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Mir scheint, als genieße Juraj Herz in breiteren Kreisen noch immer nicht das Renommee, welches er nach nunmehr 45 Jahren Regiearbeit unzweifelhaft verdient hätte. Selbst den Fleißigsten und Versiertesten seines Faches ist es nicht zwangsläufig vergönnt, auf inhaltlich, stilistisch und ästhetisch so einzigartige Werke wie "Der Leichenverbrenner" (1968) oder "Morgiana" (1972) zurückzublicken. Mit "T.M.A.", zu dessen Skript er auch inhaltlich Wesentliches beisteuerte, lieferte Herz 2009 einen offenbar bislang leider nur wenig beachteten Beitrag zum Genre des Horrorfilms ab; ein für ihn eher sparsam beackertes Feld und zugleich im Ergebnis die Quintessenz dessen, was den genannten Frühwerken ihren Stellenwert im Filmkanon verleiht (zumindest in meinem Kanon).

Gut möglich, dass die sogartige Düsternis die "T.M.A." atmosphärisch entfaltet (genrebezogen nicht gerade ein unwesentlicher Aspekt) gerade der Tatsache geschuldet ist, dass Herz eben kein typischer Vielfilmer im Horrorbereich ist. Im Überblick lässt sich sein Oeuvre ohnehin kaum kategorisieren, allerdings ruft "T.M.A." (dessen Alternativtitel "Darkness" so aussagekräftig wie programmatisch ist) gerade auch die Märchenverfilmungen von Herz zurück ins Gedächtnis. "Das Neunte Herz" oder insbesondere auch "Die Schöne und das Ungeheuer" aus dem Jahr 1978 sind einerseits Paradebeispiele für den osteuropäischen Märchenfilm, vor dessen fabelhafter, suggestiver Visualisierung die meisten zeitgenössischen Märchenadaptionen geradezu zur Unansehnlichkeit verblassen.  Sicherlich nicht zufällig betonte Herz in seinen detailverliebten Inszenierungen den Horrorcharakter dieser Märchen, was sie nicht nur auch (oder sogar eher?) für ein Erwachsenenpublikum sehenswert macht, sondern ihnen in ihrer Ernsthaftigkeit auch eine zeitlose Wirkung verleiht. Wie armselig albern und fantasielos muten im direkten Vergleich dagegen die meisten jüngeren filmischen Adaptionen dieser Märchen an, deren kreative Einfallslosigkeit oft alleine schon am unpassend schnoddrigen, modernen Sprachgebrauch erkennbar ist.  

Dabei geht "T.M.A." nicht gerade mit einer originell anmutenden Prämisse ins Rennen. Marek, ein ausgebrannter Musiker, kehrt nach Jahren in das abgelegene Dorf seiner Kindheit zurück. Schwarzenstein, das halbverfallene Anwesen in dem er einst nicht gerade unbeschwerte Tage verbrachte, soll ihm als Refugium dienen, um sich zurückgezogen von Sex, Drugs und Rock 'n Roll ganz seiner Malerei widmen zu können. Nicht jeder der Einheimischen empfängt  ihn mit offenen Armen und in den alten Mauern scheint es nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Sehr böse Dinge, deren Ursachen nicht nur in seine eigene Kindheit sondern gar bis in die Zeit des 2. Weltkriegs zurückreichen...

Anders als nahezu die meisten Vertreter ähnlich gelagerter Szenarien bedient sich Herz nun aber nicht einer Anzahl kurzlebiger Schockszenen, welche das Wirken des Anderen, des Fremden, des Bösartigen abbilden um damit um die Aufmerksamkeit des Publikums zu buhlen. Herz setzt vielmehr auf einen allmählichen, nervenzermürbenden Spannungsaufbau und einen Realismus in der Gesamtdarstellung, welcher das Übernatürliche erschreckend natürlich erscheinen lässt. Finstere, dreckige, graue und triste Bilder laden den Zuschauer ein, die Wahrnehmung Mareks zu teilen und die Zusammenhänge zwischen dessen eigener Vergangenheit und den grauenhaften Geschehnissen zur Zeit der deutschen Besatzung zu erfahren.

Menschen, Gebäude, Tiere, selbst die karge Landschaft verschmelzen dabei zusehends zu einem albtraumhaften Gesamtbild, welches paradoxerweise nicht surreal, sondern überaus real wirkt und sich affektiv entsprechend auf den Zuschauer überträgt. Gerade die Rückblenden in die Vergangenheit zeigen den wahren Horror in seiner denkbar grauenhaftesten Form und entlarven zugleich die unbeholfene, ja lächerliche Künstlichkeit so vieler anderer Genrefilme. Dabei sind die Elemente aus denen "T.M.A." sich sehr homogen zusammenfügt nicht einmal genreuntypisch. Modrige Keller, verbotene Türen, nackte Leiber, ein ausgestochenes Auge, eine grausige Amputationsszene - nichts, was nicht unlängst schon (und mehr als) einmal auf Film festgehalten wurde. Aber selten so wenig selbstzweckhaft wie in "T.M.A.". Noch seltener der Beweis, dass die Wirklichkeit grauenhafter ist als jede Fiktion.

Vielleicht kein Meisterwerk, aber nahe dran. "T.M.A." ist hoffentlich nicht der letzte Abstecher von Juraj Herz in das Genre des phantastischen Films.

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