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"Jäger des verlorenen Aliens"

Simon Pegg und Nick Frost teilen das seltene Glück, Hobby und Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben. Die beiden britischen Komiker sind fanatische Filmfreaks, wobei es ihnen vor allem die Genres Horror, Action und Science Fiction angetan haben. Berühmt geworden mit der britischen Sitcom Spaced - in der die zwei ganz ihrer Vita entsprechend als befreundete SiFi-Nerds auftreten -, haben die ehemaligen College-Kumpels im Verbund mit Spaced-Regisseur Edgar Wright auch bereits zweimal ihr cineastisches Fantum auf der großen Leinwand zelebrieren dürfen. Mit der liebevollen Zombie-Persiflage Shaun of the Dead und dem irrwitzigen Actionspaß Hot Fuzz haben sie dabei aber nicht nur seelenverwandte Nerds begeistert, sondern durchaus auch „gewöhnlichere" Zuschauerschichten erschlossen. Ein Punkt an dem vor allem Hollywood gerne auf den bereits ordentlich dampfenden Zug aufspringt. Zumal es diesmal dem Science Fiction-Kino an den Kragen gehen sollte, ein Genre das von der US-Filmindustrie dominiert wird wie kaum ein anderes.

Und wieder trägt das von Simon Pegg verfasste Drehbuch deutlich autobiographische Züge. Die zwei britischen Science-Fiction-Nerds Graeme Willy (Simon Pegg) und Clive Gollings (NIck Frost) machen einen mehrwöchigen USA-Trip der ganz anderen Art. Ausgehend vom Fan-Mekka der Comic-Con in San Diego, tuckern sie per Wohnmobil von einem Alien-Hotspot zum nächsten. Ihr Ziel ist das gerüchteumwucherte militärische Sperrgebiet „Area 51", auf dem die US-Regierung seit den späten 1940er Jahren angeblich außerirdische Lebensformen gefangen hält und erforscht. Ausgerechnet auf diesem Trip läuft ihnen das von einem geheimen Stützpunkt entflohene Alien „Paul" über den Weg. Nach dem ersten Schock beschließen Graeme und Clive ihren neuen außerirdischen Freund auf seiner Flucht zu unterstützen. Keine ungefährliche Aufgabe, sind doch die Verfolger einer dubiosen Regierungsbehörde ihnen bereits dicht auf den Fersen ...

Ähnlich wie Shaun of the Dead und Hot Fuzz ist auch Paul gespickt mit Film-Zitaten und Fan-kulturellen Anspielungen. Vor allem dem Steven Spielberg-Universum wird hier umfassend gehuldigt. So findet beispielsweise das Finale an exakt dem gleichen Ort statt wie in Unheimliche Begegnungen der Dritten Art (Devils Tower National Monument, Wyoming). Pauls Flucht und Versteckspiel vor finsteren US-Behörden erinnert an E.T. und in einer Szene telefoniert Paul sogar mit Spielberg höchstpersönlich um ihm Tipps für kommende Science-Fiction-Projekte zu geben, wobei er in einer Lagerhalle sitzt die frappierend der aus der Endeinstellung von Jäger des verlorenen Schatzes ähnelt.
Natürlich darf auch die von Pegg heiß geliebte Star Wars-(Ur-)Trilogie nicht fehlen. So gibt es beim Betreten einer Kneipe die Country-Variante von „Cantina Band" aus Krieg der Sterne zu hören. Und als Agent Lorenzo Zoil genervt vom ständigen Genöle seiner Chefin kurzerhand das Autofunkgerät mit den Worten „War ohnehin ein langweiliges Gespräch" zerschießt, zitiert er Han Solo, der in einer ähnlichen Situation auf dem Todesstern genauso reagierte. Zu guter letzt trägt Graeme fast den gesamten Film über ein The Empire Strikes Back-T-Shirt und huldigt damit dem Star Wars-Film, der unter eingefleischten Fans als der mit Abstand beste gilt.

Obwohl das Ganze für Kenner und Liebhaber der hofierten Streifen eine Menge Spaß macht, kann Paul mit den beiden ähnlich aufgezogenen Vorgängern nicht so recht mithalten. Alles ist eine Spur platter, braver, weniger subversiv geraten. Zudem verzettelt sich Pegg hier erstmals mit einer Reihe überflüssiger Nebendarsteller, offenbar um die dünne Grundhandlung zu strecken. So sind den drei Flüchtigen neben Lorenzo Zoil auch noch ein Chaos-Agentenduo mit Karriereambitionen, zwei homophobe Hinterwäldler sowie der schießwütige Vater einer unfreiwillig gekidnappten Bibel-Fundamentalistin auf den Fersen.
Der Handlungsstrang um die religiöse Fanatikerin Ruth (Kristen Wiig) ist dann auch der deutlichste Bremsklotz. Nicht nur ist ihre (in Hollywoodproduktionen leider obligatorische) Rolle als Love Interest reichlich überflüssig, auch der aus ihrer Bekehrung durch Paul resultierende Running Gag des ständigen unflädigen Fluchens läuft sich relativ schnell tot. Lediglich eine ebenso hitzige  wie witzige Lagerfeuerdiskussion um den Wahrheitsgehalt der Evolutionsgeschichte ragt aus diesem ansonsten klapprigen Storygerüstteil unterhaltend hervor.  

Ein Volltreffer ist dagegen Animation und Charakter des Titel-(Anti-)Helden. Pauls klischeehaftes Äußeres wird mit dem gelungenen Gag gekontert, dass er als visuelle Blaupause für sämtliche extraterristischen Lebensformen diente. Sein Wesen entspricht dagegen so gar nicht dem gängigen Alien-Bild. Paul ist ein kiffender, kalauernder Vollprolet, der die Menschheit neben wissenschaftlich fundierten Weisheiten auch gerne mal mit dem blanken Hinterteil beglückt. Insgesamt ist er aber ein grundsympathischer Kumpeltyp, der seine zunächst reservierten Reisebegleiter schnell für sich einnimmt.
Dass die Figur so gut funktioniert liegt auch an der gelungenen deutschen Synchronstimme. Multitalent Bela B. (Schauspieler, Comicautor sowie Songwriter, Sänger und Schlagzeuger der Punkrockband „Die Ärzte") stattet Paul mit einem liebenswert prolligen Charme aus, dem man sich auch als Zuschauer nicht lange entziehen kann.

Unterm Strich bleibt nette Unterhaltung, die man sich vor allem als Anhänger des im positiven Sinn nerdigen Komiker-Duos Pegg/Frost nicht entgehen lassen sollte. Auch eingefleischte Spielberg- bzw. Lucas-Jünger dürften mit einem dauerhaften Grinsen über beinahe die gesamte Lauflänge entlohnt werden. Trotzdem kann man froh sein, dass der dritte Teil der „Blood and Ice Cream Trilogy" noch aussteht. Denn als großes Finale nach den genialen Shaun of the Dead und Hot Fuzz wäre Paul dann doch eine mittelschwere Enttäuschung gewesen. Freuen wir uns also auf „The World´s End" (so der vorläufige Arbeitstitel) und hoffen auf eine rein britische Produktion mit Edgar Wright auf dem Regiestuhl.

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