erst gekillte Kumpel Charlie war schnell vergessen. Jedenfalls will er nun das Baby vor der Polizei retten. Doch vergeblich...
Geht die Geschichte nun eigentlich glücklich aus? Das kommt hier auf den Blickwinkel des Betrachters an, denn es fällt schwer, eindeutig Partei zu ergreifen. Während man in einschlägigen Genrefilmen dem Finale mit dem Dahinschlachten des Monsters zumeist Beifall bekundend beiwohnt, ist dies hier etwas problematischer, da moralische Aspekte durchaus eine Rolle spielen dürften. Es ist immerhin ein Baby, welches durch Launen der Natur entstellt wurde. Larry Cohens Film kratzt zwar nur an der Oberfläche, fördert aber auch mit einem dezenten Unterton ungelöste Probleme unserer Gesellschaft zutage. Der fehlende Zuspruch, den die Eltern gebraucht hätten, wird hier in Ansätzen umrissen, ebenso wie die angedeutete Mediengeilheit, der Frank entnervt entfliehen will. Sogar sein voller Name wird nach dem Massaker im Krankenhaus über den Äther verbreitet, eine schlimmere Bloßstellung kann man sich kaum vorstellen. Dazu der Verlust des Arbeitsplatzes, als sein Chef heimlich seinen Schreibtisch räumen lässt mit den Worten: "Er kommt nicht zurück."
Auch die Gründe, warum das Baby letztlich so zur Welt kam, bleiben spekulativ. Oft ist von Medikamenten die Rede, welche die Mutter während der Schwangerschaft eingenommen hat. Doch das ist nicht bewiesen. Viel interessanter in diesem Zusammenhang ist eine Szene am Anfang des Filmes: Als Frank, zusammen mit anderen werdenden Vätern, im Aufenthaltsraum angespannt wartet, entwickelt sich ein Gespräch über die düsteren Zukunftsaussichten der neuen Generation. Es wird sinniert über mit Schadstoffen belastete Lebensmittel und Smog in der Luft. Für Mitte der Siebziger Jahre ein fast schon visionäres Bild, welches Cohen aufgrund seiner begrenzten Fähigkeiten nicht imstande ist, weiter auszubauen und eine Brücke zu schlagen zur zentralen Thematik des Filmes, was etwas schade ist. Denn als Horrorfilm funktioniert „It's Alive" nur bedingt, doch als Drama oder Thriller geht einiges an Tiefgang verloren.
Doch am Ende des Filmes ist die Lösung des Problems ohnehin nur als vorläufig zu betrachten. Als das Ehepaar Davies im Polizeiwagen sitzt, bekommt der Polizeichef einen Anruf. Als er auflegt, sagt er mit schleppender Stimme: „ In Seattle ist noch so ein Baby geboren worden." Schnitt. Der Film ist aus. Fortsetzung folgt noch in einigen Jahren.
Fazit: Wenn dieser Streifen damals schockte, dann nur wegen der bizarren Thematik, denn Horrorfans werden heute nicht viel mit „It's Alive" anfangen können. Vielleicht würde man die immer noch teilweise vorhandene Mystik dieses Filmes mit einer durchaus berechtigten Herabstufung auf eine 16er Freigabe vollends vertreiben. Im Gegensatz zu Larry Cohens knallbuntem Trashhorror „American Monster" leider wenig fesselnd.