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Sein Leben noch einmal leben. Eine neue Chance bekommen und neu anfangen. Ein neues Gesicht, ein neuer Weg, neue Möglichkeiten. Wer träumt nicht davon, trotz allem Wohlstand und Glück das man hat, die falschen Entscheidungen rückgängig machen zu können? Und ich rede vielleicht gar nicht mal von den großen Dummheiten, von denen auch, klar, aber ich rede auch von den kleinen Abzweigungen, die man hier und dort genommen hat, und die sich als Unfug erwiesen hatten. Und dabei so große Auswirkungen haben konnten. Nicht im Büro zu sitzen sondern künstlerisch tätig sein zu können. Nicht den desinteressierten Partner an der Seite, sondern die aufregende und wilde Jugendliebe. Nicht das öde Vorstadthäuschen, das irgendwann beim Erreichen der Rente vielleicht mal abbezahlt sein wird, sondern ein Leben im Camper und mit viel Freiheit um die Nase. Oder auch genau umgekehrt …

Arthur Hamilton wird diese Chance gegeben. Sein Leben als leitender Angestellter einer Bank, mit einer langweiligen Frau an der Seite und in einem langweiligen Haus in der Vorstadt, ist in Starre und Ödnis untergegangen. Was ist mit den Träumen aus der Jugend geschehen? Arthur wäre gerne Tennisprofi geworden. Oder Kunstmaler. Jetzt kann er dies alles rückgängig machen! Arthur Hamilton wird sterben, und an seiner Stelle wird Antiochus Wilson das Leben betreten. Er wird gut aussehen. Er wird in Malibu am Strand leben und malen können. Er wird ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit führen können.
Aber wie alle Menschen damals und heute und immer ist Antiochus Wilson mit dem Sein unzufrieden. Die Gegenwart und das Interesse der wilden und aufregenden Nora Marcus, die seine Geister weckt und ihn an das Leben heranführt, führen dazu, dass er im Kreise der Nachbarn Dinge sagt, die besser nicht gesagt werden sollen. Denn die Firma, die Arthur Hamilton hat sterben lassen, bevorzugt es, ihre Geschäfte in aller Stille durchzuführen. Ohne das Gerede eines betrunkenen Malers …

Man stelle sich vor, man könne sich ein neues Gesicht machen lassen, und mit diesem neuen Gesicht dann das Leben führen, von dem man als Jugendlicher geträumt hat. Musik, Sport, Kunst, oder vielleicht auch einfach nur eine Kneipe führen und interessante Menschen kennenlernen. Ich weiß nicht mehr was ich als Kind werden wollte, aber das hier war es sicher nicht. Was für ein Traum. Oder könnte dies nicht auch ganz schnell ein Alptraum werden? Antiochus Wilson merkt sehr schnell, dass er in seinen Entscheidungen nur bedingt „frei“ ist, ein Butler ist an seiner Seite und wacht über alle seine Aktivitäten. Und ist die attraktive Nachbarin Nora wirklich nur zufällig seine Nachbarin? Durch seine eigene, allzu menschliche, Unzufriedenheit gerät Antiochus Wilson irgendwann in einen Alptraum, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Entfremdet er sich einem Paradies, dass möglicherweise von vornherein nicht seines war …

In den 60er-Jahren gab es immer wieder Filme, die mangels besserer Ideen unter dem Oberbegriff Paranoia einsortiert werden können, da sie sich ansonsten jeglicher Kategorisierung verweigern. BOTSCHAFTER DER ANGST oder DIE 27. ETAGE sind solche Filme, aber auch DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE fällt darunter. Immer geht es um Männer, die fremdgesteuert werden oder zumindest das Gefühl haben als ob. Männer, die in eine Situation geraten, die sie nicht beherrschen können, und in der sie Marionetten einer anderen, fremden und geheimnisvollen, Macht sind. Antiochus Wilson hätte die Möglichkeit, gut und unauffällig überwacht ein einzigartiges Leben zu leben, von dem Otto Normalverbraucher zu jeder Zeit nur träumen kann. Aber seine eigene Sturheit und sein Wunsch nach Unabhängigkeit sind zu stark, und er manövriert sich in seinen eigenen Untergang hinein. Ein Gefühl, dass Mitte der 60er-Jahre sicher von vielen, vor allem jüngeren Menschen, so empfunden wurde: In einer Zeit zu leben, in der man selber fremdgesteuert auf eine Katastrophe zugeht, ohne diese wirklich abwenden zu können …

Insofern ist DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE nicht nur ein guter und intensiver Thriller, sondern tatsächlich auch das Bild einer Generation, die sich selber verloren glaubte. Möglicherweise ist dies auch der Grund für die Bacchanalien, zu denen Nora Antiochus verführt, und in denen er erstmals seine Zurückhaltung und Scheu, ja eigentlich seine ganze Spießigkeit, und damit auch das gesamte alte Leben, hinter sich lässt und zu einer Art geistigen Freiheit kommt. Zu einer Lebensweise, die damals gerade begann populär zu werden (bzw., je nach Weltbild, als Beginn des Untergangs galt), nämlich einer Verweigerungshaltung gegenüber den übergeordneten Stellen und der Priorisierung der eigenen Lust in Verbindung mit der Freiheit anderer Menschen. Oder anders ausgedrückt: Party statt Hamsterrad. Dass Antiochus diese gewonnene Lebenseinstellung dann aber auch gegen sein neues Leben wendet, die zwangsläufig immer zu ziehenden Grenzen nicht berücksichtigt, das war so in der Wiedergeburt des Arthur Hamilton sicher nicht vorgesehen.

Vielleicht mag das Ende ein wenig arg pessimistisch sein, vielleicht sind nicht alle Szenen wirklich gut erzählt und wirken manchmal etwas kryptisch, aber im Gesamtbild überzeugt DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE auf ganzer Linie. Ein ernster und dunkler Rock Hudson voller Selbstzweifel, eine sehr erotisch aufgeladene Salome Jens, und eine fast mystische Atmosphäre, changierend zwischen schlimmster Bürokratie und absolut freiem Leben. Beeindruckend und auf eine ganz unbestimmte Art intensiv. Auf jeden Fall aber ein Film, der Gedanken im Kopf des Zuschauers lostritt …


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