Review

Ein junges Pärchen im Wald...
Sie stellt ihm Fragen zu sich, er antwortet aufrichtig. Seinen Fragen über sie weicht sie aus. Schließlich stehen beiden hoch oben über einer waldigen Straße auf einer Eisenbahnbrücke...

Es ist ein bißchen schwieriger einen Kurzfilm als einen Langfilm zu besprechen, außer man zerkaut ihn Wort für Wort und Bild für Bild und verrät bei dieser Gelegenheit gleich noch Plot und Pointe, was dann das Publikum enthebt, ihn sich anschauen zu müssen. Und das wäre angesichts des Produktionsaufwands, der hier für 15 Minuten Film betrieben wurde, doch wirklich mehr als schade.

Denn "Erinnerungen" weiß mit seiner knappen Laufzeit eine Menge zu bewegen, auch wenn ich konstatieren muß, daß er für das Sujet fast schon zu wenig bietet und für die Laufzeitkürze wiederum zuviel. Es ist das alte Problem des unabhängigen Filmemachens, daß es meistens irgendwo an einem Ende ein wenig hapert. Stimmen die Effekte und die Technik, ist der Plot bescheuert, hat man eine gute Story ist die handwerkliche Umsetzung vielleicht bestenfalls diskutabel. In diesem Fall stimmt die Technik, der Aufwand, die Darsteller - allein das Drehbuch kann seine guten, ja besten Absichten nicht ganz unter den Teppich kehren, es riecht ein wenig nach persönlicher Motivation. Und das wiederum kann im schlimmsten Fall etwas aufdringlich wirken.

Das macht aber den Film nicht kaputt, dessen Titel gleich auf mehreren Erzählebenen wunderbar funktioniert. Obwohl nur eine Viertelstunde lang, teilt sich die Geschichte geschickt in drei Teile, die zusammen eine Situation beschreiben, in die jeder von uns, jeder Zuschauer u.U. einmal geraten könnte, bzw. geraten ist.
Zunächst gerät man in ein leicht verwirrendes Pas-de-Deux eines jungen Pärchens im Wald, bei dem sie die Fragen stellt, aber stets klarmacht, daß in diesem Moment sie selbst und ihre Erinnerungen und Erfahrungen keine Rolle spielen. Der volltönende Soundtrack dazu ist zwar generell recht passend, deutet er doch schon ominös an, daß es noch ernster werden könnte, aber ein Hauch mehr Subtilität wäre auch ganz gut gewesen, denn das hat zur Folge, daß man als Zuschauer mehr oder minder nur nach der Pointe der Geschichte hascht. Das ist schade, denn bei all den miesen Darstellern, die uns gewöhnlich die Amateurproduktionen kaputt schießen, agieren Enrico Guzy und Luana Bellinghausen mit geradezu entwaffnender Natürlichkeit, was angesichts der Handlung schon mal eine mehr als ansehnliche Leistung ist.
Im zweiten Drittel dann die Kehrseite der Medaille, erinnert wird sich nun plötzlich aus einer anderen Perspektive, wobei der inszenatorische Aufwand (ich erwähnte schon, daß ein Teil des Films auf einer Eisenbahnbrücke spielt?) mehr als beachtlich und technisch 1A umgesetzt wurde. Gleichzeitig beweist der bis dahin geschlossen intime, auf zwei Personen und einen Drehort fokussierte Film eine beachtliche Bandbreite mit einem enormen Nebenrollen- und Statistencast, ohne daß man dadurch die Stringenz durch überflüssiges Material verwässern würde.
Zum Schlußdrittel winkt dann fröhlich die Literaturgeschichte samt Ambrose Bierces auf den Kopf gestellten "An Occurrence at Owl Creek Bridge", allerdings vergeigt man den Schluß dann etwas mit einer überlangen Message, die schlicht und ergreifend zu wortreich und gedehnt in ihrer visuellen Spartanität ist, um gegen die bisherige inszenatorische Raffinesse anzukommen. Wie schon Woody Allen in "Gott" seine Darsteller sagen ließ: "Wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich sie mit der Post schicken!"

Wie schon erwähnt: das macht die gute Absicht hinter "Erinnerungen" aber nicht vollständig kaputt und was hier mit sicherer Hand relativ geschlossen durchexerziert wurde, ist allen Lobes wert, wobei bei noch etwas mehr Skriptsicherheit durchaus mal ein längeres Projekt in Angriff genommen werden könnte. Kamera, Schnitt, Ausstattung und Effekte sind von ausgezeichneter Qualität und der positiven Botschaft kann ich mich ebenfalls uneingeschränkt anschließen (nur die Darreichungsform, aber nu ja...).
Wenn dann jemand jetzt den Film bei der nächsten Kurzfilmnacht im TV einreichen könnte... (7,5/10)

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