Review

Im Zeitalter der chronischen Einfallslosigkeit, sind es B-Filme wie "Kill List", die geschickt mehrere Genren miteinander verbinden und so für Abwechslung in der Filmwelt sorgen. Dem Briten Ben Wheatley (Down Terrace) ist dies recht eindrucksvoll gelungen, auch darf man hier selbst als Filmkenner behaupten, dass der Verlauf bis zum garstigen Finale unvorhersehbar bleibt. Mit einem geringen Budget, kaum bekannten Mimen, aber einer hervorragenden Regieleistung kredenzt uns Wheatley eine ungewöhnliche Mischung aus Drama, Thriller und Horrorfilm.
Der Ex-Soldat Jay (Neil Maskell) steckt in einer schweren Krise, denn seit acht Monaten hatte er keinen Job mehr, stattdessen streitet er sich jeden Tag mit seiner Frau Shel (MyAnna Buring). Doch sein bester Kumpel Gal (Michael Smiley) hat einen Auftrag an Land gezogen. Und zwar gilt es drei Menschen zu töten, die dubiosen Auftraggeber erweisen sich als sehr großzügig. Doch nicht nur Jays dunkle Seite kommt bei der Erfüllung der Aufträge zu Tage, sondern sie sind auch bald selbst Opfer einer dunklen Machenschaft, die nur einen Ausweg offen lässt, nämlich den Tod.

Bei Wheatly stehen die wenigen Charaktere im Fordergrund und so beginnt "Kill List" fast wie ein Drama. Jay ist seit dem Irak-Krieg ein Wrack, auch bei seinem letzten Auftrag als Killer in Kiew ging etwas schief. Leider hält uns Wheatly gerade dieses wichtige Geschehen vor, jedenfalls hat es Jay drastisch verändert. Einerseits liebender Familienvater, andererseits rastet er wegen jeder Kleinigkeit aus. Und so gibt es täglich Streit mit Ehefrau Shel, die ebenfalls Soldatin war. Auch wenn die Figuren nicht uninteressant sind, hätte sich Wheatley nicht die gesamte erste Halbzeit für sie nehmen müssen. Viel mehr als die ewigen Streitereien hätten Details aus der Vergangenheit interessiert, doch leider lässt "Kill List" in diesem Bereich sehr viele Fragen offen. Immer wieder säht Wheatley kleine Vorzeichen, wie das etwas seltsame Verhalten von Gals Freundin Fiona (Emma Fryer), oder warum ritzt der Auftraggeber Jays Hand mit dem Messer? In beinahe hypnotischen Bildern, die trister und düsterer nicht sein könnten, steuert er seine Charaktere auf einen wahrhaftigen Alptraum zu, der sich schon während der Morde langsam andeutet. So bedanken sich alle Opfer lächelnd bei Jay, bevor er sie skrupellos ins Jenseits schickt. Und hierbei mausert sich Jay zum echten Psychopathen. Bei der Ermordung des Bibliothekars explodiert die Gewalt sogar richtig extrem.

Aufgrund einiger seltsamer Vorkommnisse, wollen Jay und Gal sogar aus dem Vertrag aussteigen, doch die Auftraggeber lassen dies nicht zu. Und bald ist auch noch Jays Frau und sein kleiner Sohn in der Schusslinie. Richtig störend dabei bleibt, dass zahlreiche Fragen offen bleiben. Als Zuschauer kann man zwar viel in die Geschichte hinein interpretieren, dennoch steht man hinterher da und weiß im Endeffekt nichts. Doch immerhin verwandelt sich "Kill List" in den letzten zwanzig Minuten zu einem höllisch spannenden Horrortrip, der mit einem schockierenden Finale aufwartet. Wheatley beweist besonders hier sein Talent als Regisseur, Horrofilme würden sich um solch eine Inszenierung reißen. Zurück lässt uns "Kill List" mit einem unangenehmen Gefühl, aber leider auch vielen unbeantworteten Fragen.
Besonders Neil Maskell (Footsoldier 2, Abbitte) gelingt hier eine glaubwürdige Gratwanderung zwischen Familienvater und eiskaltem Psychopathen. Die niedliche Schwedin MyAnna Buring (Devils´s Playground, City Rats) verkörpert die hysterische Ehefrau Shel, die man als Zuschauer manchmal etwas schwer einschätzen kann. Toll mimt auch Michael Smiley (Shaun of the Dead, Outpost - Zum Kämpfen geboren) den Ruhepol Gal, der im Grunde genommen den eigentlichen Sympathieträger darstellt.

Was ich Wheatley übel nehme ist, dass hinter "Kill List" ein riesiges Fragezeichen steht. Im Grunde genommen wird keine Frage beantwortet, storytechnisch wirft er uns einen Knochen hin, an dem wir selbst zu nagen haben. Dennoch entpuppt sich sein Film als anziehend, allein schon wegen der ungewöhnlichen Figuren, der düsteren Inszenierung nebst hintergründigem Score und vor allem wegen der letzten zwanzig Minuten, die lange im Gedächtnis bleiben. Aber durch die etwas zähe erste Halbzeit muss man durch, dank der tollen Darsteller fällt das nicht so ganz ins Gewicht.

Details
Ähnliche Filme