Review

Achtung, wer hier einen „Spiel“-Film im herkömmlichen Sinne erwartet (so wie ich, immer super-spießig, piefig, will immer sehen, was ich schon kenne) – der/die dürfte enttäuscht sein.

Wer jedoch Werbung für mehrtägige Open Air-Rockfestivals sehen oder buchen (Festival-Veranstalter mit Abspielgelegenheit, aufgehorcht!) will, der kommt mit YOU INSTEAD auf seine Kosten. Inklusive Schlammcatchen, Dixie-Klos, Riesenradrunden, Übernächtigung, buntem Sonnenuntergang, schnellem Sex, Alkoholmißbrauch, Übernachtung im Zelt („Nein, das ist eine
Jurte!“) und Rocksongs live ist das volle Programm geboten. Zwischendurch stolpern Haupt- und Nebendarsteller durch mehr oder weniger improvisierte Dialoge und durch's Gelände, das wir zu allen Zeiten und folglich in allen, oft „zauberhaften“, Lichtstimmungen erleben dürfen.

Clou von YOU INSTEAD ist die Herausforderung für die zwei Hauptfiguren, Adam (Rockstar mit Elektronikfreak als Begleitmusikant) und Morello (Keyboarderin einer Feministinnen-Punkband), dass jede/r von ihnen ein Konzert geben muss, sie aber zwecks „Friedensfindung“ per Handschellen
aneinandergekettet sind und sich eigentlich nicht ausstehen können.
Ohne diese, vom Film leider eigentlich unbegründete Antipathie hätte
es ja keinen Streit gegeben, hätte es also keine friedensstiftende
Ankettung gegeben...

Dass der/die jeweilige PartnerIn (juristischer Bürohengst und zickiges Supermodel) gemeinsame Klogänge nicht gern sehen, kompliziert die Lage. Vor allem, wenn Adam und Morello, eng zusammengekettet, auf dem nächtlichen Festivalgelände den Rückweg ins Viererbett verlieren...

Nahezu in Realzzeit gedreht, an fünfTagen während des „T in the park“-Festivals 2010 in Kinross, (Schottland) musste die Crew flott reagieren, wenn sich was in der Umgebung tat. Darunter litten natürlich Details wie Handlung, Charakterisierung, sichtbare Gesichter, Figuren oder deutliche
Großaufnahmen und ausgefeilte Dialoge. (Halb-)Totalen dominieren.
Und wenn gegen Festival-Kulisse angeschrien werden muss, bleiben subtile Mittel außen vor. Doch natürlich gelingen, dem sicher einkalkulierten Zufall sei Dank, wunderbar anrührende oder lebendige Szenen, wie der Titelsong im Auto, die „Ruinierung“ von Morellos Konzert durch den angehängten Adam, oder die gemeinsame Dusche nach dem Schlammbad.

Dabei hilft, dass die zwei Hauptdarsteller selbst MusikerInnen sind.

Natalia Tena, die auch schon in den Harry-Potter-Filmen total punkmäßig Haarfarben und Nasenform wechselte, singt und spielt Akkordeon in einer Band namens „Molotov Jukebox“ und erfreute uns in den Extras zu „Harry Potter und der Orden des Phönix“ mit einem „Christmas Song“ zur Gitarre: „Oh
Santa, take away this blues, bring me something good this year, bring
me some good news... My mother hates me and I ain't got no home, my
baby left me, I got noone to phone. Oh, Santa, I've been a bad girl
you know, but give me some lovin' under the mistle toe. (I really,
really wanted a boyfriend at that time, obviously.)“

Luke Treadaway agierte als siamesischer Zwilling in einer Punkrockband im Film BROTHERS OF THE HEAD und spielte in dieser Mockumentary alle Songs selbst. (Wie praktisch: er konnte dort für YOU INSTEAD üben: In BOTH spielte er „verwachsen“ mit seinem Bruder Harry, in YI heißt es „angekettet an NataliaTena“ zu spielen.)

Fundierteres Konfliktpotential zwischen den beiden hätte mich gefreut. Aber der Konflikt hatte von Anfang an kaum einen Grund, und flammt auch durch die Handschellen nicht weiter auf. Die Inszenierung öffnet den Beiden dafür auch keinen Rahmen:die Kamera ist fast durchgehend zu weit weg oder verweilt nicht lang genug bei den Figuren oder einzelnen Szenen. Das ist bei vielen Filmen so; doch bei YOU INSTEAD passiert auch sonst nicht viel. Die
(Festival-) Atmosphäre ist allemal wichtiger als die Geschichte.
Schade, eine Screwball-Comedy hätte sich angeboten. Waren nicht auch
Katherine Hepburn/Cary Grant in LEOPARDEN KÜSST MAN NICHT
unfreiwillig aneinandergekettet? Irgendwie wohl schon, er muss ja den
Knochen finden. Oder verwechsele ich die Ankettung mit DIE 39 STUFEN?
Egal, jedenfalls laden die jeweils streitenden Screwball-Pärchen zum
Vergleich ein, wobei YOU INSTEAD natürlich unterliegt.

Das Getue mit der jeweiliger Partnerperson verursacht da noch am meisten Trouble, also „Handlung“, doch der Ablauf der Beziehungen ist nicht allzu überraschend. Natürlich werden die spießigen Partnerpersonen getrasht. (Zum Glück für mich sieht das Model tatsächlich gut aus. Ruta Gedmintas...)
Doch das ist auch fast die einzige charakterliche Zutat, die Morello/Adam kennzeichnet; auch da hätte ich mir mehr gewünscht,wenn ich „coolen, freiheitsliebenden, unkonventionellen Rock'n Rollern“ durch den Film folge.

Aber warum erwarte ich von einem „Film zum Festival“ die Handlung eines durchschnittlich langweiligen Machwerks? Oder eines intensiven, charakterbasierten Arthouse-/Mumblecore-Films? Ob Komödie oder Drama, uns fehlte ganz sicher die berauschende, magische Festivalatmosphäre, wenn alles lang vorher geschrieben, geplant und inszeniert ist. Ich sollte mich
also entscheiden, den Film als Festivalportrait von Fanboys zu erkennen, alles zu verzeihen und hier abzubrechen. Vor allem, weil YOU INSTEAD jetzt gerade auf DVD in Deutschland erscheinen soll und bestimmt schon Millionen von unwissenden Filmfreaks unbedingt meine
Review auf OFDB studieren wollen.

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