Otto - Normal - Der Sinn der Revolution
Mailand im Jahre 1848. Während Aufständen der mailändischen Bevölkerung entsteht eine Revolution gegen die österreichischen Truppen und der Taschendieb Cainazzo kann aus dem Gefängnis fliehen. Vom Volk als Patriot und Anführer einer Revolution angesehen, ist er indes ein simpler Bürger, den Politik in keinster Weise interessieren und davon eh keine Ahnung hat. Er macht sich auf den Weg seinen Freund Zambino zu suchen, der ihm Geld schuldet. Der unterdessen soll jetzt die Revolution anführen und nennt sich Freiheit. Cainazzo trifft den naiven Bäcker Romolo, der durch einen Bombenanschlag sein Hab und Gut verlor. Gemeinsam durchwandern sie die Fronten der Revolution und wissen dabei nie genau, was sie hier tun oder wollen.
Die Halunken, Argentos vierter Film nach seinen 3 Giallos Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (1969), Vier Fliegen auf grauem Samt (1971) und Die neunschwänzige Katze (1971) wird wahrlich die Fangemeinde spalten und gilt auch ohnehin als Exot in Argentos Schaffensphase, da er so absolut gar nicht in seine Filmographie an durchgehend surrealen Horrorfilmen und Gialli passt. Und ohnehin ist dieser Film ein kleiner Bastard, der bisweilen gekonnt Filmgenres kreuzt, vereinigt und miteinander verschmelzen lässt. Denn aus der anfänglichen pessimistischen Grundlage des Filmes entsteht wahrlich schnell die perfekte Revolutionssatire mit dem Buddymovieeinschlag wie man ihn mögt.
Zwei ungleiche Gesellen und doch so gleich bestreiten ihr gemeinsames, doch so sinnloses Abenteuer, ohne denn zu wissen wieso, für wen und wofür? Argento schildert die Revolution als planloses Chaos, in der der Mensch darin verschiedene Ansichten davon hat, wie er seinem Land zugute kommen kann. Die diversen Seitenhiebe und Inszenierungen geizen dabei nicht an komödiantischen Einlagen und ohnehin ist die komplette Ausrichtung des Filmes eher so satirisch ausgelegt um ernst zu wirken. Aber dennoch steckt hinter jeder humoristischen Anspielungung die grausame Wahrheit, der traurige Abgrund, der aber durch das wirre Zusammenspiel der beiden Schwachköpfe Cainazzo und Romolo perfekt überspielt wird.
Dabei wirkt das Ganze indes wie die italenische Reinkarnation von Dick & Doof oder Asterix und Obelix erobern Rom. Szenen, in denen die beiden eine Frau gebähren, während andere im Aufstand kämpfen, führen die Story zwar nicht weiter, begeistern aber ungemein. Und während dann hinter Barrikaden recht unbeholfen Flinten gestopft wird, darf auch mal aufgrund gewisser Überladung eine explodieren oder als Dank durch das Mitwirken am Kriege die Comtesse hintereinander bestiegen werden.
Schön auch schon die ohnehin verwirrende Ausrichtung des Filmes zu Beginn, der nahezu zeigt, dass Argento die Revolution als unbeholfenes, gar sinnloses Medium sieht. Cainazzo soll mit der italenischen Fahne durch die Strassen ziehen, damit er nicht auffällt, weiss aber dabei jedoch nicht, wie seine Landsfarben sind.
Argento zieht die Verteidigung seines Landes ins Lächerliche, dabei strotzt der recht pessimistische Unterton gelegentlich durch, denn während sie unter der Führung eines Führers ihr Land verteidigen, ist es den Oberen egal, wer dafür sein Hemd lässt. Die Inszenierung ist dabei jedoch immer so zynisch, dass mein immer gewillt ist zu Lachen, ohnehin sind die Beiden so schwachmatisch, dass man ihnen nichts zutraut.
Zwei Abbilder von simpler, bürgerlicher und ahnungsloser Gestalt, die aber alsbald merken dass man sie bescheisst und sich auch aufgrund ihrer Unfähigkeit selbst finden. Der egomane unfreiwillig ernannte Patriot, der eigentlich sein Land als Taschendieb bestiehlt, und der reichlich dumme Bäcker, der unbeholfener nicht sein kann. Die Szene, in der ein vermeintlicher Staatsheld sein Leben lässt und um sein Bett gerührte Bürger stehen, verdeutlicht die ganze Ausrichtung des Filmes ungemein, denn die Trauernden fragen sich, was er als Letztes sagte.
Der eine verstand "Tod allen Österreichern", der andere "Für Italien, lang lebe die Revolution" doch nur Cainazzo verstand es richtig: "Leckt mich alle am Arsch".
Der Held der Nation, der einzelne Bürger, heuchlerisch gewürdigt als Held mit Stolz, wenn er sein Leben lässt, doch 5 Minuten danach scheint er schon vergessen, wenn sich die Meute um deren letzte Worte streitet und ihn dabei vom Sterbebett wirft. Die Belanglosigkeit des Menschendasein, des Krieges, wie auch der Freund Cainazzo auf der Seite der Österreicher zeigt. Als Verräter abgestraft und des Geldes wegen jetzt in Freiheit aber Untertan vermeintlicher Mörder an seinen eigenen Landsleuten. Was solls, hauptsache ihm gehts gut. Cainazzo kann das bloss als: "Der arme Kerl, er ist tot" abtun.
Und auch wenn der Film treffsicher zwischen Satire und Kriegsfilm pendelt, dabei immer hinter seiner humorisitschen Fassade pessimistisch und düster ist, unterhält der Film nicht immer. Denn mit 116 Minuten ist der Film mitunter gefühlte 30 Minuten zu lang, diverse Einlagen können nicht zünden, treiben die Story nicht voran oder sind dermaßen in die Länge gezogen, dass der Witz darin auch mehr als unter geht. Das Ende ist indes aber wirklich astrein gelungen, denn Cainazzo erkennt die wahre Bedeutung des Krieges, nachdem sein bester Freund und Begleite Romolo von den Mailändern erschossen wird.
"Sie haben uns alle beschissen"
Fazit:
Die Halunken ist ein humoristischer Exot in Argentos Schaffensphase, der durchweg liebevoll unterhält. Ein Bastard zwischen Revolutions ,- Kriegssatire, Buddymovie und Abenteuer. Der Humor ist dabei treffsicher, zynisch aber hinter seiner Fassade immer recht pessimistisch angelegt. Argento beschreibt die Revolution, den Krieg als sinnlose, wirre Belanglosigkeit, in der es wie immer jedoch um den Vorteil des Einzelnen geht. Die Halunken, aber auch als Seitenhieb zur 68er Bewegung zu verstehen. Ein wirres Disaster, das aber erhebliche Längen aufweist.
68%