Review

Wir können es relativ kurz halten: Bronté- und Austen-Verfilmungen gibt es reichlich und in gleichbleibenden Abständen immer mal wieder zu bestaunen, als müßte sich jedes Jahrzehnt mal wieder vor Augen halten, was in der Literatur alles noch so drinsteckt an brauchbaren Geschichten und Stoffen jenseits so farbenfroher Bonbonskripte wie "Transformers" oder "Fantastic Four".
Meistens entbieten sich die Briten selbst als Umsetzer ihrer ureigensten Literatur des frühen 19.Jahrhunderts und auch wenn die großen Kostümstoffe kaum noch eine preisverdächtige Besetzung zusammenlocken, bleibt noch genug Material, um daraus ausgezeichnete TV-Verfilmung in Zweiteilerformen für die nächste BBC-Edition zu drehen.

Mit einer 2011er-Variante dieses klassischen Zuschnitts hat wohl bei dem gerade mal in den frühen Dreißigern angekommenen Kalifornier Cary Fukunaga nicht eben gerechnet, sondern eher mit einer zeitgemäßen Modernisierung, doch was der Asia-Amerikaner da abliefert, ist straff nach der literarischen Vorlage angeordnet.
Das Budget ist relativ üppig, die Besetzung motiviert, mit Dame Judi Dench hat man einen namhaften Star auf der Rechnung (wenn auch nur in einer Nebenrolle) und die aufstrebenden Jungmimen dürfen sich mal so richtig ins Zeug legen, so kann Bildung Spaß machen.

Für die Titelrolle hat man die letztjährige Alice ins Boot geholt, die schmalwangige Mia Wasikowska, die hier beweisen kann, wie gut man gegen zu 70 Prozent getrickste Produktionen anspielen kann, während Tausendsassa Michael Fassbender ein weiteres markantes Gesicht ist, dem man den grumpigen Landedelmann mit dem goldenen Herzen und dem düsteren Geheimnis abnehmen kann.
"Jane Eyre" soll neben dem Drama, der Liebesgeschichte und dem emotionalen Aufruhr auch gleich noch eine Schauermär sein und so baut sich die Geschichte von der armen und im Internat schlimm gebeutelten, aber enorm talentierten Gouvernante nach klassischen Motiven auf. Der große düstere Landsitz, seltsame Geräusche, rumpelnde Kamine, wehende Vorhänge. Miss Dench darf als freundliche, wenn auch eher brave Köchin für lichte Momente sorgen und die Liebesgeschichte nimmt ihren tragischen Weg zwischen den Klassenschranken. Atmosphärisch erstaunlich stilsicher erweckt Fukunaga das 19.Jahrhundert in der englischen Wildnis wieder zum Leben, schwelgt in Kostümen, wunderbaren Locations und mistig-grauem Wetter. Zwischen den Bäumen wabert der winterliche Nebel, über die Heide pfeift der Wind und wenn es nicht nieselt, dann regnets.

Den Zuschauer hat Jane dabei immer auf ihrer Seite und die leicht verschachtelte Erzählweise regt nicht nur das Interesse an (der Film beginnt praktisch mit der Flucht Janes von dem Landsitz und arbeitet die Vorgeschichte dann nach und nach von ihrer Kindheit aus auf), sondern setzt schon früh fest, daß da noch Böses auf den Zuschauer wartet. Getreu der Mystery-Struktur wird daraus jedoch keine altertümliche Detektivgeschichte, sondern ein Drama, in dem der Autor geschickt immer wieder Hinweise ausgestreut hat, gemäß derer der nette wie düstere Galan eben doch nicht so kann wie er will.

Wasikowska und Fassbender sind emotional dabei stets auf einer Linie und der der Liaison entgegengesetzte Jamie Bell, der in der Rahmenhandlung einen Gegenentwurf zum verrufenen Adeligen als Gottesmann bietet, ist so wunderbar spröde und trocken, wie man ihn sich nur wünschen kann.
Das bedeutet, "Jane Eyre 2011" ist eine herzerwärmende Schauermär, wie sie einem vorzugsweise weiblichen Publikum nur zu gut die kühlen Winterabende verschönern kann, ohne großen Fehl und Tadel, allerdings auch ohne revolutionäres Aufsehen. Das Ergebnis wäre durchschnittlicher, wäre die Inszenierung nicht so zeitlos, liebevoll und spröde, geradezu anachronistisches bis puristisches Erzählkino, das man prima auch im Schulunterricht präsentieren kann, wo die eckige Prose von vor 180 Jahren meistens nicht eben Begeisterungsstürme auslöst. Anhänger von Innovation und Modernisierungen wird diese Umsetzung zwar ziemlich steril vorkommen, Buchliebhaber werden aber ihre Freude daran haben.
Demnächst dann auch in der DVD-Ecke ihres vertrauensvollen Buchhändlers als besondere Empfehlung. (7,5/10)

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