Deep in My Mind ist die Nummer 45. Der fünfundvierzigste Film in der Geschichte von Brandl Pictures. Brandl Pictures, das sind die (Amateur-)Filme der Geschwister Günther, Helmut und Monika Brandl. Seit 1998 ist das Trio unermüdlich am Drehen, und im Gegensatz zu den Herren Schnaas, Ittenbach, Rose & Co vermieden sie es bislang geschickt, sich bzw. ihre Arbeiten in eine Schublade stecken zu lassen. Die Brandls wildern quer durch alle Genres, machen vor nichts halt: Action, Fantasy, Drama, Komödie, Mystery, Thriller, Science-Fiction, Western, Erotik, you name it. Und zwischendurch landen sie immer mal wieder im Horrorgenre. Wie mit dem ambitionierten Deep in My Mind, der jedoch weit mehr ist als ein bloßer Horrorschocker.
Im Zentrum des Geschehens steht der erkältete Versicherungsvertreter Elliott Davis (Günther Brandl), der nach einem harten Arbeitstag im Hotel Desdemona Unterschlupf findet. Bevor er sich schlafen legt, ruft er seinen Chef an, um ihm mitzuteilen, wo er die nächste Zeit erreichbar ist. Zu seiner großen Verwunderung bekommt er von diesem jedoch folgendes zu hören: "Wer ist da? - Wollen Sie mich verarschen? - Rufen Sie hier nie wieder an, verstanden? Nie wieder!" Verwirrt wählt er die Nummer erneut, nur um mit dem altbekannten Tüten (kein Anschluß unter dieser Nummer) konfrontiert zu werden. Doch das ist erst der harmlose Auftakt zu alptraumhaften Stunden (oder Tagen?), und Elliotts Aufenthalt im Desdemona Hotel gerät zur Hölle auf Erden.
Deep in My Mind verläßt die üblichen Filmpfade (lineare, nachvollziehbare Handlung, Spannungsdramaturgie, Figurencharakterisierung, etc.) und bombardiert den Protagonisten (und damit auch den Zuseher) mit einer wahren Flut an abgründigen, surrealen Bildern, wie man sie im deutschen Filmgeschäft wohl selten zuvor (wenn überhaupt) gesehen hat. Auf menschlichen Körpern sitzen bizarre Tierköpfe, Leiber schmiegen sich im ekstatischen Taumel aneinander, ein Gekreuzigter wird von zwei grellhäutigen Frauen zärtlich liebkost, ein nackter, blutverschmierter Engel mit stechenden Augen kauert in einem Gang, usw., usf. Bald ist es unmöglich, zwischen Sein und Schein zu unterscheiden. Die Visionen brechen so heftig wie unvermittelt über den Vertreter herein, der angesichts des brachialen Bilderreigens hilflos ist und kaum mehr zu reagieren vermag.
Gefilmt wurden diese Sequenzen in frenetischer Videoclipoptik (inklusive Bildverfremdung, Farbspielereien und Flash-Cuts), und unterlegt sind sie mit einem aggressiven, oft disharmonischen Soundtrack. Das technische Niveau dieser preisgünstigen Produktion ist nicht weniger als erstaunlich; sogar die effektive Snorricam (eine Kamera, die fest am Bauch befestigt ist und das Gesicht filmt, welches somit stets im Fokus bleibt, während sich nur der Hintergrund bewegt) kommt zum Einsatz, um die Verunsicherung des Protagonisten zum Ausdruck zu bringen. Deep in My Mind ist ein abgründiger Horrortrip durch die Gedankenwelt eines Menschen, der sich langsam aber stetig zu einer wahren Phantasmagorie steigert und bisweilen eine herrlich surreale, psychedelische Qualität erreicht. Ein heftiges Mindfuck-Movie voller faszinierender Ideen und kraftvoller Bilder, das mit beachtlichem Aufwand realisiert wurde und sich wahrlich sehen lassen kann.
Die vielleicht schönste Sequenz des Filmes ist ein Streifzug durch einen hinreißend ausgeleuchteten, unglaublich stimmungsvollen Wald, in dem sich allerlei Märchenfiguren tummeln. Das Schneewittchen ist ebenso zu sehen wie das Dornröschen, Frau Holle schüttelt ihre Kissen aus, und das Rotkäppchen wird vom großen bösen Wolf gevögelt. Sehr gelungen ist auch die Sexszene zwischen Elliott Davis und seiner Barbekanntschaft Regina (Carolina Rath), die beide alles geben und eine tolle, intensive Show abziehen. Außerdem soll nicht verschwiegen werden, daß der Streifen überraschend freizügig ausgefallen ist; neben jeder Menge blanker Brüste gibt es auch einige Full-Frontal-Nudity-Shots, die mangels verhüllender Schambehaarung ausgesprochen explizit sind. Erwähnenswert ist noch, daß die über Gesichter und Gehirne wuselnden Maden echt sind, die herumkrabbelnde Kakerlake jedoch ein knuffiger Spezialeffekt ist. Und die schauspielerischen Leistungen sind überwiegend sehr ansprechend; lediglich in einigen Nebenrollen wird etwas unnatürlich und hölzern agiert.
Gedreht wurde Deep in My Mind (der übrigens das Remake einer Brandl-Produktion aus dem Jahre 2003 ist) über 67 Wochen in den Rottal-Studios in Stockahausen sowie on location in Bad Griesbach, Unterhausbach and Plattling von einem kleinen aber engagierten Team, wobei jede(r) Beteiligte gleich mehrere Funktionen übernahm. So ist z. B. Monika Brandl nicht nur in fünf verschiedenen (wenn auch kleinen) Rollen im Film zu sehen (als Rotkäppchen, Pechmarie, Opfer im Wald, Lebende Puppe und Schwein), sondern werkelte auch hinter der Kamera fleißig mit (z. B. als Boom Operator, Continuity Person, Assistant Set Decorator, Bird Model Puppeteer, Make-up Artist, Bodypainting Artist und Orgy Scene Choreographer). Es ist einfach schön zu sehen, daß die talentierten Brandls - im Gegensatz zu den eingangs erwähnten Splatter-Regisseuren - nicht auf der Stelle treten, sondern sich konsequent weiterentwickeln und mutig neue Wege beschreiten. Das Ergebnis ist dann ein starker Film wie Deep in My Mind, der nachhaltig beeindruckt, auch wenn es dem famosen Bilderrausch etwas an Seele mangelt und einen das Geschehen nicht wirklich mitreißt.