Review

Skuriles von den Inseln ist natürlich immer gern gesehen, aber schön schwarzer britischer Humor zieht besser.
Mit "The Guard" ziehen die Nachbarn von der irischen Insel jetzt nach, denn im Post-Guy-Ritchie-Land ist es mit den kleinen, bösen Komödien, die auch wirklich mehr als ein Nischenpublikum erreichen, ohne eine direkte Kopie zu sein, nicht mehr so weit her.
Generell liest man bei "The Guard" (und so jetzt auch hier) immer sofort Parallelen zu dem amüsant-melancholischen "In Bruges", in dem Hauptdarsteller Brendan Gleeson ebenfalls in einer pointiert-nachdenklichen Rolle als Hitman im tödlichen Duett mit Colin Farrell und Ralph Fiennes die belgische Provinz aufmischte.
Wenn man dann noch erfährt, daß John Michael McDonagh, Autor und Regisseur von "Guard" der Bruder von Martin McDonagh, dem Regisseur von "In Bruges" ist, dann wundern stilistische und erzählerische Parallelen nicht mehr ganz so stark.

Den fertigen Film jedoch in ein Schublädchen einzuordnen, fällt genauso schwer wie bei seinem Bruder, denn weder ist "The Guard" ein echter Krimi noch eine typische Komödie, sondern eine Hybride verschiedenster Subgenres, die vor allem die Charaktere herausstellt.
Brendan Gleeson, ein brummiges Kraftpaket in praktisch all seinen Rollen und damit ein stets scheinbar brodelnder Vulkan zwischen Killer und jovialem Freund, fährt hier ein paar Gänge zurück, wenn als titelgebender Kleinstadtpolizist in den Fokus der Ereignisse rückt. Sein Sergeant Gerry Boyle ist nicht der typische Ordnungshüter, wie man ihn sich vorstellt, in der Eingangsszene steht er gerade ziemlich ineffektiv in der idyllischen irischen Landschaft, als ein Wagen mit fünf drogenberauschten jungen Leuten an ihm vorbei in den Tod fährt. Das entlockt ihm aber trotz des Chaos nur einen trockenen Kommentar, bevor er einer Leiche die Taschen filzt und das darin gefundene LSD gleich mal selbst einwirft, woraufhin er den Rest des Tages eigenartig zufrieden vor sich hinstarrend auf dem Bett liegend verbleibt.

Diese Figur zu entschlüsseln, wird zur Hauptaufgabe eines Films, der wie kein anderer die scheinbaren Genreregeln immer wieder biegt und bricht - und man wird als Zuschauer daran scheitern. Nichts wirkt wirklich schlüssig oder vorausberechenbar an Boyles Verhalten und das macht den Reiz des gesamten Plots aus.

Der wiederum entwickelt sich ganz langsam aus einem neuerlichen Leichenfund, dem er sich - widerwillig - mit einem neuen jungen Untergebenen aus Dublin stellen muß. Die ersten Schritte zur Aufklärung kann er zwar machen, doch sein Kollege nervt ihm mit der Copmasche (die mehr als aufgesetzt wirkt) fast zu Tode. Zum Glück gibts bald einen größeren Fall zu bearbeiten (oder eher nicht, denn die Motivation Boyles bleibt das größte Rätsel hier), denn Drogenschmuggler planen einen ganz großen Deal an der Küste von Galway und sogar das amerikanische FBI entsendet Männer, speziell Wendell Everett, einen hageren Farbigen, den Boyle mit dem landesüblichen Spaßrassismus gleich mal aufs Korn nimmt.
Damit zielt der Film auf eine Figurenkonstellation wie in "In der Hitze der Nacht" ab, jedoch wird das nur eine Reminiszenz bleiben, wie die begleitende Rolle von Don Cheadle (der auch produziert) eben genau dies bleibt: begleitend. Eine Nebenrolle, die den Plot ergänzt, ihn aber nicht wirklich anreichert - vielmehr ist Cheadle dazu da, die Figur des Boyle ein wenig zu pieksen, zu fordern, um so etwas von sich preiszugeben.

Auf der Gegenseite zu dem teils sarkastischen, teil engagierten, teils lethargischen Schweiger und Ordnungshüter, den nicht mal seine (allesamt korrupten) Kollegen leiden können, steht eine Trio von Drogenhändlern, die den Begriff überzeichnet fast schon auf die Spitze treiben. Über Literatur, Lyrik und Philsophie diskutierend, während sie einen Halbmilliardendeal umsetzen wollen, amüsieren sich Liam Cunningham, David Wilmot und Mark Strong fast schon zu Tode, während sie nebenbei auch Boyles Kollegen bei einer Kontrolle erschießen - was genau der Auslöser ist, der schließlich Boyle motiviert, aus seiner Trotzhaltung auszubrechen.
Wilmot gibt dabei den intellektuellen Soziopathen, der ganz gern auch über sein eigenes Krankheitsbild diskutiert; Cunningham als geistiger Vorreiter scheint die ganze Umsetzung mit Bestechung an sich mehr Spaß zu machen als das zu erwartende Geld und Strong dürfte als mürrischer, amtsmüder Drogenhändler cum Killer, der von dem typischen Krimiumfeld und seinen Folgeerscheinungen mehr als genervt ist, zum Publikumsliebling avancieren, während er hinter dem Steuer über seinen aktuellen Job vor sich hin mault.

So bricht McDonagh nicht nur mit den Genreklischees, sondern destilliert ausgesprochen komische Momente aus der Situation, gekleidet in wunderbare Naturaufnahmen und ausgelassen komponierte Interieurs, die man schlichtweg nicht so leicht vergessen kann, seien sie nun kitschig, spießig oder erlesen.
Nicht einmal die Rassismuskarte im Weiß-contra-Schwarz-Spielchen zwischen den Beamten darf stechen, stattdessen stichelt Boyle eher mit völlig abgedroschenen Witzchen und provoziert mit der totalen Ironisierung derselben eher Irritation denn Ärger, nicht zuletzt weil sein US-Kollege nämlich wie der Zuschauer ahnt, daß Boyle wesentlich mehr drauf hat, als er zugeben will. Was in Dialogen und im Informationsstand Boyles auch ständig zu spüren ist.

Der Rest des Films ist halb vorausberechenbar, wie aber alles passiert, wie das Eine zum Anderen kommt, ist eine Sache der persönlichen Erfahrung und hier glänzt Gleeson durch dezidierte Übergröße, ohne sich auch nur für eine Sekunde in den Vordergrund spielen zu müssen.
Ein wunderbar entspannter Krimi-Spaß, der nie auf speziell konstruierte Komik wie eben Guy Ritchie setzen muß und der dank McDonaghs Figurenschliff wesentlich mehr Sympathie und Wärme für wirklich alle Seiten transportiert, was mehr ist, als man erwarten darf. Darauf ein Guinness! (8/10)

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