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Das Stück „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza sorgte seit Jahren für Furore auf den Bühnen, weshalb eine Verfilmung durchaus naheliegend war und Regisseur Roman Polanski durch die Adaption von „Der Tod und das Mädchen“ bereits entsprechende Erfahrungen in dem Metier mitbrachte.
Für US-Publikum wurde die Handlung von Paris nach Brooklyn verlegt, die Ausgangslage ist aber die Gleiche und der Dialog größtenteils mit der Bühnenfassung identisch: Nachdem sich ihre Söhne gestritten und der eine Junge dem anderen zwei Zähne ausgeschlagen hat, treffen sich zwei Ehepaare in der Wohnung des einen. Auf der einen Seite Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly), die Eltern des Opfers, auf der anderen Nancy (Kate Winslet) und Alan Cowan (Christoph Waltz), die Eltern des Täters. Der Kinderstreit soll zivilisiert und vernünftig aufgearbeitet werden, sozialpädagogisch abgeschlossen mit einer gemeinsam verfassten Erklärung.
Natürlich merkt man schnell, dass Vernunft und Zivilisation nur so lange gelten, solange sie nicht die eigene Meinung und Weltanschauung verletzen. Und da treffen hier sehr verschiedene Ansichten aufeinander. Der Anwalt Alan, der offensichtlich nur auf Höflichkeit mitgekommen ist, an der eigentlichen Aufarbeitung des Streits desinteressiert ist und ständig an sein Handy geht, da ein Klient in einen möglichen Pharmaskandal verwickelt ist. Die Bankerin Nancy ist da eher an der Aufarbeitung interessiert, ist aber deutlich sensibler als ihr abgebrühter Ehemann. Buchautorin und Weltverbesserin Penelope will einerseits alles moralisch aufarbeiten, dabei aber auch moralisch im Recht bleiben. Und Eisenwarenhändler Michael gibt sich so schlichterisch und erdverbunden, gibt aber irgendwann auch den niederen Impulsen nach.

Dabei ergeben sich wechselseitige Allianzen, denn Querverbindungen gibt es, die über die Ehekonstellationen hinausgehen. Penelope und Nancy sowie Alan und Michael verbünden sich auf Basis ihrer Geschlechterrollen, erinnern sich an Jungsbanden, die sie früher gegründet haben, oder an die Anforderungen des Mütterseins. Dagegen gleichen sich Penelope und Alan in ihrer jeweiligen Angriffslust, während Michael und Nancy immer dagegen ankämpfen als reines Anhängsel des Ehepartner wahrgenommen zu werden. So geht es hin und her, denn trotz des Verzichts auf große Effekte oder Plottwists sind alle Figuren Zuspitzungen und die rund 80minütige Story wird immer wieder durch Katalysatoren angetrieben, seien es der Ausschank von Alkohol oder die ständigen Telefonate Alans. Jedes Mal dreht die Geschichte an der Eskalationsschraube, selbst wenn die Sache schon geklärt scheint, und irgendwann wird das Ganze zum Nervenkrieg, bei dem jede vorher getätigte Äußerung (etwa über das Schicksal eines Hamsters) Munition sein kann, die man zur Vernichtung des Gegners nutzen will.
Vorurteile über Einkommens- und Klassenunterschiede, über das Geschlecht und über Lebenseinstellungen kommen beim Aufeinandertreffen der Yuppieschnösel und Weltverbesserermoralisten aufeinander, um teilweise bestätigt und teilweise unterlaufen zu werden, wobei der Film, wie seine Vorlage, auf kein großes Ende, sondern nur auf eine Resignation zuläuft, nachdem alle Masken gefallen sind. Das ist eine Konvention, die auf der Bühne wirkt, hier allerdings leicht unfilmisch wirkt.

Polanski fügt dem Stück daher als Rahmen zwei Szenen außerhalb der Wohnung hinzu: Die erste zeigt den Anlass, den Streit der Jungs, die letzte fügt einen bitteren Kommentar zum gerade beobachteten Nervenkrieg hinzu. Mit kleinen Kamerafahrten, stärkerer Betonung der einzelnen Räumen der Wohnung und Schnitten versucht Polanski der Vorlage auch das Theatralische etwas auszutreiben, die Adaption etwas filmischer und lebendiger wirken zu lassen, was ganz gut gelingt, die Bühnenursprünge aber doch nicht verbergen kann.
So ist auch das Schauspiel aller Beteiligten auch etwas expressiver, ähnlich wie im Theater. Vor allem Christoph Waltz kann da im Arschlochmodus groß auftrumpfen, hat er doch die dankbare Rolle des arroganten Sacks bekommen, der sich mehr für angebotene Spirituosen als für den Streit der Kinder interessiert und mit Zynismus (fast) alles an sich abperlen lässt – nur eine Attacke auf sein Handy reicht da aus. John C. Reilly nutzt die Chance seine Komödienimage als freundlicher Michael spielen zu lassen, um anschließend Abgründe hinter der lustigen Fassade aufzuzeigen. Jodie Foster dagegen ist da manchmal eine Nummer zu pendantisch und zickig, kann aber doch mit den Männern gut mithalten. Einzig und allein Kate Winslet fällt da etwas ab, was aber auch der Rolle liegen könnte, denn oft kommt Nancy nicht mehr über den Status eines wohlmeinenden Anhängsels hinaus, die im Vergleich zu jeder anderen Figur in der schwächeren Position ist.

Doch „Der Gott des Gemetzels“ kann von seiner starken Vorlage und dem erstklassigen Ensemble nur profitieren, ohne jedoch seine Wurzeln als verfilmtes Theater abstreifen können, die trotz inszenatorischer Gegenmaßnahmen deutlich sichtbar sind. Damit erfindet Polanski das Dialogdrama sicher nicht neu, ein vergnüglicher Streit der Egos und Eitelkeiten wird aber dennoch geboten.

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