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Die Erforschung fremder Planeten, was muß das doch aufregend sein. Einen Fuß dorthin zu setzen, wo noch niemals zuvor jemand einen Fuß hingesetzt hat. Das ist bestimmt ein mit Worten kaum zu beschreibendes Erlebnis, welches nicht nur das Adrenalin zum Sprudeln bringt, sondern auch die ausgeschütteten Glückshormone ausgelassen durch den ganzen Körper, vom großen Zeh bis zur letzten Haarspitze, tanzen läßt. Das Abenteuer aller Abenteuer, nicht mehr zu toppen, oder? Die neun Männer und Frauen der Mars Base Two leben diesen Traum, sie haben die Ehre, auf sich allein gestellt den roten Planeten im Auftrag der Interplanetary Corporation zu erkunden. Allerdings hat sich die anfängliche Aufregung rasch gelegt. Der eintönige Tagesablauf wird von Routine geprägt, man langweilt sich durch den ereignislosen Tag, ja, selbst die heimtückische Bürokratie hat den Mars bereits längst infiltriert. Doch dann macht Wil (Chuck Hartsell) in einer Höhle eine bedeutende Entdeckung, und damit beginnt der Ärger. Plötzlich steht ein Mann mit einem Raketenwerfer draußen vor der Station und nimmt seelenruhig die Forscher ins Visier. Ein Techniker fängt fremde, unerklärliche Funksignale auf. Wil kehrt in die Marsbasis zurück, benimmt sich jedoch äußerst seltsam und spricht kein Wort, was aber (noch) niemanden zu beunruhigen scheint. Und dann taucht auch noch ein häßliches Monster auf, das mit unseren Marsforschern nicht gerade zimperlich umspringt und dessen Weg zerquetschte Schädel und zerrissene Körper pflastern.

Es ist immer wieder eine Freude, über nahezu unbekannte, mini-budgetierte Independent-Produktionen zu stolpern, die in Sachen Originalität, Charme, Kreativität und Leidenschaft den überwiegenden Teil der erheblich größeren (Hollywoodfilm-)Konkurrenz spielerisch in Grund und Boden stampft. David gegen Goliath in Reinkultur. Was Autor und Regisseur Chance Shirley (Hide and Creep, For a Few Zombies More) hier für ganz wenig Geld auf den Bildschirm gezaubert hat, ist nicht weniger als beeindruckend. Interplanetary steht ganz klar in der Tradition der sympathisch-käsigen Science-Fiction-Monster-Movies vergangener Zeiten (insbesondere - aber nicht nur - von Genrebeiträgen der 1980er-Jahre) und ist einerseits eine Verbeugung vor diesen nach wie vor sehr populären Streifen, während er andererseits aber auch versucht, den Geist dieser Filme ins neue Millennium zu transferieren und zeitgemäß upzudaten. Und dieser Spagat gelingt ihm so vorzüglich, daß der Zuschauer mit einem leicht schizophrenen Gefühl zu kämpfen hat. Phasenweise erinnert Interplanetary so stark an die alten Schinken, daß man denken könnte, er wäre schon vor vielen (vielen) Jahren entstanden. Gleichzeitig fühlt er sich aber auch erstaunlich frisch und sehr modern an. Keine Frage, Shirley hat nicht nur seine Hausaufgaben gemacht, er hat auch jede Menge Herzblut in das Projekt investiert. So drehte er auf altem Super-16-mm-Filmmaterial, bastelte die Sets in liebevoller Kleinarbeit zusammen und setzte zur Gänze auf praktische Spezial- und Make-Up-Effekte. Soweit ich das beurteilen kann, ist Interplanetary CGI-frei.

Und in Bezug auf die von Jonathan und Ramona Thornton kreierten Spezialeffekte wird einiges geboten. Interplanetary ist gewiß kein Gore-Kracher, doch die gezielt eingestreuten Splattersequenzen sind nicht ohne und erinnern in ihren besten Momenten an Roger Corman-Produktionen der Achtziger (Galaxy of Terror) oder Italo-Heuler wie Alien 2 sulla Terra. In der Szene, wo einer unglücklichen Frau langsam der Kopf abgerissen wird und sich die Sehnen und Muskeln bis an die Belastbarkeitsgrenze (und darüber hinaus) dehnen, meint man das Latex fast quietschen zu hören. Beim Monster handelt es sich natürlich stilgerecht um einen Mann im Ganzkörpergummikostüm, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Predator nicht leugnen kann. Die (wenigen) Sets sind hübsch Retro, sehr effizient gestaltet und bieten exakt das, was man in Science-Fiction-B-Movies sehen möchte. Eine besondere Erwähnung verdient das coole Marsmobil, das angeblich aus einem alten Volkswagen gebastelt wurde und mit dem unsere Protagonisten ein wenig über den roten Planten kurven. Die Außenaufnahmen entstanden in Alabama und Nevada, und die kargen Landschaften sind fremdartig genug, um als Marsoberfläche durchzugehen. Wenn dann Männer und Frauen in schicken Raumanzügen und großen, runden Glashelmen (mit einem Pfeil drauf, damit man weiß, wo vorne ist) über dem Kopf durch die Gegend tapsen, ist die Illusion (fast) perfekt. Daß man die Helme zwecks Sonnenschutzes verdunkeln kann, ist nur eine von vielen schönen Einfällen.

Überhaupt ist Interplanetary ungemein witzig, ohne daß ich den Film jetzt als reine Komödie bezeichnen würde. Es ist die Interaktion der Figuren, ihre mit viel trockenem Humor angereicherten Gespräche, die lakonische Art und Weise, wie sie mit der rapide eskalierenden Situation umgehen und ihre unaufgeregte Laissez-faire-Einstellung, die sporadisch für breites Grinsen respektive lautes Gelächter sorgt. In dieser Beziehung erinnert Interplanetary stark an den Kultfilm Dark Star, ein Umstand, der durch die musikalische Untermalung im Stile John Carpenters noch intensiviert wird. Und wie bei Dark Star gelingt es den Schauspielern auch hier, ihre teils klischeehaft skizzierten Figuren zum glaubwürdigen Leben zu erwecken. Das sind Typen, wie wir sie alle kennen (die biestige, paragraphenreitende Chefin (Melissa Bush), der schleimige Arschkriecher (Kevin S. Van Hyning), die heiße Büroschlampe (Amanda Myers), die lockere Type, die nichts aus der Ruhe zu bringen scheint (Mia Frost), etc.), nur daß sie hier eben auf dem Mars ihre Arbeiten verrichten, wo der zu Beginn wahrscheinlich noch vorhanden gewesene Enthusiasmus längst verflogen ist. Und es macht großen Spaß, den teils exzentrischen Figuren bei ihren jeweiligen Tätigkeiten zuzusehen. Die einzigen Vorwürfe, die ich dem ambitionierten Film machen kann, sind, daß er einige Zeit braucht, um in die Gänge zu kommen (zu Beginn ist Geduld gefragt), und daß die eine oder andere Länge den Fluß der Geschichte etwas stört. Ansonsten bekommt man hier ein grundsympathisches und ziemlich smartes Retro-Science-Fiction-Epos mit Creature-Feature-Beilage serviert, welches mit coolen Ideen ebenso wenig geizt wie mit witzigen Situationen und geiler Monsteraction. Großes Genrekino zum kleinen Preis also.

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