Die Hauptfigur des zweiteiligen Fernsehspiels Tage der Rache, Inspektor Mitchell (Peer Schmidt), wird dem Zuschauer als pflichtbewußt und strebsam vorgeführt. Schon bald jedoch wird seine berufliche Kompetenz auf die Probe gestellt, als sich ein Phantom aus der Vergangenheit mit in Bibelzitate verschlüsselten Botschaften meldet, um Mitch zu terrorisieren. Der Unbekannte hat seinen Sohn entführt. Unbewußt gerät nun der beinharte Inspektor in ein zermürbendes Spannungsfeld, welches von ihm dienstlich wie familiär verlangt, das Richtige zu tun. Doch was macht die Atmosphäre dieses Krimis so speziell?
Vielleicht liegt es am Riß aus dem zeitlichen Kontext, daß Tage der Rache heute ein wenig verstörend durch seine Mischung aus Klassik und Moderne wirkt. Jedoch beeinflussen diese Produktion des Südfunks auch unterschiedlichste Faktoren. Zunächst fällt das zeitgenössische Musikthema von Jonas Haefeli (schweizer Musiker aus dem Anselmo Trend / Krokodil – Dunstkreis) auf, welches durch ein minimalistisches Grundmotiv zu progressiven Rockrhythmen von aufregenden Flötenklängen zum lebendigen Treiben auf den englischen Straßen eine gewisse Unruhe festlegt. Das Bild jedoch zeigt sich im damals noch geläufigen Fernsehformat 1,33:1 Schwarz/Weiß, denn trotz des Startschusses des Farbfernsehens durch Willy Brandt auf der Funkausstellung 1967 kam es erst zur Olympiade 1972 und der Fußballweltmeisterschaft 1974 zu einer weiten Verbreitung der über 2000 DM teuren Geräte in deutschen Haushalten.
Ähnlich wie die Durbridge-Krimis wurde das Drehbuch zu Tage der Rache – The Days Of Vengeance – der Autoren Ted Willis und Edward J. Mason von Peter Badenberg 1:1 aus dem Englischen adaptiert. Das eigentliche BBC-Fernsehspiel, unter der Regie von Harry Carlisle mit William Lucas und Betty Mc Dowall in der Rolle des Ehepaars entstanden, wurde bereits 1960 ausgestrahlt.
Die Ausstattung tut durch eine Konzentration auf zeitlose, britische Eleganz ein Übriges daran, zunächst bei den Bildern Gedanken an Edgar Wallace oder gar frühere Kriminalfilme zu hegen, was jedoch durch die psychische Härte konterkariert wird.
Wenige Hinweise auf zeitgenössische Themen wie der juvenile Delinquent Reg Parrish (Tommi Piper) in seinem annähernden Gammlerlook oder ein haschischkonsumierender Verdächtiger durchbrechen die konservative Kulisse von Tage der Rache. Den eigentlichen Konflikt inszeniert der unter anderem durch die Erfolgsserie Raumpatrouille als versiert anzusehender Fernsehregisseur Theo Mezger mit einem an Depression grenzenden ausgeliefert sein des Menschen hinter dem Gesetzeshüter, was an die Grundstimmung der Filme Damiano Damianis erinnert, ohne diese jedoch zu erreichen.
Am Stück betrachtet fallen sicher Szenen auf, die nicht dem Fortkommen der Geschichte, sondern eher der Erreichung der Gesamtspielzeit dienlich sind. Wünschenswert hätte hier ein Ausbau der Figur des Juweliers Power sein können, die sensationell durch Hans Jaray verkörpert ein Schwarz und Weiß zwischen Unrecht und Recht in eine Grauzone auflösen will.
Photographisch abseits der Verwendung von englischen Außendrehs eher unspektakulär, verlangt doch eine Szene in Tage der Rache besonderes Interesse. Hier haben Inspector Mitchell und sein Kollege Joe West (Günter Strack) einen Aufstieg zu einer Wohnung zu bewältigen, wo sie eine Vernehmung durchführen wollen. Sie entscheiden sich dafür, zeitgleich zwei unterschiedliche Stiegen zu nutzen, die durch jeweils eine Türe erreichbar nebeneinander her führen. Hier läßt sich tatsächlich ein Symbol für die Entzweiung der beiden herauslesen.
Sieht man von einigen leichten Akzenten der Schauspieler ab, sorgt insbesondere Hauptdarsteller Peer Schmidt, der ulkiger Weise auch zwanzig mal den Franzosen Jean-Paul Belmondo synchronisierte, heute durch seine Ähnlichkeit mit Rowan Atkinson für ein britisches Flair, welches man seinerzeit natürlich zum Beispiel an der gebotenen Authentizität durch rechtsgelenkte Fahrzeuge festgemacht hat. Trotz der nie abzulegenden Eigenheiten einer deutschen Produktion ist Tage der Rache immer so ausreichend glaubwürdig, daß man sich dem hervorragenden Spiel hingeben kann.
Das zeitgenössisch brandaktuelle Thema von Kindesentführung, Erpressung und schließlich auch eine Form des Terrorismus eruptiert aus biederer Darstellung. Erst langsam zeichnet sich ein Kontrollverlust ab, wird der Polizist Opfer seiner Pflichterfüllung und zeitgleich gezwungen seine Prinzipien zu brechen. Der Unbekannte fühlt sich in seiner Rolle als Lenker wohl und gerät kaum ins Straucheln. Ein klarer Sieger geht aus dem Ende nicht hervor. Auch wenn Tage der Rache damit letztlich einem grassierendem Trend gebeugt wird, so kann der Schein ob der betagten Vorlage hier auch trügen.
Faktisch ist dem Zweiteiler wohl keine konkret historische Bedeutung beizumessen. Die urige Mischung macht den spannenden Kriminalthriller jedoch zu einem unterhaltsamen Stück des gestrigen Fernsehens. Mindestens auf dem Gabentisch von Genrefans sollte Tage der Rache so eine gern gesehene Aufmerksamkeit darstellen.