Review

Bruder vor Bluter


„Warrior“ ist eine faszinierende, nachvollziehbare und traurige Familiengeschichte. Er weckt Interesse und Lust auf Mixed Martial Arts. Er erhöht nochmal deutlich den Respekt, den man für die drei männlichen Hauptdarsteller Edgerton, Hardy, Nolte hat. Und „Warrior“ unterläuft gekonnt Klischees und Genretypen, ohne diese komplett links liegen zu lassen. Eine Kunst. Und ein understatetes Meisterwerk, das ich mir immer wieder ansehen könnte. Ruhig. Emotional. In sich brodelnd und tobend. Realistische Fighting Action. Edgerton steht erstaunlich seinen Mann. Hardy ist eh eine Naturgewalt. Die familiären Probleme sind gewaltig und tiefsitzend, am Ende noch lange nicht aus der Welt. „Warrior“ hat Gewicht und Bedeutung. Fast im Ausmaß einer griechischen Tragödie. Erzählt wird von zwei unterschiedlichen Brüdern, die nach Jahren der Funkstille in einem riesigen UFC-Turnier aufeinandertreffen. Der eine Lehrer, der andere Soldat. Beide von einer traurigen Vergangenheit und einem alkoholkranken Vater gezeichnet. Beide mit Gefühlschaos und Wut im Bauch. Mal ganz abgesehen von ihrem maximalen Kampftalent und ihrer Geschichte im Ringen. Dennoch sind die beiden ungewöhnlichen Fighter im spektakulär besetzten 16er-Feld dieser Ultrariege natürlich mehr als deutliche Außenseiter und die ungeklärten Probleme sind eine Mischung aus Hemmung und Motivation...

Andere Kampfsportfilme aus Hollywood (wohl selbst die in Richtung eines „Rocky“/„Creed“) hätten das Turnier in „Warrior“ wohl glamourös, laut und spektakulär aufgezogen. Denn immerhin sind auch hier ein paar wirklich massive, flashy und fast etwas comichaft überzogene „Ivan Drago“-artige Figuren am Start, etwa der Russe „Koba“. Aber „Warrior“ geht, wohl noch am ehesten mit „The Fighter“ vergleichbar, einen anderen, sehr viel bodenständigeren Weg. Fantastisch! Fast schon unamerikanisch. Aber fantastisch! Man kann zwar nicht immer ganz die Familienschwierigkeiten und heftigen Vorwürfe aus der Vergangenheit in ihren Details nachvollziehen, vieles bleibt verschwommen, schattig und nur angeschnitten. Aber das Wichtigste, der Kern der Sache, kommt jederzeit rüber. Außerdem überzeugen sowohl Hardy als auch Edgerton selbst Skeptiker wohl sehr schnell eindrucksvoll und aufopferungsvoll realistisch, dass sie durchaus ihre Chance haben gegen die heftigen Tiere dort im Käfig. Alles trieft nur so vor rauen Sensibilitäten, keine der 140 Minuten scheint vergebene Liebesmühe, immer wird der richtige Ton getroffen, nie ins Overacting oder in Klischees abgedriftet. Obwohl dennoch fast alle variiert vorkommen, von der Trainingsmontage bis zur bangen Ehefrau in der Menge. Hardys Nackenmuskeln sind legendär. Es gibt unzählige Gänsehautmomente. Nie wird in Traumfabrikkitsch geschwommen. Nichtmal ansatzweise. Bei „Warrior“ geht - jedem Filmfan, jedem Kämpfer, jedem Sportfan, Sportler und Mensch - das Herz auf. Nein, es springt oft genug über! Das war vor genau einem Jahrzehnt eine massive Überraschung und ein Kinoerlebnis der Deluxeklasse!

Fazit: eines der besten Kampfsportdramas aller Zeiten. Mitreißend. Umhauend. Bockstark. Emotional. Menschlich. Schmerzhaft. „Warrior“ ist einer meiner Favoriten der gesamten 2010er. Selbst mittlerweile ohne Ü-Ei-Bonus. Komplett. Schmalz- und Beinbruch. 

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