Mittlerweile kennen wir sie zuhauf: die Filme, die sich nicht damit zufrieden geben, lediglich einen Handlungsstrang zu erzählen, sondern viele verschiedene, die sich im Laufe des Films bei diversen Gelegenheiten kreuzen. Gerne werden bei diesen Erzählstrukturen die Chronologie völlig außer Kraft gesetzt oder gleiche Szenen zu anderer Zeit noch mal aus einer anderen Perspektive gezeigt.
„Timecode“ ist auch so ein Werk, geht aber noch einen Schritt weiter, was teilweise schwieriger, aber teilweise auch leichter ist, denn er verzichtet auf eine verschachtelte, unchronologische Erzählweise, zeigt dafür aber vier Handlungen auf einmal.
Das heißt im Klartext: Das Rätselraten, welche Szene nun welcher Tageszeit zuzuordnen ist und ob das nun vor dem oder das doch eher danach und wie jetzt eigentlich entfällt. Alles geschieht in Echtzeit, Schnitte gibt es über die gesamte Laufzeit keinen einzigen, in allen vier Bildschirmabschnitten ist immer die exakt gleiche Zeit, was durch die gelegentlichen kleinen Erdbeben noch verdeutlicht wird. Dafür ist die Situation mit den vier Bildschirmen anfangs äußerst verwirrend, ständig hat man Angst, sich zu sehr auf einen Abschnitt zu konzentrieren und in einem anderen etwas zu verpassen. Doch auch daran gewöhnt man sich, denn die Inszenierung rückt doch immer ein Bildschirmviertel in den Vordergrund, beispielsweise durch Verminderung der Lautstärke oder aber auch Handlungsarmut in den anderen dreien, so dass man in diese dann nur gelegentliche Kontrollblicke werfen muss..
Hat man Augen, Ohren und Verstand also erst mal auf die neue Situation eingestellt, kann man den Film tatsächlich endlich genießen, denn er hat durchaus mehr zu bieten als nur eine extravagante Erzählstruktur.
Der Film beginnt mit Emma, die ihrer Therapeutin von ihrem Traum erzählt, in dem ihr Freund Alex im Sterben liegt. Nach und nach werden auch die anderen Bildabschnitte zugeschaltet. Rose und Lauren tauchen auf, ein lesbisches Paar. Rose allerdings hat eine Affäre mit Alex. Alex (gespielt übrigens von Stellan Skarsgård, der hier wirklich großartig ist) weiß eigentlich gar nicht so recht, was er will, hat aber einigen Stress mit seiner Filmproduktionsfirma am Hals, und ahnt daher gar nicht, wie entscheidend diese drei Frauen für den Verlauf seines Tages sein werden.
Das Geniale am Film besteht darin, dass Zuschauer ständig über alle Handlungen Bescheid weiß. Er sitzt wie ein Wachmann vor seinen Videobildschirmen und kann ständig die einzelnen Geschehnisse zu einem Gesamtbild zusammenfügen, weiß also schon um die Auswirkungen bestimmte Dinge auf eine andere Person, bevor diese überhaupt etwas ahnen kann. Und das macht den Film, der eigentlich keine besonders originelle Geschichte erzählt, zu einem originellen Gedankenspiel über all die Dinge, die unser Leben ständig im Verborgenen beeinflussen und vorantreiben, uns aber gar nicht bewusst sind.