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Jede Großstadt birgt einige Geheimnisse und je hektischer und unübersichtlicher das Leben in einer solchen pulsiert, umso weniger würde man vermuten, dass sich die größten Mysterien jeweils unter der Erde befinden, wie es in Paris, London und Berlin der Fall ist.
Nach dem beeindruckenden Debüt „Bukarest Fleisch“ liefert Andy Fetscher sein zweites Werk ab, welches erneut auf knallharten Terror setzt.

Vier abenteuerlustige Weltenbummler um Lucia hat es nach Berlin gezogen. Hier treffen sie den Reiseführer, der sich Dante nennt und der Gruppe die versiegelten Tunnel präsentieren will. Doch in den Katakomben stürzt Dante und verletzt sich schwer, bis die Gruppe auf Armin (Klaus Stiglmeier) trifft, einem ehemaligen DDR-Grenzwärter, der spontan seine Hilfe anbietet…

Mit der Location hat Fetscher alles richtig gemacht, da lediglich die ersten und letzten Szenen oberhalb der Stadt spielen, während unter der Erde rasch eine klaustrophobische Stimmung aufkommt. Die vielen verwinkelten Gänge, die Andeutungen über etwaige Nazi-Malereien an den Wänden, merkwürdige Rückstände wie von einer Schießübung der Stasi und Requisiten eines vermuteten Werbedrehs erzeugen eine beklemmende Stimmung, welche latent gesteigert wird.
Derweil untermauert die Verständigungsproblematik die Hilflosigkeit der potentiellen Opfer, da lediglich einer aus der Gruppe gebrochen Deutsch spricht, die anderen jedoch nicht verstehen, was der freundliche, aber auch ein wenig harsch auftretende Kerl von sich gibt.

So lässt der Terror eine Weile auf sich warten, doch sobald Armin sein wahres Gesicht offenbart, ist viel Bewegung und ein zügiger Erzählfluss im Spiel.
Ein paar explizite Gore-Szenen sorgen indes für handfeste physische Gewalt, spätestens, als ein Bauch aufgeschlitzt und anschließend die Haut vom Körper gezogen wird.

Leider impliziert der Verlauf einige Unzulänglichkeiten, die aus irrationalem Verhalten und kaum glaubwürdigen Begebenheiten resultieren. So mobilisieren einige Protagonisten übermenschliche Kräfte trotz schwerer Verletzungen, andere zeigen sich von selbigen fast unbeeindruckt, während entsprechende Gegenmaßnahmen dem Fortlauf der Handlung geschuldet sind, jedoch selten nachvollziehbar erscheinen.
Auch die Motive des Peinigers kommen zu keiner Zeit durch, - den muss man als Sadisten mit entsprechenden Erfahrungen schlicht so hinnehmen.

Allerdings lebt die Bedrohung durch die ungeheuer einnehmende Präsenz von Klaus Stiglmeier, der hier sämtlichen jungen Mitstreitern die Show stielt und mit makaberen Humoreinlagen und einem fiesen Grinsen punktet. Der Umstand, dass zwar hauptsächlich Englisch gesprochen wird, Stiglmeier jedoch mit leicht bayrischem Akzent redet, schadet der Glaubwürdigkeit nur geringfügig und unterstreicht, wie oben angesprochen, die Unberechenbarkeit, welche von dem Deutschen ausgeht.

Im Gesamtbild bietet „Urban Explorer“ einen soliden Genrebeitrag aus dem Bereich Terror und Folter. Er wartet mit einigen deftigen Gewalteinlagen auf, setzt ansonsten jedoch mit Erfolg auf die klaustrophobische Atmosphäre, die aus der Kulisse der verwinkelten Tunnelsysteme resultiert. Die Inszenierung konzentriert sich auf das Wesentliche, wobei die schablonenhaft angelegten Figurenzeichnungen zu dürftig ausfallen, die Präsenz des Schlächters hingegen einige Schwachstellen kaschiert.
Fetschers zweiter Langfilm bietet zwar alles andere als innovativen Stoff, doch die Umsetzung ist einigermaßen unterhaltsam und stimmig ausgefallen, - Genrefreunde können demnach einen vorsichtigen Blick riskieren, sollten aber kein Werk jenseits der gängigen Terrorfilme erwarten.
6 von 10

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