Abgehangene Augenklappen
Wenn ich eine Liste der unterschätztesten oder übersehendsten Filme aller Zeiten erstellen würde, wäre „Cutter's Way“ definitiv weit oben dabei. Aber jeder der ihn gesehen hat - selbst wenn man ihn wie ich toll findet - wird auch irgendwie schnell begreifen, wie das passieren konnte. Denn „Cutter's Way“ ist (ohne direkt zum Kunstfilm zu werden!) enorm schwer zu greifen und zu definieren, das war er zu seinem Release und das hat sich bis heute nicht verändert, eher verstärkt… Erzählt wird in dem noirischen Genremix oberflächlich ohne viel Spektakel von einem seelisch wie körperlich zerstörten Vietnamkriegheimkehrer und seinem besten Kumpel, der eines bestialischen Mordes an einer Minderjährigen beschuldigt wird. Und nun gilt es (gegen womögliche Verschwörungen aus der Oberschicht) seine Unschuld zu beweisen - mitunter mit fragwürdigen Methoden…
Liegt im Auge des Betrachters
„Cutter's Way“ kann auf viele Leute denke ich unglaublich trocken, passiv und unspektakulär wirken. Genau das Gegenteil vom Unterhaltungskino von damals wie heute. Und trotzdem ist er in seinen Details, Hintergründigkeiten und Kleinigkeiten einer der faszinierendsten Filme, die ich dieses Jahrzehnt zum ersten Mal gesehen habe. Unglaublich ergiebig. Ein meisterlicher Film, den man unbedingt in der Sammlung haben will und öfters gucken will, nein muss. Und er wird jedes Mal neue Facetten offenbaren, da bin ich mir sicher. Bridges und Heard spielen natürlich als ob ihr Leben davon abhängt. Der Score ist einlullend und gefährlich zugleich. Es gibt auch sensationell lustige Dialogzeilen. Und trotzdem wird alles durchzogen von einer Desillusionierung, einer trügerischen Aura und einem Pessimismus, der die USA seitdem ehrlich gesagt nicht mehr verlassen hat. Mal hintergründiger, mal ganz offensichtlich. Und das geht weit über Krieg, Heimkehrer, Verletzungen und das Betäuben der Schmerzen hinaus. Das ist universell, rebellisch und hier dermaßen unterschwellig und nuanciert, dass man nur den imaginären Hut ziehen kann. Auch in der Tradition von dem Paranoiakino des Jahrzehnts zuvor, der Coppolas, Lumets und Pakulas. Insgesamt schlicht, scharfzüngig, stark.
Fazit: einer der besten, erdigsten Neo Noirs & „Heimkehrerfilme“ der 80er. Nein, aller Zeiten. Nichts passiert - und doch alles passiert. Mit perfekten Performances. Einem mächtigen, abseitigen Score. Massiv moody. Höllisch übersehen!