Bei SHOCKING ASIA handelt es sich um einen weiteren Eintrag in den Kanon des Mondo-Genres, diesmal gar von deutscher Seite, denn Regie führte Rolf Olsen, seines Zeichens Regisseur von so unterschiedlichen Werken wie BLUTIGER FREITAG oder HEUBODENGEFLÜSTER, Schauspieler in unzähligen Heimat- und Revuefilmen, und hier versteckt unter dem Pseudonym Fox Emerson. Jedem sollte klar sein, dass SHOCKING ASIA alles andere als eine seriöse Dokumentation ist. Schon im Vorspann wird denen, die die Titeleinblendung übersahen, von einem Off-Sprecher klargemacht, worum es hier geht. Nichts weniger als die Darstellung „bizarrer Auswüchse der kreatürlichen Existenz“ hat sich der Film auf die Fahne geschrieben. Und hierzu reiste Rolf Olsen mit seinem Team nach Asien, filmte in Indien, Malaysia, China, Japan, immer auf der Suche nach besonders spektakulären, schockierenden, aufreizenden und reißerischen Aufnahmen, die dann im fertigen Schnitt zu einer bunten Mischung aus allen erdenklichen und unerdenklichen Bereichen zusammengewürfelt wurden. Informationen, mit denen man was anfangen könnte, liefert der Film genauso wenig wie einen roten Faden, der die einzelnen Episoden zusammenhalten würde.
Die gezeigten Kuriositäten beschreiten dabei wohlbekannte Pfade. Hier ist so ziemlich alles versammelt, was sich der deutsche Spießbürger der 70er Jahre vorstellen konnte, wenn er die Stichworte Asien und Abnormitäten hingeworfen bekam. Eine religiöse Zeremonie in Indien, bei der sich die in Trancezustände versetzten Teilnehmer Metallstäbe durch die Haut bohren lassen. Japanische Restaurants und Märkte, wo teilweise lebende Waren feilgeboten werden, vor denen die meisten Europäer erschrocken Reißaus nehmen würden. Eine obskure Veranstaltung, in der dem männlichen Geschlechtsteil rituell gehuldigt wird, indem unzählige Personen gigantische Phalli mit sich herumtragen. Ein japanisches Sexmuseum sowie ein Sextheater, in der auch schon mal Folterorgien in Naziuniformen live aufgeführt werden. Frauenwrestling, Prostitution, Wunderheiler. Die Liste könnte endlos fortgeführt werden, denn wenn SHOCKING ASIA eins nie wird, dann langweilig. Tatsächlich hat mich der Film nicht schlecht unterhalten. Ständig passiert etwas Neues, die beiden Kommentatoren versuchen sich gegenseitig in überzogenen Sätzen zu übertreffen, man wird permanent mit Bildern beschossen, die nur dafür gedacht sind, die Sensationslust im Betrachter zu wecken. Unter dem Deckmantel einer Reportage wird dem Zuschauer demnach all das präsentiert, was er sich sonst vielleicht nicht zu beschauen wagte. Es ist allerdings schon bemerkenswert wie der Film fortwährend versucht, seine spekulativen Aufnahmen irgendwie zu rechtfertigen und in einen dokumentarischen Kontext einzubetten, der schlicht nicht vorhanden ist. Hintergrundinformationen erhält man nämlich kaum welche. Weder die gezeigten Religionsriten werden näher beschrieben oder gar hinterfragt noch ergeben sich irgendwelche tieferen Einblicke in die asiatische Kultur.
Anzumerken ist, dass SHOCKING ASIA allerdings niemals in die Niederungen hinabsteigt, die so mancher italienischer Genrevertreter etwa zeitgleich beschritt. Überrascht hat mich auch, dass sich der Film mitunter recht reflektiert gibt. So findet sich zu einer Szene, die befremdliche religiöse Zeremonien zeigt, der Kommentar, dass man nicht vorschnell über diese urteilen solle, da ein Asiat wohl den Marienkult ebenso lächerlich finden würde wie das europäische Publikum die dargestellten Riten. Wenn in einem Restaurant eine Schlange lebend gehäutet wird und ein Gast ihr Blut in einem Glas serviert bekommt, weist der Sprecher darauf hin, dass auch in Deutschland keins der Kälber, die man als Sonntagsbraten verschlingt, sich zu Tode gelacht habe. Innerhalb des Genres sind solche recht intelligenten, wenn auch aufgrund der Wortwahl heute eher albernen Äußerungen keine Selbstverständlichkeit. Ebenso wenig selbstverständlich fand ich die Art und Weise wie die längste Episode geschildert wurde, in der sich ein Transsexueller seiner finalen Operation unterzieht. Sachlich, ohne unpassende Witzeleien, wird der Transsexuelle vorgestellt, der operierende Arzt interviewt und schließlich die Operation gezeigt. Wo andere Mondos sicher sofort zur Stelle gewesen wären, um einige Zoten unterzubringen, nähert sich SHOCKING ASIA doch tatsächlich fast einer halbwegs vernünftigen Reportage.
Demgegenüber stehen dann allerdings auch viele Blödeleien, die wohl dem Zeitgeist geschuldet sind. Wie sich ein Liebespaar in einem obskuren Bordell an allen möglichen Gerätschaften austobt oder sämtliches Inventar dieses skurrilen Sexmuseums kann man wohl nur als trashig bezeichnen. Auch passt die Musik selten zu den Bildern, erinnert eher an einen beliebigen Porno oder Revuefilm. Auf der andern Seite der Skala, nämlich der, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleibt, finden sich ebenso einige Szenen, die jedoch glücklicherweise in der Unterzahl bleiben. Ich glaube nicht, dass es jemandem gibt, der unbedingt sehen möchte wie ein Flughund bei lebendigem Leibe gehäutet oder wie eine Schildkröte von Wilderern quälend langsam erschlagen wird. Für die Zartbesaiteten wird auch die explizite Geschlechtsumwandlung, bei der die Kamera nie wegblendet, eine Qual sein, obwohl ich die Aufnahmen relativ interessant fand. Bestens gefallen haben mir auch einige schon fast poetischen Bilder des Ganges, in dem quicklebendige Badende und halbverweste Leichen sich ein munteres Stelldichein geben. Hier erinnert der Film stellenweise an DES MORTS, wo ähnliche Aufnahmen zum Einsatz kommen, doch rein qualitativ trennen beide Werke natürlich Welten.
Unterm Strich ist SHOCKING ASIA gar nicht mal so schlecht wie man aufgrund seines reißerischen Titels vermuten könnte und sicherlich einer der besseren Mondos. Als Lehrfilm im Rahmen eines kulturwissenschaftlichen Seminars taugt er freilich trotzdem nichts.