[Vorsicht! Spoilerwarnung!]
„Who am I here!?“ [„Wer bin ich hier!?“]
Horrorfilme wie „The Stepfather“ sieht man heutzutage gefühlt selten. Eher zurückhaltend in puncto Blut und Gewalt zeigt sich der Horror hier mehr durch das fortwährende Unbehagen, das man beim Ansehen des Films empfindet. Dafür sorgt vor Allem das großartige Schauspiel von Terry O'Quinn als scheinbar wohlwollender, grinsender Vorzeige-Stiefvater „Jerry Blake“ - ein selbst ausgesuchter Name. Der Clou des Films: Den Zuschauenden wird schon zu Beginn durch eine Rückblende offenbart, dass der „Stiefvater“ tatsächlich ein mordender Psychopath ist – seine letzten Opfer ließ er tot in ihrem Haus zurück und er bricht dann auf, um mit einer anderen Identität neue Opfer zu suchen. Es spielt sich eben nicht nur eine Psychose im Hirn der weiblichen Protagonistin des Films (die Stieftochter) ab.
Zur Handlung: Der „Stiefvater“ ist ein gewaltlüsterner Irrer, der von einer alleinerziehenden Mutter zur nächsten zieht – mit anderem Namen und verändertem Äußeren, doch immer mit der gleichen krankhaften Verhaltensweise: Er spielt den netten Liebhaber, den netten Stiefvater, verschenkt Haustiere und redet gut zu. Doch in ihm schlummert etwas, das ihn immer wieder aus der Fassung bringen lässt. Von den kleinteiligsten Dingen enttäuscht, staut er seinen Frust in sich zusammen, bis er sich dessen mordend entledigen muss... Der Film ist visuell aber gar nicht besonders blutig, was ihm keinen Abbruch tut. Das unterscheidet ihn übrigens von den meisten anderen Slasher-Filmen der 1980er Jahre, sodass man ihn nicht ganz zu Unrecht auch eher als Psychological Thriller betrachten könnte, denn als Horrorfilm.
Die Handlung baut von Anfang an eine Spannung auf, die sich bis zum Ende des Films durchzieht: Die Protagonistin Stephanie spürt, dass etwas mit dem neuen Freund ihrer Mutter nicht stimmt. Er ist an der Oberfläche freundlich, doch spätestens, als sie ihn zufällig bei einem Aggressionsausbruch ertappt, wird ihr klar, dass etwas hier im Argen liegt. Ihr Psychotherapeut glaubt ihr, wird aufgrund ihrer Erzählungen ebenfalls misstrauisch, trifft den Stiefvater sodann unter einem Vorwand und – stirbt den nächsten Filmtod, weil er zu offensichtlich in der Psyche von „Jerry“ herumgebohrt hat, der die Falle des Psychologen riechen konnte. Nebenbei sucht der Bruder eines früheren Opfers ebenfalls nach Blake, um weitere Morde zu verhindern. Das ist an sich eine spannende Nebenhandlung, die leider etwas zu jäh und vorhersehbar beendet wird: Er trifft erst bei Blake, seiner neuen Frau und Stephanie ein, als der Showdown bereits im Gange ist und wird - mit ein wenig zu viel Filmtempo - von Jerry dahingerafft.
Ein Schlüsselmoment im Film ist die Szene, in der er endgültig entlarvt wird: Hier vergisst er kurz seine Rolle und seinen neuen Decknamen, und stellt seinem eigenen Spiegelbild die wichtige Frage: „Wer bin ich hier?“ Das wirft noch mal einen erleuchtenden Blick in das bizarre Innere des Antagonisten und gibt eine Ahnung, wie es um seinen mentalen Zustand bestellt ist, was sein ganzes vorheriges Schauspiel noch umso grotesker und gruseliger macht. Genau darin liegt die große Stärke dieses sehr guten Horrorfilms: Er benötigt keinen bildgewaltigen Terror, keine kreativen Gewaltorgien, sondern zeichnet eine Geschichte, die sich durchaus so oder zumindest annähernd ähnlich in der realen Welt abspielen könnte.
Der Film bekommt von mir ganze 9/10 Punkte. Hier stimmt so ziemlich alles: Spannung, Horror, Atmosphäre sind auf gleichbleibend hohem Niveau; keine Minute fand ich hier zäh oder langweilig. Durch die stramme, in sich schlüssige Handlung, die kompakt erzählt wird und sich auf das Nötigste beschränkt, lässt der Film weder Langeweile, noch Logiklöcher aufkommen. Das Einzige, was man eventuell negativ hervorheben könnte, ist die nicht ganz ausgearbeitete Charaktertiefe der Nebendarsteller (etwa die Mutter der Protagonistin, die eine nahezu irrelevante Rolle spielt oder der Bruder, der auf der Suche nach Blake ist) – da hätte man noch mehr herausholen können. „The Stepfather“ bleibt aber ein stimmiger, unterhaltsamer, sehr atmosphärischer Horrorfilm, der leider immer etwas übersehen wurde, mittlerweile aber zu dem Kultklassiker geworden ist, der er verdient, zu sein.