Wie schon öfter erwähnt, scheint sich das Found-Footage Genre in all seinen Formen noch nicht totgelaufen zu haben. Immer wieder gibt es auch solide bis gute Vertreter zu vermelden. THE TUNNEL verfügt hierbei über handwerklich unglaublich effektive Mittel, in den unterirdischen Tunnelsystemen Sydney eine beängstigende Atmosphäre zu etablieren, die sich mit den bekannten Klassikern diese Subgenres in jeder Hinsicht messen kann oder diese sogar teilweise an Suspense und Realismus übertrifft. Leider gibt es 2 konkrete Schwächen, die weiter unten angesprochen werden, die den Gruseler vor einer möglich gewesenen Höchstnote bewahren. Dennoch sollte THE TUNNEL ein Pflichtprogramm für Horror- und Found Footage Fans sein. Erhöhter Pulsschlag und erschrecktes Zucken wird garantiert.
Die Geschichte ist recht einfach gehalten. In den unterirdischen Tunnelsystemen Sydneys verschwinden immer wieder Menschen. Ein 4-köpfiges Journalistenteam rund um die junge Natasha (Bel Delia) will dem Thema in geheimer Mission auf den Grund gehen. Bald wird klar, das sie dort nicht allein sind…Wie sie das tun und mit welcher Ausrüstung und Kleidung entbehrt zwar einer gewissen Logik, aber soll hier mal großzügig ausgeklammert werden. Die genaue Beschreibung, in welcher Form das Grauen auftritt, unterbleibt hier ganz bewusst aus Spoilergründen und um das Aha-Erlebnis für jeden Zuschauer offen zu halten.
THE TUNNEL beginnt sehr gelungen mit der Aufzeichnung eines Notrufes, der in vollem Umfang mitgelesen werden kann und der die Panik der Anruferin gut wiedergibt. Danach schließt sich eine Phase von Interviews an, die nach der Zeit des Tunnelbesuchs aufgezeichnet wurden. Interessant und wirklich atmosphärisch extrem gelungen und wahrlich klaustrophobisch fühlt sich THE TUNNEL in den dann später einsetzenden Szenen im Untergrund der größeren und kleineren Räume des Tunnelsystems und engen Schächte an. Hier wird klar, dass Regisseur Carlo Ledesma sich sicherlich mehr als ein Mal PARANORMAL ACTIVITY und BLAIR WITCH PROJECT angeschaut hat, denn THE TUNNEL vereinigt die guten Seiten beider Vorbilder in sich.
Dazu gehört auch die bewusste Entscheidung zur minimalistischen Ausgestaltung der Bedrohung, die nie wirklich vollends sichtbar wird und gerade aus ihrer Nichtfassbarkeit ihre Stärke zieht. Dennoch ist sie sehr effektiv gelungen und immer wenn man meint einen Blick darauf zu erhaschen, bewegt sich die Kamera zu schnell oder es gibt Bildaussetzer. Daran knüpft auch die Abwesenheit von drastischen Gewaltszenen, wie so oft findet das Schlimmste im Kopfkino des Zuschauers statt. Wie angesprochen gibt es leider 2 dramaturgische Entscheidungen die die Macher getroffen haben, die die spannungstechnische Leistung leider etwas trüben.
Zum einen leidet er deutlich durch die zwar genreübliche, aber recht nervige gestaltete, fast 40 minütige Einleitung, die auch anfängliche Spannung erster guter Szenen immer wieder durch eingeblendete Interviewfetzen zunichte macht. Wäre ab einem gewissen Punkt die Kamera nur noch im Tunnelsystem gezeigt worden, würde man als Zuschauer in den letzten 45 Minuten vor Spannung fast das Atmen vergessen. Selbst in einer Szene der größten Panik und der erstmaligen "Inkarnation des Bösen" nach rund 70 Minuten Laufzeit und sogar noch später wird diese Spannung immer wieder durch einen off Text von Natasha und sogar einem Interviewausschnitt von ihr unterbrochen.
Dies wird auch später wieder so ähnlich eingesetzt. Zum anderen wird durch die nachträglich gezeigten Interviews beim Zuschauer ein Rückschluss darauf möglich, wer die Tunneltour eigentlich überlebt hat und überhaupt noch Interviews danach geben kann, obwohl eine anfängliche Texttafel versucht davon abzulenken. Nur deswegen kann ich die vereinzelten Höchstnoten für THE TUNNEL nicht nachvollziehen. Aber vom Faktor der Spannung und Umsetzung der nervenzerreissenden Szenen ist den Machern THE TUNNEL mit knapp über 100.000 australischen Dollar Budget im zweiten Teil des Films ein kleines Found-Footage Meisterwerk gelungen.
7,5/10 Punkten