Review

Ein Song von Burt Bacharach, der den Zuschauer verleitet, bedächtig mit dem Fuß zu wippen, eine mäßig kreativ animierte title sequence, sowie ein Haufen Mittdreißiger, die sich eine irrsinnige Verfolgungsjagd durch ein Hotel liefern, inklusive stupidem Betthüpfen: In den Swingin' Sixties waren das Versatzstücke, welche in unzähligen heute berechtigterweise in Vergessenheit geratenen Komödien zur Anwendung kamen, um einen dünnen Plot aufzufrischen.
What's New, Pussycat?
ist in vielerlei Hinsicht die Krönung dieser madcap comedies und mit seiner freizügigen Behandlung von Promiskuität jedweder Form sozusagen das verzerrte Spiegelbild der Doris Day/Rock Hudson-Komödien dieser Zeit. Alle oben genannten Elemente stechen einem hier ins Auge, ebenso wie eine comicartige Go-Cart-Jagd und einige Szenen mit hippen Menschen, die zu hipper Musik wild herumhüpfen.
Eine Krönung ist What's New, Pussycat?, weil er unverschämt alle Klischees ohne Rücksicht auf Verluste bündelt. Eine Krönung ist der Film aber auch insofern, als er dank der guten Besetzung, sowie dem ersten Drehbuch von Woody Allen einen enormen Unterhaltungswert besitzt.

Michael James (Peter O'Toole), Pariser Modejournalist und Womanizer hat ein Problem: Er steckt in einer festen Beziehung mit der heiratsfreudigen Carole (Romy Schneider), die er durchaus liebt - Carole ist die einzige Figur im Film, die so etwas, wie lebensechte Gefühle offenbart - doch seine Freiheit will er nicht aufgeben. Aufgrund seiner fatalen Neigung, mit jeder Frau ins Bett zu steigen, der er über den Weg läuft, sucht Michael einen Psychiater auf, Dr. Fritz Fassbender (Peter Sellers). Dieser ist jedoch dermaßen damit beschäftigt, seine eigene Frau zu betrügen, die aus dem Ring der Nibelungen entflohen zu sein scheint, dass Michaels Heilung in weite Ferne rückt.
Entscheidend ist: Alles läuft darauf hinaus, dass jeder jeden betrügt, bis am Ende alle Charaktere (darunter Woody Allen, Paula Prentiss, Ursula Andress und Capucine) in besagtem Hotel landen.

Beim Anblick von Sellers' Fassbender hätte sich Freud wohl im Grabe umgedreht. Mit seiner schwarzen Perücke (wahrscheinlich von Richard III. entlehnt), der Sixties-Brille und dem harten deutschen Akzent schuf Sellers seine neben Dr. Strangelove wohl manischste Figur, die auch aus dem grotesken Goon Show- Universum stammen könnte. Der Grad der Exaltiertheit seiner Figuren war in späteren Zeiten immer auch ein Grad für seine Unzufriedenheit mit dem Filmdreh (man denke an die Panther-Filme der 70er und den extremer werdenden Akzent von Clouseau...). Im Kontext unzähliger einprägsamer one-liner ("Don't you dare call me that again until I have looked it up!") und skurriler Situationen funktioniert die Figur des Fassbender aber ohne Abstriche. Sellers zeigt hier - unmittelbar nach seinem ersten Herzinfarkt - noch einmal seine komödiantische Größe, bevor seine Karriere nach dem Casino Royale-Debakel für einige Jahre ins Straucheln geriet.

Zwar ist Fassbender die schillerndste aller Figuren in What's New, Pussycat?, er überstrahlt seine Ensemblekollegen jedoch nicht. Peter O'Toole als vergnügungsfreudiger Frauenheld ist mehr als nur glaubhaft (besonders als Zwölfjähriger im flashback), der junge Woody Allen ist Woody Allen und Paula Prentiss als Stripperin/Dichterin ist das Sahnehäubchen. Ihre Selbstmordversuche fungieren als ein erstaunlich unschuldiger running gag. Romy Schneider bildet das menschliche Element des Films, zudem verkörpert sie aber auch die gesellschaftlichen Normen, die alle anderen Protagonisten zu umgehen versuchen. Sie versucht Michael in ein geordnetes, häusliches Leben einzubinden und ihn so seiner Freiheit zu berauben. Das suggeriert zumindest der Film. In einer Szene verspricht Michael ihr die Heirat, in der nächsten ist sie in voller Hausfrauenmontur beim Saubermachen zu bewundern. Die Fallschirm fliegende Ursula Andress bildet da einen offenkundig anziehenderen Kontrast.

Überhaupt sind alle Figuren, auf die Michael auf der Suche nach Heilung trifft, in ihrer Individualität fast schon Freaks, zumindest Außenseiter. Ein extremes Beispiel hierfür ist die Gruppentherapie von Fassbender. Michael reiht sich nahtlos in die Reihe dieser Charaktere ein, sie sind in seinen Augen nicht wirklich abstoßend, er nimmt sie als natürliche Gegebenheit hin. Gegen Ende, als die gesellschaftliche Ordnungsmacht in Form der Polizei das Treiben im Hotel stört, raufen sich eben jene Außenseiter trotz all ihrer Konflikte zusammen, um gegen diese Bedrohung ihrer Freiheit anzugehen.

Die Vergnügungssucht der Sechziger wird durch den Film nicht entlarvt (wie z.B. 1968 in The Party), auch befinden wir uns noch vor der Ernüchterung durch Altamont. Das (sexuelle) Vergnügen dient in What's New, Pussycat? ausschließlich der Formation der Individualität durch den Bruch mit gesellschaftlichen Normen. Die Befreiung von den prüden 50er Jahren ist noch spürbar und das Setting in Paris scheint notwendig zu sein, um das Verhalten der Figuren zu begründen. So spiegelt What's New, Pussycat? innerhalb der Möglichkeiten einer unpolitischen Komödie nicht zuletzt seine Entstehungszeit wider und ist geprägt von der counterculture.

Nicht selten wirken die Szenen improvisiert - Allen verlor die Kontrolle über das Script im Verlauf des Drehs an Sellers und O'Toole - als hätten die Macher jede Idee eingebaut, die ihnen am Set kam, egal ob sie etwas mit der jeweiligen Szene zu tun hatte oder nicht. Einige Dialogzeilen stammen daher direkt aus der Goon Show, ("I'll be the one who sees no one touches them for you") andere Szenen passen nur mit viel Fantasie in die continuity der Story. Die Sequenzen im Hotel und auf der Cartbahn (deren Geschwindigkeit und Zerstörungswut z.T. an It's a Mad Mad Mad Mad World von Stanley Kramer erinnert) sind eindeutig zu lang und für nicht wenige Zuschauer wegen ihrem unlustigen Chaos nur schwer zu ertragen. Doch glücklicherweise wird ein dem Ton des Films widersprechendes Ende vermieden. Dank der Hauptdarsteller besitzt der Film bis zur Hotelsequenz auch keine auffälligen Längen.

Die Häufung und Beiläufigkeit von Selbstmordversuchen (vier an der Zahl; inklusive verhinderter Selbstverbrennung in einer norwegischen Flagge; Allen: "I have terrible emotional problems. Could you help me?" - Sellers: "You certainly picked a very odd time to ask me, just in the middle of a suicide.") steht stellvertretend für den vollkommen unrealistischen und deswegen liebenswerten Umgang des Films mit allen 'großen' Themen der Gesellschaft.
What's New, Pussycat ist sicher kein Film für jedermann. Eine allzu große Abneigung gegen diesen nicht gerade subtilen Humor der 60er könnte den Filmgenuss beeinträchtigen. Wer ein Herz für Komödien dieses Jahrzehnts hat oder beim Eheberater mit Filmzitaten auf zu trumpfen gedenkt ("My wife, the creature that ate Europe, is here."), dem sei What's New, Pussycat? empfohlen!

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