Neben all den zahlreichen Meisterwerken aus Godards Frühwerk (1960 bis 1969) ist „Made in USA" (allenfalls noch „Une femme est une femme") wohl die einzige Entgleisung die sich Jean Luc Cinema Godard geleistet hat. Das liegt vermutlich daran, dass Godard weder assoziativ verknüpfte Überlegungen zu explizit politischen, philosophischen und ästhetischen Fragestellungen liefert wie in „Les carabinieris", "2 ou 3 choses que je sais d'elle" (1967) oder "1 + 1", noch eine verfolgbare Geschichte im Stile von "Bande a part", "A bout de souffle" oder "Alphaville" erzählt, die er so schön mit Zitaten aus dem Genrekinos Hollywoods geschmückt hat.
Dabei hat es zunächst den Anschein, als würde Godard genau das machen - eine konsequente (Kriminal-)Geschichte als Neuinterpretation filmischer Verfahrensweisen vorführen: Einen Humphrey Bogart Film im Walt Disney Stil wollte Godard erzählen, als er einen Roman von Richard Stark (= Donald E. Westlake) zerfledderte. Jedoch zertrümmert er die Handlung dermaßen, dass der Zuschauer kaum noch Fixpunkte hat, an denen er das filmische Wirrwarr greifen und dann lesen kann. Dass es dazu kam, hat durchaus seine Gründe, denn der Film - den Godard quasi Rücken an Rücken mit "2 ou 3 choses que je sais d'elle" drehte - ist eigentlich eine Auftragsarbeit, ein spontaner, unüberlegter Freundschaftsdienst: Beauregard ruft eines Tages Godard aus heiteren Himmel an und bittet ihn möglichst schnell einen Film für ihn zu drehen (denn damit war es erst für ihn möglich Gelder zu leihen) und Godard sagt zu: "Lassen Sie mir einen Tag Zeit oder auch nur zwei Stunden, damit ich mir wenigstens aus der Buchhandlung nebenan einen Krimi holen kann; den nehmen wir als Vorlage, und dann haben Sie ihren Film." (Godard: Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos) Kurz: Godard arbeitet wie ein Jacinto Molina oder Jess Franco und das wirkt sich erheblich auf die Qualität des Films aus und auch Godard selbst sagt: "Das erklärt vielleicht, warum er nicht gut ist, weil soviel Konfuses darinsteckt." (Godard: Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos)
Zu Beginn schickt Godard seine Lebensgefährtin Anna Karina auf die Suche nach ihrem Verlobten Richard - und lässt sie auf ein Skelett im Zahnarztsessel Dr. Korvos treffen: der Totenschädel ist bandagiert, mit künstlichstem Filmblut verschmiert, die Glubschaugen ruhen noch in den Höhlen, das Anlitz dreht sich (Psycho-Like) langsam dem Betrachter entgegen. Ihr an die Seite will er den schmierigen Spion Typhus stellen - bzw.: er will es nicht, denn Karina haut ihm ihren Pfennigabsatz an die Schläfe und schleift den Bewusstlosen von dannen, versteckt ihn bei dem Poeten, der an seinem unendlichen Roman arbeitet und den Tönen seiner musizierenden Geliebten lauscht bis diese bald darauf unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden werden. Tonbandaufnahmen tauchen auf und werden wieder und wieder abgespult: Richard kommentiert kommunistische Ansichten (die Godard jedoch nicht wirklich nutzt um dem Film eine wirklich politische Richtung zu geben). Zwielichtige Spione, Gangster und Polizisten kommen und gehen, Anna Karina (immer schön dramatisch von der Filmmusik in Szene gesetzt wenn überhaupt nichts passiert - diesen Scherz treibt Godard dann 19 Jahre später in "Detektive" auf die Spitze) scheint zu wissen wer wann wo was wollte, der Zuschauer tappt jedoch im Dunkeln. Dann erscheint ein Gangsterboss, der seinen Gehilfen Jean Pierre Leaud den ganzen Film hindurch ohrfeigt und herumschubst und Karina andauernd beobachtet. Karina kann dann eben diesem Gangster am Ende ein Geständnis entlocken und ihn beseitigen (mit Hilfe des Poeten, den sie ebenfalls um sein Leben bringt) und schießt ("Wenn du sterben müsstest, würdest du es lieber plötzlich tun oder nach einer Vorwarnung?" "Plötzlich!") ohne jede Warnung auch Leaud über den Haufen der film noir Zitate... schließlich war Leaud den Film über nur auf Geld aus, ohne jede Moral, ohne Gewissensbisse. Am Ende des Films fährt sie mit ihrem Liebhaber ins Ungewisse.
Was dem Film wirklich gut bekommt sind jene Szenen, in denen Godard mit dem Klischee der dramatischen Filmmusik spielt, die voller Kraft ein harmloses Kopfdrehen untermalt oder gemächlich lange Einstellungen begleitet in denen Karina ins Leere starrt. Und natürlich auch jene Szenen, in denen er Klischees der Bilder verschrottet: Karina streift sich über ihren quietschbunten (es soll ja schließlich auch ein Disneyfilm sein) Pullover den typischen Trechcoat, die Gangster tragen schwarze Sonnebrillen und beißen auf coolen Zahnstochern herum, Pappfiguren von Filmnoirstars werden durchs Bild getragen, Charaktere nach Größen aus diesem Genre benannt und wenn jemand angeschossen wird (Leaud ist ein großartiges Beispiel), dann geht er möglichst theatralisch zu Boden. Das Rätselhafte der Kriminalfälle die Pate stehen wird hier übertrieben wenn Godard die Tonbandaufnahmen einstreut die er wieder und wieder abspielen lässt und die dennoch nur noch mehr Unordnung ins Chaos bringen.
Wenn er jedoch fehlgeht, dann an jenen Stellen, in denen er eine Art absurdes Theater betreibt: In einer viel zu langen Barsequenz gerät der Wirt mit den Gästen über eine Sichtung des Inventars zu einem Spiel infantiler Unlogik, dass sich zwar (und so wird es auch häufig verstanden) als Bild der vom Rationalen befreiten Poesie und der Einheit der Personen im Kommunismus lesen lässt, aber letztlich zu keiner Aussage führt, sondern nur diffuse Assoziationen ermöglicht. Es stört zudem doch, dass Godard auf Kausalzusammenhänge im Handlungsablauf stark verzichtet und eine Unlesbarkeit anstrebt, dabei jedoch kein Kaleidoskop erschafft (wie in "2 ou 3..."), sondern eher verschiedene Episoden, die sich kaum mehr aneinanderfügen lassen und für sich zumeist jeweils sehr eindimensional und platt wirken. Entweder hätte Godard hier völlig auf die Handlung verzichten und stattdessen mehr Thesen und Essays einpflanzen, oder aber das Geschehen (wie in "Detective") doch durchschaubarer aneinanderketten sollen.
So ist im Endeffekt "nur" eine satte 6/10 drin (immerhin ist der Film nicht langweilig und er hat seine schönen Momente).