Im Gegensatz zum enttäuschend einfältigen ersten Teil seiner Dekalog-Reihe erzählt Kieslowski nun eine komplexe Geschichte über ein moralisches Dilemma mit Gefühl, interessanten Metaphern und trotz wiederum recht trister und kühler Inszenierung mit Verständnis für seine Charaktere und nicht mehr mit moralischem Zeigefinger, den zumindest ich im ersten Teil erkennen konnte.
Eine Frau ist schwanger, ihr Ehemann liegt im Sterben, das Kind ist jedoch von einem anderen. Sie liebt beide Männer wahrhaftig, erzählt sie ihrer Vertrauensperson, dem Arzt aus dem selben Wohnblock, der sie zunächst ablehnt, da sie seinen Hund überfahren hatte. Auch sie mag den Arzt nicht besonders, wünscht sie sich am Anfang noch, sie hätte lieber ihn überfahren, anstatt seinen Hund.
Das Kind möchte sie abtreiben, falls ihr Ehemann überlebt, ansonsten würde sie es gern behalten. Doch so eine einfache Antwort , ob Leben oder Tod, kann und will ihr der Arzt zunächst nicht geben.
Später stellt er sich dann als die Person heraus, welche aus persönlichen schmerzlichen Erfahrungen höchstes Interesse daran hat, neues Leben zu fördern, selbst wenn er sich irrt und dadurch die komplizierte Situation der Frau und ihrer 2 Männer nicht vereinfacht: das Baby wird leben.
Der Arzt ist also die zentrale Person in diesem komplexen Stück um Leben und Tod, umso verwirender und nicht schlüssig interpretierbar eine Szene, in der er - in rotes Licht getaucht und einige Ebenen tiefer als die Frau - als eine Art Teufel inszeniert wird. Was überhaupt nicht ins Bild des Charakters passt, der rückblickend (wobei fraglich bleibt, ob wissentlich oder nicht) eine gute Tat vollbracht hat.
Eine Bildmetapher also, die große Rätsel aufgibt, aber im Gegensatz zu Teil 1 möchte ich Kieslowski hierfür nicht kritisieren, denn ihm gelingt es in Dekalog 2 ("Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen!") hervorragend, zu faszinieren und zum Grübeln anzuregen, was mich nach meiner Kritik zu Teil 1 erleichtert und den übrigen Teilen hoffnungsvoll entgegenblicken lässt.
So ist auch die schöne Bildmetapher mit einer Biene, die sich aus einem Fruchtsaftglas mit Hilfe eines Strohhalms ins Leben zurückkämpft - genau wie der schon totgeglaubte Ehemann, sehr gelungen und wirkt ergreifend, nicht billig (wie noch der PC in Teil 1).
Einzig der Bezug zum Gebot wird hier nichtmal deutlich, es gibt zwar einen kurzen Dialog zwischen Frau und Arzt über Gott, doch der Name des Herrn wird auch hier nicht besonders in den Dreck gezogen. So bleibt man überaus rätselnd zurück, auch und vor allem aufgrund der höchst seltsamen Arzt-Teufel? Metapher, doch genau das fasziniert und somit ist Kieslowski hier ein Teil gelungen, der als bereicherndes Vehikel zu weiterführenden Gedanken, ganz im Sinne des Film-Schöpfers, zu bezeichnen ist.