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Michael Winterbottom bestätigt meinen ersten Eindruck von ihm, den ich mir gemacht habe, nachdem ich mir "Wonderland" angesehen hatte, mit "I want you" perfekt, besser gesagt, er setzt sogar noch einen drauf. Auch wenn ich erst diese beiden Werke von ihm gesehen habe, dass Winterbottom ein Genie ist, hat sich längst bewährt.
Wo "Wonderland" eine Mischung aus "Requiem for a Dream" und "Amores Perros" ist, spielt auch "I want you" mit fanstastischen, melancholisch anmutenden Bildern und wird so zum optischen Rausch, zum visuellen Meisterwerk, wozu noch grandiose Schauspielerleistungen und eindringliche, gefühlvolle Musik präsentiert wird.
Im Mittelpunkt stehen drei Personen. Martin (Alessandro Nivola), Helen und ein Jugendlicher, der nichts redet und dessen Namen meines Wissens im Film nicht erwähnt wird. Helen und Martin waren einmal ein Liebespaar, bis Helens Vater die Beiden im Bett erwischt und die Beziehung abrupt beendet hat. Aus diesem Anlass entstand ein Handgemenge zwischen Martin und dem Vater seiner Freundin, bei dem Letzterer getötet wurde. Das Paar schmiss die Leiche in das Meer, Martin stellte sich jedoch der Polizei, um zu vermeiden, dass Helen der Mittäterschaft angeklagt wird.
8 Jahre später: Martin ist wieder auf freiem Fuß und sucht die Kleinstadt auf, in der Helen lebt und als Friseusin arbeitet. Diese jedoch hat noch einen Freund, mit dem sie aber bald Schluss macht, da er sie andauernd drängt, endlich miteinander zu schlafen. Der oben erwähnte Jugendliche, dessen Schwester eine Sängerin in einem Club spielt, redet seit dem Tod seiner Mutter kein Wort mehr, verbringt aber seine Freizeit damit, irgendwelche Gespräche aufzunehmen. So auch das Gespräch zwischen Helen und ihrem Freund, als dieser sie zum Sex zwingt. Der "stumme" Jugendliche und seine Schwester veröffentlichen das aufgenommene Tape im Radio. Zwischen dem Jungen und Helen entsteht derweil eine gute Freundschaft, regelmäßig treffen sie sich auch. Martin hingegen versucht, trotz Abratens seiner Psychiaterin, wieder Kontakt zu Helen herzustellen. Zu diesem Zeitpunkt weiß aber noch keiner, welches Ende es nehmen wird.
Einfühlsam, intensiv und vor allem äußerst hart kommt Winterbottoms Werk "I Want You" rüber, das teilweise schon fast stoisch wirkt, bei der Tatsache, dass minutenlang verzerrte Einstellung von Szenen auf dem Bildschirm erscheinen, während im Hintergrund meist Mono- oder Dialoge zu hören sind. Die häufigen Aufnahmen des Strandes und des dazugehörigen Meeres verstärken diesen Eindruck dermaßen, dass der Film teilweise so gefühlvoll, romantisch und melancholisch ist, dass es eine wahre Freude ist, ihn anzuschauen. Aber wie auch schon "Wonderland" spielt "I Want You" nicht nur mit den positiven Seiten des Lebens, sondern er enthält auch allerlei negative Aspekte, aufgrund dieser der Film nachvollziehbar, realistisch und völlig unkitschig macht, was wiederum dem Film jeden Ansatz eines Klischees nimmt. Das Ende bewegt keinen dazu, vor Trauer zu weinen oder vor Glückseligkeit einfach nur loszuschreien oder guter Laune zu sein, es ist neutral, auch wenn ein einschneidendes Ereignis geschieht. Doch genau das spiegelt das Leben wider, Winterbottom will dem Zuschauer gar nicht zeigen, wie schön alles sein kann, er will ihm aber auch nicht sagen, dass das Leben völlig beschissen ist und nur Enttäuschungen mit sich bringt. Auch wenn der Haupthandlungsstrang nicht unbedingt positiv verläuft, gibt es dennoch verschiedene Nebenhandlungen, die ein verdammt gutes Gefühl hinterlassen und den Film zu einem so genialen Erlebnis machen.
"I Want You" ist nicht nur ein Film im herkömmlichen Sinn. Vielmehr erfordert es viel Geduld und Zeit, sich das Meisterwerk anzusehen. Fans des Mainstreams können einen weiten Bogen um den Film machen, denn jeder Ansatz von Kommerz ist nicht erkennbar. Die Schauspieler machen ihre Arbeit auch äußerst überzeugend und bravourös, damit auch in dieser Hinsicht keine negativen Argumente gegenüber dem Film laut werden können. Alles in allem ein Meilenstein des Independent-Kinos, fernab des Kommerzes, aber anspruchsvoll und intensiv. Nichts für schwache Gemüter und für diejenigen, die auf dem "American Pie"-Strom mitschwimmen. 10/10 Punkte

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