Curtis (Michael Shannon) ist ein bodenständiger Bürger einer amerikanischen Kleinstadt. Er lebt mit seiner Frau Samantha (Jessica Chastain) und ihrer gemeinsamen Tochter Hannah in einem Haus innerhalb der weitläufigen Landschaft, hat einen Job bei einem ortsansässigen Bauunternehmen und versteht sich sehr gut mit seinem Kollegen und Freund Dewart (Shea Wigham). Sein Einkommen, das seine Frau durch Verkäufe auf dem wöchentlichen Flohmarkt ergänzt, ist zwar nicht üppig, aber ausreichend für die Finanzierung des Hauses und der Fahrzeuge. Die Familie seiner Frau kommt regelmäßig nach dem sonntäglichen Gottesdienst zum Essen und auch sonst haben sie genügend Kontakte – einzig das Hannah taub ist, erfordert von den Eltern einen zusätzlichen Aufwand, dem sie aber engagiert begegnen.
Beinahe langweilig scheint das Leben in einer Normalität zu sein, die in ihrer Homogenität sprichwörtlich für den Zustand von Sicherheit steht. Dabei begeht Regisseur und Autor Jeff Nichols nicht den Fehler, zu übertreiben oder in irgendeine Richtung zu dramatisieren. Weder herrscht hier eine heile Welt, noch genügen wenige Ereignisse, um in einen Abgrund zu stürzen. Die Menschen an diesem Ort haben die gleichen Probleme, wie anderswo auch, aber es gibt eine gewisse Stabilität, auf die sie sich verlassen können. Fast dokumentarisch entwickelt Nichols ein komplexes Bild des amerikanischen Kleinstadtlebens, dessen Genauigkeit eine zwingende Grundlage für den radikalen Gegensatz ist, den Curtis in seinen Träumen erlebt.
Die Alpträume, die ihn heimsuchen, vermitteln nicht einfach schreckliche Ereignisse, sondern sind direkt in seine reale Umgebung eingebettet. Während sich am Himmel die Wolken zusammen ballen, Tornados am Horizont auftauchen und es öliges Wasser regnet, sind es vertraute Figuren, die sich im Traum gegen Curtis wenden – sein geliebter Hund, der sich in seinem Arm verbeißt, oder sein bester Freund, der mit der Spitzhacke auf ihn losgeht. Doch die Träume enden nicht einfach, wenn er erwacht, sondern die erfahrenen Schmerzen halten weiter an. Zwar beunruhigt, reagiert Curtis so normal, wie es ein Mann in seiner Situation tut. Er geht zum Arzt und lässt sich Schlafmittel verschreiben, behält die Sache sonst aber für sich.
Doch Nichols hätte die Rolle des Curtis nicht mit Michael Shannon besetzt, hätte er eine einfache Situation aufbauen wollen. Dessen expressives Gesicht vermittelt eine Grenze zum Wahnsinn, die sich auch in seinem Handeln zu manifestieren scheint. Er beginnt Konsequenzen aus seinen Träumen zu ziehen, verschenkt seinen Hund an seinen Bruder, bittet seinen Chef, seinen Kollegen zu einer anderen Arbeitergruppe zu versetzen und baut einen Bunker in seinem Garten. Zudem leidet seine Mutter schon seit vielen Jahren an einer schweren Schizophrenie. Was seine Umgebung, besonders seine Frau, zunehmend irritiert, setzt Curtis mit größtmöglicher Ruhe und Überlegung um. In seinem Verhalten zeigt sich keinerlei Wahnsinn, nicht einmal emotionale Übertreibungen – im Gegenteil kalkuliert er die Kosten des Bunkers genau, vertraut sich bald auch seiner Frau an und ist bereit für eine umfassende Therapie.
Nichols entwickelt zunehmend das verstörende Bild eines Menschen, dessen Verhalten sich den üblichen Beurteilungskriterien entzieht. Selbst die Vielzahl an Klischees, die der Film bedient – die Prophezeiung kommenden Unheils, die erbliche Vorbelastung, die Ausgrenzung innerhalb der dörflichen Gemeinschaft – geben keine Sicherheit im Urteil über Curtis. „Take Shelter“ ist trotz der Horrorszenarien kein Schocker oder Thriller, sondern ein sehr ernst und ruhig erzähltes Drama über den stetigen Verlust des Gefühls von Sicherheit – ein Gefühl, das sich einer logischen Nachvollziehbarkeit verweigert und Jeden ereilen kann. „Take Shelter“ steigert diesen Eindruck noch, bis zu seinem überzeugenden Ende (8,5/10).